Kapitel 6

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Eine Zeit lang stand sie noch da im Innenhof der zerfallenen Hütte. Dort wo sie gerade durch ihre Gedanken und ihrer Wut etwas Magisches freigesetzt hatte. Sie sprach das Wort noch ein paar Mal aus, um es zu realisieren - Magie.

Die Münzen klimperten in ihrem Lederbeutel, als sie zurück durch die Hütte auf die Straße ging. Die Besorgungen mussten jetzt schnellstens erledigt werden. Der Weg bis nach Narsar würde noch einen halben Tag in Anspruch nehmen, sodass die Gruppe sicher bald los gehen würde.

Brot, Mehl, Käse und auch die Wurst, die sie bei einem anderen Metzger besorgt hatte, waren schnell zusammen. Als sie am ausgemachten Treffpunkt ankam, warteten bereits alle auf sie. „Da bist du ja. Wir dachten schon, du würdest überhaupt nicht mehr kommen."

Der dickbäuchige Mann begrüßte sie barsch und schon machten sie sich auf den Weg. In der Gruppe wurde viel über die Besorgungen und die verlebten Stunden in Trymor geplaudert. Wie schön es dort doch sei und wie es wohl wäre so zu leben, anstatt in dem kleinen Dorf. Alle waren gut gelaunt und auch der weite Weg konnte die Stimmung nicht trüben. Nur Gweneth zog sich zurück, war schweigsam wie immer. Aber dieses Mal nicht, um den anderen zu lauschen, sondern um sich den Kopf über das Geschehene zu zerbrechen. Mit wem konnte sie darüber reden? Sie hatte das Gefühl zu platzen. So gerne würde sie jemanden Vertrauten haben, dem sie ein solches Geheimnis anvertrauen konnte. Denn eines war sicher, von dem Geschehenen durfte niemand erfahren. Wenn es tatsächlich etwas Magisches war, das sie dort freigesetzt hatte, dann würde es sich wie ein Lauffeuer verbreiten und sie selbst hatte keine Ahnung, was dann geschehen würde. Besonders jetzt da der Starke König, laut dem was man sich erzählte, jeden bestrafen würde, der auch nur die geringsten Anzeichen von etwas Unnatürlichem zeigte. Nein, dies würde ihr Geheimnis bleiben, sie konnte und durfte nicht darüber sprechen.

 Aber was war mit dem Jungen? Würde er darüber sprechen und sie verraten? Ein Schaudern überkam sie. Sie hoffte inständig, dass der Junge zu eingeschüchtert war, um es weiter zu erzählen. Sie wusste, dass diese Magie falsch war, falsch in den Augen aller. Und doch wünschte sich ein kleiner Teil von ihr, es noch einmal zu erleben. Diese Energie ein weiteres Mal zu spüren, die sich ganz nach ihren Gefühlen gerichtet hatte.

Als sie abends erschöpft vom langen Marsch in der Hütte ankam, empfing sie die Großmutter mit der selben emotionslosen Begrüßung wie immer:

„Kommst du auch endlich mal heim? Ich hoffe, du hast alle Dinge besorgt und nicht wie beim letzten Mal die Hälfte vergessen!"

„Ich habe alles dabei, Großmutter, so wie du es mir aufgetragen hast. Ein paar letzte Münzen sind auch noch übrig geblieben."

Sie legte die restlichen Münzen der Großmutter in den Schoß, die wie immer in ihrem Sessel saß.

 „Wenn du gestattest, würde ich jetzt gerne schlafen. Der Weg war weit und anstrengend und meine Füße haben schon Blasen."

Die Großmutter sah sie mit zusammen gekniffenen Augen an.

 „Das wirst du noch nicht. Das Geschirr muss noch gespült und die Wäsche von der Leine genommen werden. Wenn du das erledigt hast, dann kannst du schlafen. Eher nicht."

Mit herunterhängenden Schultern ging Gweneth nach draußen, das schmutzige Geschirr auf dem Arm.

 Wie ich es hasse. Warum muss sie mich immer so herumkommandieren? Kann sie nicht einmal etwas Nettes sagen?

 Die Gedanken des kleinen Mädchens drehten sich noch lange um die Großmutter und deren gemeinem Verhalten Gweneth gegenüber. Währenddessen spürte sie das erneute Gefühl der inneren Wärme die sie ausfüllte und durchfloss. Sie hielt ihren Zorn zurück, denn es durfte nicht noch einmal passieren.

Karvog IlyumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt