Teil 25

236 10 13
                                    

Unschlüssig betrachte ich meinen Körper vor dem Spiegel und drehe mich prüfend leicht hin und her. Der wenige Stoff schwingt dabei mit, soweit das bei der geringen Menge möglich ist und schmiegt sich danach direkt wieder eng an mich wie eine zweite Haut.

Lucy würde mein Kleid gefallen, da bin ich mir sicher. Ebenso sicher bin ich mir, dass sie darin wunderschön aussehen würde und wahrscheinlich um ein Vielfaches heißer als ich es je sein könnte.

Obwohl meine Figur ihrer in vielerlei Hinsicht ähnelt, komme ich mir in diesem Stück Stoff gerade einfach nur vor wie ein Luftballon kurz vor dem Platzen.

„Schön bist du nicht, wenn du etlichen Schönheitsidealen entspricht. Du bist auch nicht perfekt, wenn andere dein Aussehen beneiden. Doch du bist der wunderschönste Mensch auf Erden, wenn du nicht weitere Schichten Klamotten, sondern deine Selbstzweifel ablegst und dich selbst als schön empfindest, jedes Mal, wenn du einen Blick in den Spiegel wirfst. Denn innerlich gibt es nichts, dass dich noch hübscher machen könnte und nun musst du das nur noch nach außen tragen. Denn dann, wenn du mit erhobenem Kopf und stolzer Haltung mit einem Lächeln auf den Lippen und Zufriedenheit mit dir selbst in deinem Herzen durch dein Leben gehst, wird deine Ausstrahlung wie mächtiger als jeder Schild jegliche Bemerkungen abfangen, die dich zum Zweifeln bewegen könnten."

Meine Mutter hat mir diesen Rat gegeben, als ich vor einigen Jahren vollkommen unzufrieden mit meinem Aussehen war und einige andere das ausgenutzt haben, um mich zu beleidigen. Täglich hat sie mir mit einem lieben Satz den Tag gerettet und mich immer wieder aufgebaut. So lange ist sie nun schon fort und sie fehlt mir noch genauso wie am Anfang.

Doch sie hatte Recht, sie hatte immer Recht! Entschlossen wende ich mich wieder dem Spiegel zu und zwang mich zu einer aufrechteren Haltung. Stolz setze ich ein Lächeln auf und streiche mir eine Strähne meiner Haare zurück.

Nicht umsonst hat sie mir täglich diese Dinge gesagt, sie hat es ehrlich geglaubt. Und darum muss ich jetzt auch daran glauben, das bin ich ihr schuldig.

Plötzlich ertönen Schritte von draußen, laute Schritte, die sich unverkennbar meiner Tür nähern. Mit einem Mal sind meine ganzen Vorsätze verschwunden und ich spanne mich erschrocken an. Wenn das hier nicht funktioniert oder er Verdacht schöpft, kann ich das ganze gleich vergessen.

Nervös atme ich tief durch, während ich mich schnell auf meinem Bett niederlasse.

Keine Sekunde später steht auch schon Sam in meinem Zimmer und schaut mich mit seinem typischen frechen Grinsen an. Ich jedoch erwidere es dieses Mal nicht, sondern fahre mir nur durch die Haare, um unauffällig mehr Haut freizulegen.

Nach außen hin scheine ich ruhig zu wirken, normal, denn Sam wirkt nicht skeptisch. Innerlich jedoch kämpfe ich mit mir selbst, mit meiner Angst und mit der Scham und dem Ekel vor meiner Freizügigkeit, die ich so gar nicht gewohnt bin.

Während der Junge vor mir immer näher kommt, lasse ich ihn nicht aus den Augen. Ihm scheint dieser andauernde Blickkontakt komisch vorzukommen, denn er mustert immer wieder die Gegend um mich herum und lässt sich dann neben mir nieder.

Aufmerksam lasse ich meinen Blick dabei über ihn gleiten und entdecke sein Handy in der hinteren Hosentasche, was mich innerlich einen kleinen Freudensprung machen lässt.

„Wie geht es dir? Sind die Schmerzen heute stark?" Seine Stimme wirkt ein wenig gehetzt, als wollte er etwas durch seine schnelle Sprechweise verbergen. Vielleicht verwundert ihn meine äußerliche Veränderung zu den üblichen Tagen.

Ein Strecken meinerseits, was das Kleid an den Oberschenkeln ein wenig weiter nach oben gleiten lässt und ein deutliches Schlucken von Sam bestätigen meine Theorie und die Angst vor dem Bevorstehenden wird langsam aber sicher von Selbstsicherheit ersetzt.

„Weißt du...", fange ich an und rücke dabei ein Stück näher an den Jungen neben mir heran. Betont zufällig lege ich eine Hand auf sein Bein und blicke ihm wieder in die Augen, bevor ich fortfahre.

„Du bist wirklich nett, Sam. Hier bist du der einzige, der freundlich mit mir umgeht, mir hilft und für mich da ist. Ein Freund, ein guter Freund." Bis hierhin funktioniert alles ganz gut, doch ich weiß nicht genau, wie ich weiter machen soll. Da ich die genaue Situation nicht vorhersehen konnte, konnte ich auch nicht alles bis ins Detail planen. Ich werde wohl improvisieren müssen.

Ohne den jungen Mann neben mir aus den Augen zu lassen, nähere ich mich ihm noch ein wenig und zeichne kleine Kreise auf seinen Oberschenkel. Zufrieden betrachte ich die Auswirkung meines Handelns und erlange mehr und mehr Sicherheit.

„Weißt du, zwischen Freunden und etwas mehr ist gar kein so großer Unterschied. Nur eine Sache ist da, die normale Freunde einem nicht geben könnte."

Kurz stoppe ich, da ich mir nicht sicher bin ob Sam weiß, von was ich rede. Doch in seinem Gesicht spiegelt sich Erkenntnis und etwas, das man wohl als Vorfreude bezeichnen könnte. Auch er rückt nun ein Stück näher an mich heran und legt leicht den Kopf schief.

„Und das wäre...?", fragt er leise, mit seiner plötzlichen rauen Stimme, die mir eine Gänsehaut beschert.

„Wie wäre es, wenn du mir einfach zeigst, was du darunter verstehst?", flüstere ich, seine Reaktion erwartend. Diese lässt kaum auf sich warten und schon befinde ich mich rücklings auf meinem Bett, Sam über mir. Links und rechts neben meinem Kopf stützt er seine Arme auf, um mich etwas zu entlasten.

Während er vorhin noch zurückhaltend gehandelt hat, blitzt nun Lust in seinen Augen auf und er beugt sich keine Sekunde später herab und fängt an, erst langsam und dann immer ungehaltener Küsse auf meinem Dekolletee zu verteilen.

Mit jedem Kuss wird er drängender und ich muss immer mehr Kraft aufbringen, um ihn nicht von mir zu stoßen. Vorsichtig streiche ich mit einem Arm seinen Rücken hinab, bis ich an seiner Hosentasche angekommen bin. Sam ist immer noch mit meinem Hals und Ausschnitt beschäftigt, der aufgrund meiner Kleidungswahl recht groß ausfällt. Daher ist es mir ein Leichtes, mit einer schnellen Handbewegung sein Telefon aus der Tasche zu ziehen und unter mein Kopfkissen gleiten zu lassen.

Nachdem meine Aufgabe erledigt ist, werde ich mir der Lage, in die ich mich selbst gebracht habe, erst richtig bewusst. Sam liegt immer noch über mir und scheint auch nicht vorzuhaben, an seiner Position recht bald etwas ändern zu wollen.

„Weißt du, schon am Anfang habe ich gehofft, das hier mal tun zu können. Ein bisschen Spaß zu haben.", bringt er grinsend zwischen zwei Küssen hervor, was mich nur schwer schlucken lässt. Dennoch versuche ich weiterhin, ihn nicht aufzuhalten und mein Unbehagen nicht zu zeigen, damit er keinen Verdacht schöpft.

„Was macht ihr da?"

Ruckartig löst Sam sich von mir und die trotz der Situation angenehme Wärme verschwindet ebenso. Wie er schaue ich erschrocken zur Tür, in der Aiden steht und uns mit nicht deutbaren Miene mustert.

Bevor ich auch nur etwas erwidern kann, ist Sam schon aufgestanden und aus der Tür verschwunden. Ihn nicht beachtend wendet sich der ältere Junge nun mir zu und zieht eine kleine Tablette hervor.

„Nimm die. Ist gegen die Schmerzen."

Skeptisch mustere ich die angebliche Schmerztablette. In den letzten Wochen habe ich einige verschiedene zu mir genommen, doch keine sah aus wie diese hier. Außerdem habe ich schon seit mindestens fünf Tagen keine mehr genommen, warum also genau jetzt?

Wie ein Blitz kommt die Erkenntnis. Eine Schlaftablette, sie wollen mich ruhig stellen, während sie weg sind. Wenn ich die nehme, ist mein Plan gescheitert und alles war umsonst.

Aiden wirkt von Sekunde zu Sekunde genervter.

Wenn ich die Tablette nicht nehme, wird mein Plan nicht funktionieren, doch wenn ich sie nicht nehme wird Aiden ihn definitiv irgendwie vom Gelingen abhalten.

Hin und hergerissen blicke ich zu ihm hinauf, unschlüssig, welche Entscheidung ich treffen soll.


Seid stolz auf mich, es hat keine halbe Ewigkeit bis zum nächsten Update gedauert und das Kapitel ist für meine Verhältnisse sogar recht lang! :)
Würde mich sehr über Votes und/oder eure Meinung in den Kommentaren freuen.

Welches ist euer Lieblingsgenre auf Wattpad? :)

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 07, 2017 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Wenn die Hoffnung zuletzt stirbt - muss ich dann vor ihr gehen?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt