Ich saß auf dem kleinem Baumstamm und versuchte unauffällig zu wirken. Eigentlich hätte ich in einen Wagen reingehen können, aber draußen war es wirklich schön. Die Lichtung, an der wir vor ungefähr einer Stunde angekommen waren, war ins Sonnenlicht getaucht und eignete sich perfekt als Raststätte für eine große Gruppe wie unsere. Bäume grenzten das Gebiet ab, auf der anderen Seite unsere Wägen, die wir nah an der Straße plaziert hatten. Ich zog meine Beine an meinen Körper und beobachtete die Vögel von meiner Position im Schatten, als etwas anderes meine Aufmerksamkeit sich zog.
Hinten stand Zahir, er hatte vor ungefähr einem Jahr all seine Kräfte bekommen und hatte nun anscheinend nichts anderes zu tun, als die Mädchen damit zu beeindrucken.
Gerade ließ er einen kleinen, hell flackernden Feuerball über seiner Handfläche schweben, was die Horde Mädchen erstaunt aufkreischen ließ. Zahir genoss sichtlich die Aufmerksamkeit und führte ein weiteres Kunststück vor. Er nahm den Feuerball, warf ihn weit weg und das Feuer verwandelte sich in einen brenneden, hauptsächlich roten Vogel, der zu ein wenig schwarzer Asche zerrieselte.
Yaelle sagte etwas, allerdings konnte ich sie nicht verstehen. Jedenfalls brachte ihre Aussage die anderen zum Kichern, während ich das Gefühl hatte, dass Zahir kurz davor war, ihr zuzuzwinkern. Dann schubste Eoin Yaelle in Zahirs Arme, er hielt sie an der Hüfte leicht lachend fest, während sie sich an seinen Oberkörper krallte, ihm ins Gesicht sah und sich mit hochrotem Kopf hektisch von ihm losriss.
Ich verdrehte meine Augen und wollte mich woanders hinsetzen, um mir das Spektakel nicht weiter ansehen zu müssen. Also stand ich auf und ging mit schnellen Schritten durch den Platz, als ich sah, wie Yaelle auf mich zulief. Sie hielt ihr blassbraunes Kleid hoch, damit sie nicht drauftrat und es sie beim Rennen nicht störte.
Für einen Moment überlegte ich, ob ich vor ihr weglaufen sollte, doch diesen Gedanken verwarf ich sofort. Im Moment konnte ich ein Paar Leute gebrauchen, mit denen ich mich einigermaßen gut verstand, weshalb ich Yaelle gerne eine Schulter zum Ausheulen anbieten würde.
"Harper!",schnaufte sie. Ich blieb stehen und sah sie an.
"Hast du das gesehen?",fragte sie und blieb kurz vor mir stehen. Ich runzelte die Stirn und betete, dass sie nicht meinte, wie sie gegen Zahir gefallen ist. Denn es interessierte mich nicht und ich wollte meine Zeit nicht mit ihren überdramatisierten Vorstellungen verschwenden.
"Ja.",antwortete ich, obwohl ich mir nicht sicher war, wovon sie redete. Sie atmete tief ein und wieder aus.
"Ich bin so wütend auf Eoin!",beschwerte Yaelle sich und verschränkte ihre Arme. Ich hatte den Drang, meine Augen zu verdrehen.
Ihr Gesicht war immer noch rot, aber das könnte auch daran liegen, dass sie vorhin gelaufen war. Jedenfalls bildete es einen krassen Kontrast zu ihren weißblonden Haaren, für die ich sie beneidete.
"Das war doch nicht so schlimm. Ich denke, Zahir sieht das genauso.",versuchte ich sie zu trösten.
Ich zuckte mit den Schultern während sie mich fassungslos ansah.
"Meinst du das ernst?"
Unsicher blickte ich zur Seite. Was meinte sie jetzt schon wieder? Es fiel mir schwer, mit ihr zu reden. Fragend sah ich sie an.
"Meinst du, dass Zahir es genoss?"
Ich sah sie erstaunt an, als mir auffiel, dass ihre Augen voller Hoffnung glühten.
"So habe ich das nicht gemeint... aber ja."
Yaelle schien nur den letzten Teil meines Satzes zu hören und freute sich übermäßig, während ich neben ihr stand und versuchte zu lächeln. Es kam mir unglaublich armselig und kindisch vor, einem ganz normalen Jungen so nachzulaufen, wie eine Besessene. Wahrscheinlich würde jeder von uns eines Tages die selben Kräfte wie Zahir beherrschen, deshalb konnte ich es nicht nachvollziehen.
"Was hast du zu ihm gesagt, als Eoin dich geschubst hat?",erkundigte ich mich, obwohl ich es nicht wissen wollte.
"Dass er gut aussieht, wenn er mit Feuer spielt", gab Yaelle zu und ich verengte meine Augen. Uns schienen wirklich Welten zu trennen, ich hoffte, dass sie nicht in Zahir verliebt ist, da sie wahrscheinlich sowieso keine Chance hätte. Zahir gehörte zu denen, die viel mit Frauen zu tun hatten, viele Freundinnen hatten und nicht lange mit jemandem zusammenblieben. Yaelle sollte das inzwischen auch wissen.
"Komm doch mit, Harper!", rief Yaelle und zog mich, ehe ich mich versah, in Zahirs Richtung. Ich riss meinen Arm aus ihrem.
"Ich will da nicht hin."
"Sei doch nicht so schüchtern! Eigentlich bist du total nett, nur musst du vielleicht anfangen, dich ein wenig zu integrieren."
Ich wollte gerade erwiedern, dass es nicht in meinem Interesse stand, mich in so etwas erbärmliches zu integrieren, allerdings fügte Yaelle etwas hinzu.
"Ich bin mir sicher, die anderen werden dich mögen, wenn du mehr mit uns unternimmst."
Ich seufzte und ging dann mit ihr mit. Eigentlich war ja nichts Abwegiges daran, dass Zahir sowas konnte und es den anderen vorstellte. Natürlich hatte er sich am Anfang häufig unabsichtlich den Arm in Brand gesetzt, weshalb er oft draußen schlafen musste und nicht mit auf Marktplätze kam, bis er es unter Kontrolle hatte.
Aber alle freuten sich, wenn sie diese Kräfte erlernten, die sowohl Vorteile als auch Nachteile mit sich brangen.
Denn sobald man zu so etwas fähig wurde, war man kein Mensch mehr. Streng gesehen ist keiner von allen Anwesenden hier ein Mensch, denn jeder von uns wird die Magie des Feuers beherrschen. Und die Menschen fürchteten sich vor Magie und Außergewöhnlichem und töteten, um ihre unbegründete Furcht zu besänftigen.
Wir kamen bei Zahir an, der wegen der Mädchentraube gar nicht realisierte, dass nun auch ich zu den Mädchen gehörte, die ihn bewunderten.
Gerade ließ er einen kleinen Tornado mit der kreisenden Bewegung seines Fingers erscheinen und schaute mit süffisantem und überheblichen Blick zu uns. Das Feuer sah wirklich schön aus, es war violett und dunkelblau und für einen Moment wünschte ich mir, ich wäre auch zu so etwas fähig.
Doch im Gegensatz zu allen anderen konnte ich Wärme spühren und ich fürchtete mich davor. Alle auf dieser Lichtung würden höchstens Lachen, wenn man sie in Flammen halten würde und weder ihre Haut noch ihre Haare würden anbrennen.
Da ich aber empfindlich gegen Feuer und Hitze war, gehörte ich unmöglich zu ihnen. Doch trotzdem wollte ich kein normaler, langweiliger Mensch sein, unter anderem auch, weil viele dieser Menschen, die Feuer bändigen konnten, meine Familie waren und ich spätestens nach der finalen Prüfung verbannt werden würde.
"Zahir!"
Absolom brüllte durch die ganze Lichtung, die blaue Feuererscheinung über Zahirs Hand erlosch. Er drehte sich ruckartig zu Absolom um.
"Was ist?",rief Zahir zurück. Er wirkte genervt, seine Zähne knirschten.
"Hast du heute noch vor, deine Kräfte zu etwas Nützlichem zu benutzen?",fauchte Absolom. Er stand an einem Amboss, schlug mit einem Hammer auf ein Stück glühendes Eisen ein und erhitzte es mit dem Feuer, das aus seiner Hand kam.
Zahir verdrehte die Augen.
"Muss das jetzt sein?!"
"Es kommt mir nicht vor, als würdest du etwas von Bedeutung machen! Also beweg dich hier hin!"
Nach dem ganzen Gebrüll müssten sie mittlerweile alle Silberkäuze verscheucht haben, die gerade noch fröhlich in der Luft zwitscherten. Zahir öffnete seinen Mund um etwas zu erwiedern.
"Zahir, was tust du hier?"
Iverns kalte Stimme ertönte in meiner Nähe, ich hatte ihn nicht kommen sehen. Eoin trat mir auf meinen Fuß, als sie vor Ivern zurückwich. Und ihr Verhalten war nicht ungewöhnlich, jeder fürchtete sich vor ihm.
Er war etwas älter als Zahir, fuhr sich durch seine schwarzen Haare. Zahir versuchte, forsch gegenüber Ivern aufzutreten, doch sein Blick machte ihn unsicher.
"Ich... nichts.",stammelte Zahir, ein Paar Mädchen entfernten sich bereits.
"Komm.",flüsterte Zuma und zog Eoin weg, wodurch ich mehr Sicht hatte.
"Verzieh dich.",herrschte Ivern Zahir an, dieser schnaufte, drehte sich energisch um und ging davon. Die anderen Mädchen und ich wollten gerade gehen, als Ivern sagte, wir sollten stehenbleiben.
"Und was macht ihr hier?",knurrte er. Ich ging ein Paar Schritte zurück, da ich das Gefühl hatte, er würde nur mich anschauen. Ivern fuhr sich erneut durch die Haare.
"Findet ihr seine Kräfte beeindruckend? Oder doch eher sein Aussehen?"
Seine Stimme war so ruhig, dass es gruselig wirkte. Er starrte mich an.
"Nein, ich bin nur hier, weil-"
"Halt die Klappe, Harper."
Ich fühlte, wie Wärme in mein Gesicht stieg und wunderte mich, dass er meinen Namen kannte. Ich blickte nieder auf meine Schuhe.
"Wollt ihr meine Kräfte sehen?"
Niemand sagte etwas, wir standen einfach eingeschüchtert dort.
Er breitete seine Arme aus und bevor jemand realisieren konnte, was gerade passierte, ließ er einen riesigen Feuerschwall auf uns zukommen.
Ich rannte davon, das Feuer berührte mich am Rücken, doch mein Kleid fing keine Flammen. Ich stolperte, verlor mein Gleichgewicht aber nicht. Mein Herz klopfte unglaublich schnell, ich hatte mich zu Tode erschrocken.
Einige Meter von Ivern entfernt blieben wir Mitten in der Lichtung stehen und verschnauften.
"Was für ein Arsch.",murmelte Yaelle nach Luft ringend. Dann ging sie los und ich wollte sie bitten, auf mich zu warten, jedoch sah ich kurz darauf, wie sie sich bei Suri einhackte.
Ich blieb als Letzte alleine dort stehen, und ging dann zurück zu meinem Baumstamm.
Tränen glitzerten in meinen Augenwinkeln, weil mein Rücken unglaublich wehtat und ich mir sicher war, dass sich dort Brandwunden gebildet hatten.
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Vom Feuer Umarmt
FantasyHarper weiß nicht, wer sie ist. Während alle um sie herum magische Fähigkeiten besitzen, die ihre eigenen um Meilen übertreffen, scheint sie den gewöhlichen Menschen zu gleichen, was sie auf keinen Fall will. Sie scheint nicht in diese Welt zu gehör...