Der letzte Gute Tag

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Da lagen wir nun. Auf einem Hügel, von dem aus wir die ganze Stadt sehen konnten. Der Blick in die Ferne, dass war es, was uns immer wieder zu diesem Hügel brachte. Man fühlte sich frei, grenzenlos und hatte ein Gefühl, jedem anderen Lebewesen überlegen zu sein. Dies sollte jeder einmal fühlen dürfen. Die Frühlingsbrise zerzauste uns die Haare, doch das schien uns nicht zu stören. Vor uns lag eine riesige Blumenwiese neben einem Kiesweg. Wir pflückten Blumen wie kleine Kinder. Wir hatten solchen Spass. Ausser Atem setzten wir uns wieder auf unsere rot karierte Decke. Wir sprachen über alte Zeiten. Was für schreckliche Frisuren wir vor ein paar Jahren noch hatten. Als hätte dies irgendeine Bedeutung. Doch wir waren damals unwissend und grenzenlos. Wie naiv wir doch sind, sitzen auf einer Wiese und denken, uns könnte nichts trennen. Wir geniessen den wunderbaren Sonnenuntergang. „ Habt ihr euch schon gefragt wie euer letzter guter Tag aussehen würde?", fragt Daja.

„ Nein wie kommst du auf so etwas!", gieb Mirjam hysterisch zurück.

„ Wenn du morgen im Krankenhaus aufwachen würdest, und die Diagnose wäre Krebs, wie würde dein letzter Guter Tag aussehen?"

„ Mein Tag würde genau so aussehen wie heute.", sagt ich.

Plötzlich vielen Regentropfen vom Himmel und wir rannten den staubigen Feldweg entlang bis zu meinem Auto. Klitsch nass sprangen wir hinein und fingen an zu lachen. Wir lachten eine gefühlte Ewigkeit, ohne jeglichen Grund. Ausser Atem kam es  aus dem nichts aus meinem Mund: „ Ihr seid meine Besten Freunde. Wisst ihr das? Ich möchte niemals mehr ohne euch sein." Es wurde still im Auto. Beide lächelten mich an und ohne Worte nahmen wir uns in die Arme. Mit manchen Menschen versteht man sich Wortlos.
 Mit voll aufgedrehtem Radio machten wir uns auf den Heimweg. Die Strassen waren nass und der Feierabendverkehr war mörderisch. Lauthals sangen wir zu unserem Lieblingslied mit. Im Stau zustehen hat auch seine Vorteile, solange man den richtigen Beifahrer hat. Als wir wieder im normalen Tempo weiter fahren konnten, brachte ich die beiden nach Hause. Sie wohnten in derselben Strasse und mein Haus lag auch nicht weit entfernt. Wir stiegen alle aus und trugen unser Picknick ins Haus  Wir gingen in den Keller, wo wir uns eingerichtet hatten. Bevor wir ihn renoviert haben, war dieser Keller wirklich hässlich. Wir strichen die Wände dunkel Rot und hängten Bilder und Poster auf. Im Brockenhaus nicht weit von hier fanden wir alte Lampen, die wir in die Ecke hinter dem Sofa stellten.  Wir machten es uns bequem und ich ging zur Stereoanlage und liess Nirvana aus den Boxen dröhnen. Im selben Moment als ich mich gelassen aufs Sofa fallen lassen wollte, klingelte mein Handy. Mein Bruder rief mich an und sagte ich müsse nach Hause kommen, um meiner Mutter zu helfen sein Geburtstagsfest für morgen vorzubereiten. Also verabschiedete ich mich von meinen besten Freundinnen, nahm sie fest in den Arm und ging die Treppe hoch. In meinem Auto drehte ich die Musik laut auf und startete den Motor. Die Strassen waren immer noch nass. Die Fahrbahn war wie ausgestorben. Mein Handy vibrierte und ich schaute schnell nach, wer mir geschrieben hatte. Es war mein Bruder, er hatte mir ein Bild geschickt. Ich antwortete nicht, da ich mich auf die Strasse konzentrieren musste. Mein Handy warf ich zurück auf den Beifahrersitz. An der nächsten Kreuzung bog ich links ab. Plötzlich rannte ein kleines Mädchen vor mein Auto in die Strasse. Ich machte eine Vollbremse. Ausser Atem starrte ich auf die Strasse. So hatte ich mich noch nie erschreckt. Für einen kurzen Moment blieb ich mitten auf der Fahrbahn stehen. Es störte aber keinen, denn die Stadt schien ausgestorben zu sein. Also liess ich den Motor wieder aufheulen. Ich schaute nach rechts und dann nach links. Ich riss meine Augen auf. Ich wollte nach Hilfe schreien doch aus meinem Mund kam kein Ton. In voller Geschwindigkeit raste ein Jeep auf mich zu. Der Fahrer hatte keine Kontrolle mehr über sein Auto und ich sass nur da, gelähmt vor Angst. Sein Auto krachte in meines. Ich war nur durch eine Autotür aus Alu geschützt. Der Aufprall fühlte sich an wie ein Flugzeugstart. Ich war das Flugzeug. Ich durchstiess die Luft und überwand die Schwerkraft. Und eine Sekunde später flog ich weg weit weg.

Es ist ruhig hier. Ich bin auf unserem Hügel, alleine. Es ist wunderschön. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern. Ich beobachtete uns wie wir lachend Blumen pflückten. Wie wir den Sonnenuntergang betrachteten und wie wir im Regen zu meinem Auto rannten. Aber das bin ich nicht da unten. Ich liege hier, auf der rot karierten Decke und schaue in den Himmel. Ich wünschte, ich könnte bei ihnen sein. Viel hat sich bestimmt nicht verändert. Ich war ja erst gestern mit ihnen zusammen. Doch dies ist nun vorbei, denn gestern war ein wundervoller letzter guter Tag. Aber heute bin ich tot, wirklich und wahrhaftig, grenzenlos. 

Der letzte Gute TagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt