Alsterasche

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Sie ging gerne in die Bar an der Alster. Eines Tages traf sie ihn. So unscheinbar er doch war, aber aufregend zugleich. Die kurzen schwarzen Haare nach hinten gekämmt, ein krummer Schnäuzer in der rechten hand eine dicke Zigarre, in der linken ein leeres Glas. Sie wusste selbst nicht was sie dazu trieb, sich zu ihm zu gesellen, aber sie hatte das Bedürfnis ihn kennenzulernen. Überrascht darüber dass sich eine schlanke , große Dame in einem wunderschönen roten Abendkleid neben ihn setzte, stellte er sich vor und nahm ihr den teuren Pelzmantel ab. Ein Gentleman war er auch noch! Als er wiederkam bestellte er zwei Gläser edlen Bourbonwhiskey und sah ihr tief in die Augen. Dunkelbraun nahezu schwarz in diesem schummrigen Licht. Sie erzählte er hörte zu. Er kommentierte und sie lächelte. Sie redeten den ganzen Abend, vertraut, als würden sie sich schon ewig kennen. Unzählige Worte wurden gewechselt, zahlreiche Gläser Whiskey wurden nachgeschenkt. Es wurde zunehmend später. Um elf Uhr nahmen sie ihre Mäntel und verließen die Bar. Er fuhr sie in seinem Audi Cabriolet nach Hause. Am Treppenabsatz gab sie ihm einen flüchtigen Kuss auf seine Wange- lange danach verweilte er noch vor ihrer Wohnungstür, weil er sich von ihr so angezogen fühlte. Eine Begegnung wie diese, gab es selten bei ihm. Frauen waren ihm ein Sammelbegriff von undefinierter Bedeutung. Gab es  viele bei ihr? 

Er wollte mehr. Erleben, geben, nehmen, sehen und verstehen- mit Bedacht? Waren ihm ihre Personalien bekannt? Verlangen nach etwas Fremden was doch so vertraut wirkt. Was nun?

Sie ging jeden Abend wie diesen einen besonderen in die Bar an der Alster.  Hoffen auf Begegnung. Sie fand ihn jeden Abend um dieselbe Uhrzeit, wie die eine Besondere, an der Theke . Sie tranken jedes mal unzählige Gläser Whiskey und immer denselben Besonderen. Alles geschah mit Bedacht. Aber nichts war geplant.- weder von ihr noch von ihm. Nähe hatte längst keine Bedeutung mehr, aber umso häufiger stellte sich die Frage der Identität. Beide waren ahnungslos. Ein gemeinsames Schicksal, ein jener möge es Zufall nennen, was jedoch nicht perfekt zutrfift.

Es vergingen Wochen und die Frage stellte sich öfter und sie und er wurden noch vertrauter. Geheimnisvolle Bekanntschaft?  Niemandem fielen sie großartig auf. Aber jeder mit seinen Klischees. Welche waren das?

Am letzten besonderen langen Abend, fuhr er sie nach nach Hause. Er blieb nicht im Treppenhaus.

Als sie am darauffolgendem Abend in die Bar an der Alster trat, war er nirgends zu sehen. Der Ober nahm ihr den Pelzmantel ab. Sie trank alleine zwei Gläser Whiskey als sie um zehn Uhr in ihrem alten Mercedes nach Hause fuhr. Vor ihrer Wohnungstür lagen ein Brief und eine weiße Rose. In dem Brief befand sich ein Besitzerurkunde für diese eine besondere Bar an der Alster. Die Rose hatte einen leichten Duft.

Tagsdarauf verstab sie an Blutkrebs. Sie wurde tot  in ihrer Wohnung aufgefunden. Die Asche aus ihrer Urne schüttete man vor der Bar in die Alster. Die Bar hatte seitdem keinen richtigen Besitzer, so hieß es.

Diesmal war es geplant. Er trank nie wieder Whiskey mit Damen und nahm ihnen auch nicht mehr ihren Mantel ab. Er besuchte die Bar niewieder. Aber legt nun immer stets Wert auf die Personalien und die Identität eines Jeden. 

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