6th

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Als ich wieder zu Bewusstsein kam, konnte ich bereits hören, dass ich nicht allein war. Schritte schienen von überall her zu kommen. Doch als ich meine Augen öffnete, um die Lage genauer zu peilen, konnte ich niemanden sehen. Ich befand mich in der Küche, mit Seilen auf einen Stuhl gebunden, sodass ich mich kaum einen Zentimeter rühren konnte. Ansonsten war keine Menschenseele zu sehen. Ich wartete noch eine Weile, bevor ich damit begann mit aller Kraft an meinen Fesseln zu reißen. Zwecklos. Das einzige, was ich damit erreichte, war, dass sich die Seile in meine Haut gruben. Ohne auch nur den geringsten Schmerz zu spüren, riss ich weiter und weiter daran, bis schlussendlich meine Handgelenke zu bluten begannen. >Ich an deiner Stelle würde damit aufhören<, ertönte da plötzlich eine Stimme hinter mir. Sofort erstarben all meine Befreiungsversuche und ich starrte geradewegs nach vorn. >Ach. Jetzt sind wir wohl nicht mehr so mutig und vorlaut, was?< Schritte kamen näher bis das Arschloch vom Dienst in mein Sichtfeld trat, die Hände lässig in seinen Hosentaschen vergraben, sodass man seine Daumen noch sehen konnte.

>Geh doch da hin, wo der Pfeffer wächst<, war meine Erwiderung. Ein belustigtes Grinsen erschien auf seinen Lippen, während er sich mir gegenüber an die Arbeitsfläche lehnte.

>Hör mal, du tust dir damit selber keinen Gefallen so aufmüpfig zu sein. Je besser du mitarbeitest desto schneller sind wir hier fertig und ich hab Feierabend< Was interessiert mich sein Feierabend? Ich schwieg und starrte stumm vor mir her auf den Fußboden. Ich hörte sein entnervtes Stöhnen. Seine Schritte, die auf mich zu kamen. Er blieb neben dem Stuhl stehen, ich konnte seinen schwarzen Springerstiefel sehen. An ihnen klebte Schlamm und alte, vertrocknete Blätter. >Du musst mir nur den Namen des Dämons sagen, danach lösche ich jegliche deiner Erinnerungen an ihn und an mich. Alles wird in Ordnung sein<

>In Ordnung?<, fragte ich ihn. >Was ist schon in Ordnung? Weder du noch sonst irgendein dahergelaufener Verrückter kann alles in Ordnung bringen. Ich verzichte also auf dein Angebot< Auf einmal spürte ich einen Ruck an meinen Haaren. Er hatte seine Hand in sie gekrallt und zerrte so meinen Kopf hoch, damit ich ihn ansah. Er sah wütend aus. Obwohl, nicht unbedingt wütend. Eher resigniert und am Ende mit seiner Geduld.

>Wie heißt der Dämon?< Als Antwort spuckte ich ihm ins Gesicht.

>Fahr zur Hölle<, schleuderte ich ihm entgegen. Er schloss seine blauen Augen, schien sich zu sammeln, als plötzlich seine andere Hand auf mich zugeflogen kam. Sie kam immer näher auf mein Gesicht zu. Ich wusste, meinem Körper würde es weh tun. Mir nicht, aber meinem Körper. Dennoch sagte ich kein weiteren Ton. Was wusste dieser Typ auch schon? Von mir und von Luzifer? Von meiner Vergangenheit? Nichts. Er wusste nichts. Und deshalb hatte er auch kein Recht mir diese Sicherheit der Kälte wieder zu nehmen. Ich brauchte sie. Brauchte diese Leere in mir. Niemand würde sie mir wegnehmen. Absolut niemand.

Kurz bevor seine Hand mein Gesicht berühren konnte, stoppte sie plötzlich mitten in der Luft. >Was mache ich hier eigentlich?<, hörte ich ihn murmeln, als er auf einmal meine Haare los ließ und mehrere Schritte zurücktrat. Als wolle er mir Raum geben. Danach war es still. Zu still. >Hör mal... es ist mein Job die Dämonen zurück zu schicken. Egal auf welche Art und Weise. Wenn ich von dir nicht den Namen bekomme, wirst du angeklagt. Sie werden dich hinrichten oder in den Kerker werfen. Das wollen wir doch beide nicht, oder?< Was sollen denn die Psychospielchen? Versucht der an meine Menschlichkeit zu appellieren?

>Mach mich los< Er schnaubte nur, was mir mehr als tausend Worte darüber verrieten, was er von meiner Forderung hielt. >Nun mach schon. Dann sag ich dir auch den Namen<, meinte ich und drehte dabei meinen Kopf so, dass ich ihn und sein Gesicht klar sehen konnte. Er hatte abschätzend eine Braue gehoben und erwiderte meinen Blick. Wie ein Drogenhund schien er in meinen Augen irgendetwas zu suchen, was ihm meine Unehrlichkeit beweisen sollte. Wahrscheinlich hatte er es bisher nur so im Gefühl gehabt, dass ich irgendetwas im Schilde führen würde. Jetzt suchte er nach Beweisen. Nicht für andere, sondern für sich selbst. Für irgendetwas schien er mich noch gebrauchen zu wollen.

>Also schön<, seufzte er. Er kam wieder auf mich zu, zog dabei jedoch ein Messer aus seinem Gürtel, an dem noch viele weitere hangen, um die Fesseln zu durchtrennen. Kaum hatte er das getan, war ich wieder auf den Füßen und schlug ihn mit meiner Faust gegen das Kinn. Er taumelte ein paar Schritte zurück, hielt sich dabei den Kiefer. Er hatte eindeutig nicht mit so etwas gerechnet, sonst hätte ich wieder auf dem Boden gelegen. Wahrscheinlich wieder bewusstlos geschlagen.

>Das war für den Schlag gegen den Hals<, meinte ich. Prüfend bewegte er er seinen Kiefer vorsichtig hin und her, als müsste er seine Unversehrtheit prüfen. Ich verdrehte die Augen. So schlimm war es nun auch wieder nicht. Sein Blick, als er mich anschließend ansah, hätte töten können. Unbeeindruckt verschränkte ich meine Arme vor der Brust. >Jetzt sind wir quitt< Sein mordlustiger Blick änderte sich zu ungläubig und schließlich zu vollkommen perplex, bis er schließlich wieder einmal anfing zu lachen. Es war immer noch rau und klang auch etwas dunkel in meinen Ohren. Doch es war ehrlich, wie ich kurz darauf feststellte, als Lachtränen seine Wangen hinunter flossen. Ich machte zwei Schritte rückwärts, wodurch ich an den Stuhl kam und dieser umfiel. Das laute Klappern, als er auf den Fliesen auftraf, sorgte dafür, dass der Mann sich über seine Augen wischte. Vermutlich konnte er mit ihnen nicht klar sehen. Doch mir brachte es nichts. Ich stolperte weiter nach hinten, bis ich nochmals etwas berührte. Allerdings war es dieses Mal die Wand und die wich nicht zurück oder fiel um. Sie blieb, wo sie war. Verhinderte meine weitere Flucht vor seinem Lachen, auch wenn dieses bereits verklungen war. Aber es klang weiter in meinen Ohren nach. Erinnerte mich an ein anderes Lachen. Eines, was ich vergessen wollte. Die Erinnerung allein und die damit verbundenen Gefühle wallten in meinem Körper auf. Er erinnerte sich daran. Erinnerte sich an Schmerz und Leid. Er fing an zu zittern und ließ mein Atem schneller gehen, obwohl mir mein Gehirn sagte, dass nichts war. Dass ich keinen Grund für diese Reaktion hätte. >Raus hier<, flüsterte ich, aber der Mann blieb, wo er war. Sah mich einfach an. >RAUS!<, brüllte ich ihn an, was mir einen mitleidigen Blick einbrachte. >VERDAMMT NOCH MAL! ICH SAGTE: RAUS!< Ich ging auf ihn zu, schob ihn rückwärts aus der Küche hinaus, was er bereitwillig mit sich machen ließ. Er musste weg. Ich musste weg von seinem Lachen. Also schob ich ihn immer weiter bis hin zur Haustür, die ich öffnete und ihn nach draußen schubste. >VERSCHWINDE!<, schrie ich nochmals, bevor ich die Tür zudonnerte.

Das war der Moment, als meine Beine unter mir nachgaben und ich zu Boden sank. Die Tränen flossen, obwohl mir mein Kopf sagte, dass es dafür keinen Grund gebe. Doch sie flossen. >Luzifer.... Bitte. Hilf mir<

Zwischen Himmel und Hölle (slow updates)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt