Der Anfang des Endes

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Ich lasse meine Füße ins Wasser baumeln. Für mitte März ist es bereits ziemlich warm. Der Frühlingswind bläst mir ein paar Haarsträhnen ins Gesicht und umgibt mich mit einer angenehmen Prise. Ein salziger Geruch kommt vom Ozean auf und die Sonne beginnt bereits sich wieder auf den Heimweg zu begeben. Es war der letzte Schultag vor den Ferien und somit auch des Schuljahres. Wie jedes Jahr wird am Abend des letzten Schultages ein großes Abschiedsfest für die Schüler der Abschlussklasse gehalten. Es ist immer der Höhepunkt des Jahres und sogar die Lehrer freuen sich darauf. Alle Schüler der Schule sind eingeladen und anders als bei Sommerfesten, müssen die Schüler gar nichts tun. Es ist mein erstes Jahr auf dieser Schule und somit auch mein erstes Abschlussfest, das ich miterleben werde, aber gleichzeitig wird es auch das traurigste sein, das ich jemals erleben werde auf dieser Schule. Denn eine ganz besondere Person wird nach diesem Abschlussfest verschwinden. Er wird nicht nur aus unserem kleinen Dorf verschwinden, sondern sogar noch aus unserer Präfektur. Von Okinawa nach Tokio. Das ist schon ein weites Stück. Ich sollte den Tag genießen, denn schon ab morgen werde ich ihn nicht mehr jeden Tag in der Schule sehen wie ich es bisher gewohnt war. Ich tippe mit meinen Zehen auf das Wasser. Es ist ein Dilemma. An seiner Abreise kann ich nichts ändern, doch an meinen Gefühlen auch nicht. Das einzige was in meiner Hand liegt, ist, ob ich es ihm beichte oder nicht. Beichten, dass ich in ihn verliebt bin. In meinen Senpai. Meinen Senpai aus dem Kunstklub und gleichzeitig einen meiner besten Freunde. Er ist mir schon an meinem ersten Tag hier an der Oberschule aufgefallen. Er stach irgendwie aus der Menge heraus. Durch Glück oder Zufall war er der Vorsitzende des Kunstklubs- der Klub, in den ich eh gehen wollte. Ich konnte mein Glück kaum fassen als ich es herausgefunden habe. Es stellte sich heraus, dass er gar nicht so weit von mir entfernt wohnt und wir liefen oft gemeinsam nach Hause. Schon damals habe ich Gefühle für ihn entwickelt, die mit der Zeit nur noch stärker wurden. Unsere Freundschaft wurde immer enger und somit auch die Gefahr, dass ich alles zerstöre, wenn ich ihm erzähle wie ich fühle. Aber wie sollte ich ihm es auch gestehen? So etwas sagt man nicht mal nebenbei. Ich hätte es planen sollen. Doch dazu ist es jetzt zu spät. Ich kann nur noch den heutigen Tag mit ihm genießen und muss dann mitansehen, wie er 2000km weit weg zieht.
"Natsu!"
Ich drehe mich um. Mizuki kommt auf mich zugerannt und winkt wie wild mit dem Arm. Ist es wirklich schon so spät? Habe ich etwa so schnell die Zeit vergessen? Schnell stehe ich von dem Steg auf und schlüpfe in meine Schuhe.
"Komm schon, meine Mama wartet nicht ewig", mahnt sie mich und packt daraufhin mein Handgelenk. Ich stolpere hinter ihr her und kann kaum Schritt halten. Gemeinsam steigen wir in das Auto, das etwas abseits vom Strand geparkt hat. Ich glaube noch nie bin ich auf ein Schulfest gegangen mit so gemischten Gefühlen.

SpätsommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt