Hallo Leute,

3 0 0
                                    

Tot zu sein ist scheiße. Sterben übrigens auch. Wurde langsam Zeit, dass es mal jemand sagt. Klar weiß ich, dass normalerweise niemand die Gelegenheit hat, von so etwas zu erzählen, deshalb werde ich es niemandem übel nehmen, dass er mich nicht gewarnt hat.

Vielleicht sollte ich erst einmal von vorne anfangen. . .

Wie ihr vielleicht gemerkt habt, bin ich tot. Und das ist meine Schuld. Ich hätte das nicht tun sollen, aber hinterher ist man doch immer schlauer. Es ist jetzt fast zwei Monate her seit meine Eltern ausgezogen sind und vor kurzem war eine kleine Familie hier, die sich das Haus angesehen hat, begeistert von dem billigen Preis. War ja klar, dass ein Haus in dem jemand gestorben ist nicht mehr viel einbringt.

Wie es sein kann, dass ich tot bin und es trotzdem noch möglich ist, dass ich euch das hier erzähle? Ich glaube, ich bin so eine Art Geist. Ich meine, niemand kann mich sehen. Oder hören. Oder sonst irgendwie wahrnehmen. Vielleicht bin ich ja gar nicht wirklich hier?

Ich hab das damals getan, weil ich mich allein gefühlt hab, weil niemand für mich da war und weil ich es einfach nicht mehr ausgehalten hab. Welche Ironie, dass ich gerade dadurch alles nur schlimmer gemacht habe. Jetzt verbringe ich meine Tage damit, in dem Erkerfenster meines alten Zimmers zu sitzen, auf die Straße zu starren und vorbeifahrende Autos zu zählen.

Gestern waren es vierunddreißig.

Heute waren es bisher zwölf. Aber es ist ja auch erst Sonntagmittag, glaube ich zumindest, der Tag ist also noch jung.

Durch ein bestimmtes Auto wurde ich aus meiner Trance gerissen, es wurde langsamer und bog schließlich ab, direkt in meine Einfahrt. Vor lauter Aufregung steckte mein Kopf auf einmal in der Decke, so schnell stand ich auf. Naja, ich bin nicht wirklich aufgestanden, ich laufe ja auch nicht mehr wirklich, sondern schwebe nur noch umher. Ist aber ziemlich praktisch, dass ich keine Türen mehr öffnen muss, um mich im Haus zu bewegen, weil ich es nicht könnte, selbst wenn ich müsste.

Okay, ganz ruhig. Erst einmal den Kopf aus der Decke ziehen und cool bleiben. Bei nochmaligem Hinsehen fiel auch der Anhänger auf, der das Logo einer Umzugsfirma trug. Das ist bestimmt die Familie, die sich vor kurzen das Haus angesehen hat! Selbst wenn sie mich nicht sehen konnten freute ich mich doch auf die Gesellschaft. Ich kann zwar mit niemandem reden, aber ich kann trotzdem noch zuhören. Die Beifahrertür ging auf und eine Frau stieg aus, während der Mann bereits auf dem Weg zum Anhänger war und schon mal einen der Umzugskartons nahm, um ihn ins Haus zu tragen. Die Frau klopfte währenddessen an die hintere Scheibe und es sah ganz so aus, als würde sie mit jemandem reden. Vielleicht sogar mit jemandem in meinem Alter!

Was solls, ich könnte sowieso nicht mit demjenigen reden. Langsam ging die Autotür auf und wie gerne würde ich mich jetzt noch weiter aus dem Fenster lehnen können, um zu sehen, wer ausstieg, aber leider konnte ich das Haus nicht verlassen. Geduld also. Das einzige, was ich bisher sehen konnte, war ein platinblonder Haarschopf, sah nach einem Mädchen aus. Aber wie klein war sie bitte?

Endlich schlug die Tür zu und ich konnte sie vollständig sehen. Klein war sie zwar, aber ich würde sie minimal auf sechzehn schätzen, vielleicht älter. Ungefähr in meinem Alter. Von weitem erkannte ich noch ein hübsches Gesicht und ein Paar schlanker Beine in engen Jeans. Außerdem trug sie eine dieser übergroßen Sweatshirt-Jacken, in der sie förmlich versank, als würde sie versuchen, sich zu verstecken. Ich ließ mich durch den Boden sinken, um einen Stock tiefer an der Haustür zu warten. Das Mädchen hatte mich neugierig gemacht. Der Vater war bereits im Haus und trug den Karton in seinem Arm die Treppen nach oben, vermutlich in das große Schlafzimmer, das meine Eltern früher bewohnt hatten.

Tot zu sein ist Sch****Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt