ZÜMRA
"Inna lillahi wa inna ilayhi raji'un." (2:156)
"Siehe wir gehören Allah, und zu Ihm kehren wir heim."
Da unsere Tage nicht völlig leer waren – die Präsentationen für die Kolloquien machten sich schließlich nicht von selbst –, verstrich die Zeit unbemerkt so schnell, dass nun die Präsentationen anstanden. Eher gesagt hatten alle außer Bilal bereits alles hinter sich – und mit alles meinte ich neben den Kolloquien auch die Bewerbungen für den Master – und heute warteten wir gespannt auf Bilals Ergebnis. Wir hatten uns alle bereits bei ihm versammelt und warteten auf seine Ankunft.
„Er müsste doch schon längst hier sein", flüsterte ich vor mich hin und blickte verzweifelt erneut auf meine Armbanduhr. Er hatte eindeutig zu lange gebraucht. Sein Kolloquium hätte bereits vor einer Dreiviertel Stunde fertig sein müssen und demnach müsste er spätestens vor 10 Minuten zuhause sein.
Ungeduldig blickten wir alle abwechselnd auf unsere Handys, Armbanduhren und auf die große Uhr an der Wohnzimmerwand hinter dem Sofa. Seufzend stand ich auf und bewegte mich in die Richtung der Küche.
Nach einem kurzen inneren Kampf mit mir selbst, wählte ich Bilals Nummer und wartete darauf, dass das nervige Piepen endlich aufhören würde, und seine beruhigende Stimme mir endlich sagen würde, dass er gleich hier wäre. Doch wider meiner Erwartung ging seine Mailbox ran, und seufzend steckte ich das Handy in meine Hosentasche.
Meine Gefühle sagten mir nichts Gutes. Ich wollte es nicht aussprechen, doch ich spürte, dass ihm etwas zugestoßen war. Hatte Angst meinen Traum zu leben.
Plötzlich ertönte das schrille Leuten des Haustelefons – heute besonders Nerv tötend –, und aus Gewohnheit ging ich sofort ran. „Hallo?", erkundigte ich mich, wer am anderen Ende der Leitung war. Noch bevor die Person antworten konnte, hatten sich meine Mütter und meine Brüder zu mir gesellt und beobachteten mich und meine Reaktionen.
Das ungute Gefühl war also nichts persönliches.
„Hallo ich rufe aus dem Stadtklinikum Kassel an. Spreche ich ein Familienmitglied von Herrn Bilal Alaca?", ertönte die Stimme einer Frau aus dem Haustelefon.
Völlig überfordert von der Situation starrte ich in die Leere.Nein, rief mein Inneres. Oh Allah, lass ihm bitte nichts passiert sein. Lass ihm nichts passiert sein.
„Ja, ich bin seine Schwester", hörte ich mich sprechen. „Es tut mir leid, Ihnen dies sagen zu müssen. Ihr Bruder wurde vor einigen Minuten bei uns eingeliefert. Er hatte einen schweren Motorradunfall und hat bereits am Unfallort jede Menge Blut verloren. Als er bei uns eingetroffen ist, war es leider schon zu spät und wir konnten ihn nicht mehr retten", die Stimme der Frau wurde immer leiser in meinem Kopf und ich konnte nicht mehr denken.
Es fühlte sich so an, als wäre mein Gehirn eingefroren.
Er war was?
„Er ist tot?", flüsterte ich und hielt für einen Moment meinen Atem an.
„Mein Beileid", hörte ich die mitleidvolle Stimme der Frau.Ich wusste nicht wie die nächsten Minuten verliefen, aber inzwischen hatten sich alle um mich versammelt. Alle Blicke waren auf mich gerichtet, meine Gefühle jedoch gehemmt. Wie wir aus dem Haus gegangen waren, war mir ein Rätsel. Ebenso, wie ich die Worte aussprechen konnte. Rasend fuhren wir zum Krankenhaus, als könnten wir etwas an der Sache ändern. Als könnten wir Bilal wiederbeleben.
Es war eine Qual vor Bilals leblosen Körper zu stehen.
Mein Herz pumpte nur so viel Blut, wie mein Körper zum Überleben brauchte.Welchen Sinn hatte mein Leben, wenn er nicht mehr bei mir war, nicht mehr an meiner Seite stand?
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Fels in der Brandung
Teen FictionZwei zerstörte Seelen, die aufeinandertreffen. Die sich gegenseitig heilen. Zümra und Azad. Man sagt Liebe sei das Aufeinandertreffen von zwei Seelen, die gegenseitig all ihre guten und schlechten Seiten akzeptieren und bereit sind alles füreinander...