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Die Straße zog sich endlos lang vor uns her. Im Moment war weit und breit kein anderes Auto zu sehen. Wir waren allein! Ich war allein! Wie immer!

Ich saß in der Limousine meines Vaters. Mein Vater saß vorne am Steuer. Auch wenn er nichts sagte, wusste ich, dass er an seine Arbeit dachte. Er war so in Gedanken versunken, dass es m ich wunderte, dass er sich bis jetzt noch nicht verfahren hatte. Obwohl, er brauchte ja nur auf die Ansage des Navis zu achten. Auch meine Mutter war mit im Auto. Sie saß auf dem Beifahrersitz und sah die ganze Zeit stur und beinahe bewegungslos aus dem Fenster. Es wunderte mich, dass sie noch keinen steifen Hals hatte. Auch meine Mutter dachte wohl über ihre Arbeit nach. Während der ganzen Autofahrt, die immerhin schon fünf Stunden dauerte, sprachen meine Eltern kein einziges Wort. Ich fragte mich ehrlich, wie man so lange schweigen und über seine Arbeit nachdenken konnte. Mein Vater war Chef einer Bank mit über hundert Filialen und meine Mutter war Chefin eines großen Mode- und Kosmetikimperiums. Ich dagegen war meinen Eltern nur lästig. Ein nutzloses Anhängsel, dass es galt los zu werden. Auch nach einer weiteren Stunde im Auto redeten meine Eltern kein Wort mit mir. Ich sah es deshalb auch nicht ein, selber ein Gespräch anzufangen. Ehrlich gesagt hätte ich auch gar nicht gewusst, was ich ihnen hätte erzählen sollen. Ich verbrachte deshalb meine Zeit damit, aus dem Fenster zu schauen. Wir fuhren durch kleine Dörfer, in denen die Häuser dicht nebeneinander standen. Auch das Wetter spielte ganz schön verrückt. Während in einem Dörfchen die Sonne strahlte, regnete es bereits in dem nächsten in Strömen. „Wo sind wir hier eigentlich", fragte ich nach einiger Zeit. „Im Norden", antwortete mein Vater knapp. Warum hatte ich überhaupt gefragt. Ich war auch echt dämlich. Ich wusste dich, dass meine Eltern nicht mit mir reden wollten. Für den Rest der Fahrt hielt ich also die Klappe. Stattdessen dachte ich darüber nach, wie meine neue Schule wohl war. Bisher wusste ich noch gar nichts darüber, da sich meine Eltern wie immer in Schweigen gehüllt hatten. Hoffentlich waren wenigstens meine Mitschüler und Lehrer nett. Naja, wenn nicht musste ich es ja zum Glück nur noch ein Jahr mit ihnen aushalten.

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass dieses eine Schuljahr mein ganzes Leben verändern sollte.

Nach einer fast achtstündigen Fahrt fuhren wir endlich die Auffahrt zur Schule hoch. Ich war nun wirklich ziemlich aufgeregt. Die Schule war ein gewaltiges, schlossähnliches Gebäude und je näher wir dem Eingang kamen, desto aufgeregter und hibbeliger wurde ich. Plötzlich hielten meine Eltern vor einem riesigen, schmiedeeisernen Tor. „Du kannst jetzt hier aussteigen", sagte meine Mutter. „Was? Ich weiß doch gar nicht, wo ich hin muss!" „Dumme Frage! Hier ist deine Schule, da musst du hin", erwiderte mein Vater. Sauer stieß ich die Autotür auf, schnappte mir meinen Koffer und wollte schon aussteigen, als mein Vater sagte: „Ich will hoffen, dass du uns diesmal keine Schande machst! So langsam gehen uns nämlich die Schulen aus." „In einem Jahr wird sie wohl nicht zu viel anstellen können", mischte sich meine Mutter ein. Ihr könnt mich mal, dachte ich mir. Mit den Worten „Ich werden die Schule schon nicht in die Luft sprengen!" stieg ich aus und knallte die Tür so fest zu, wie ich konnte. Meine Eltern fuhren mit durchdrehenden Reifen davon und hinterließen eine Staubwolke, die mich einhüllte.

Nun musste ich nur noch herausfinden, wie ich auf das Schulgelände kam, das von hohen Mauern und Zäunen umgeben war. Ich versuchte das Tor zu öffnen, welches logischerweise verschlossen war. Ich entdeckte eine Klingel an der Mauer. Ich klingelte und kurz darauf knackte es in der Sprechanlage und ich hörte ein fragendes: „Ja bitte?" „Mein Name ist Emily Winter. Ähm, ich soll ab heute diese Schule besuchen." „Einen Moment bitte! Ich werde das Tor öffnen." Ich wartete fast zehn Minuten vor dem verschlossenen Tor, bis endlich jemand kam. Eine Frau, etwa sechzig Jahre alt, kam auf mich zu. „Du musst entschuldigen, dass es so lange gedauert hat, aber irgendwas stimmt mit dem Tor nicht. Normalerweise öffnet es automatisch." „Ist schon in Ordnung", antwortete ich. „Bist du ganz alleine gekommen?", fragte die Frau, während sie das Tor öffnete. „Nein, meine Eltern haben mich hierher gebracht. Sie mussten sofort wieder weiter", sagte ich mit einem ironischen Unterton und verdrehte die Augen. „Schade, ich hätte sie gerne kennengelernt. Ich bin übrigens Frau Huber, die Schulleiterin. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, also hielt ich es für besser zu schweigen. Wir liefen etwa fünf Minuten, bis wir den Eingang der Schule erreichten. „Am besten wäre es, wenn du zuerst mal mit ins Büro kommst!" Etwas zögernd ging ich ihr hinterher. Sie schloss die Tür auf uns bot mit einen Stuhl an. „Ja, also ich freue mich, dich an unserer Schule begrüßen zu dürfen; ich hoffe, du wirst dich hier gut einleben und schnell Freunde finden." „Das hoffe ich auch", antwortete ich. Frau Huber gab mir noch einige Unterlagen (meinen Stundenplan, Raumplan, etc.), stellte mir noch einige belanglose Fragen und zeigte mir dann mein Zimmer. Noch war es leer, aber es standen drei Betten im Zimmer und daraus schloss ich, dass ich noch zwei Mitbewohnerinnen bekam. Das konnte ja heiter werden - ich war es bisher nicht gewohnt, mein Zimmer mit jemand anderem zu teilen. Ich ließ mich auf eines der Betten fallen und sah mir meinen Stundenplan genauer an. Morgens standen die gewöhnlichen Fächer auf dem Plan; Englisch, Deutsch, Mathe, Geschichte... Eben diese Fächer die jeder hat. Nachmittags gab es teilweise sportliche Angebote, aber wurden auch Nachhilfe- und Wiederholungsstunden geboten. Ich merkte gar nicht, wie schnell die Zeit verging. Plötzlich öffnete dich die Zimmertür und zwei Mädchen betraten das Zimmer. Die beiden alberten herum und schienen, mich überhaupt nicht zu bemerken. „Ach Hallo! Wir haben dich gar nicht gesehen!", sagte eine der beiden. „Das habe ich gemerkt", antwortete ich lachend. „Cool, dass du das so locker nimmst. Zumindest bist du schon mal nicht eingebildet und zickig, wie viel hier auf dieser Schule!" „Ich kann euch doch hier keine Szene machen. Ich kenne euch ja schließlich nicht." Die Braunharige kam auf mich zu und streckte mir ihre Hand hin. „Ich bin Alina!" „Ich bin Emily", sagte ich und schüttelte Alinas Hand. „Und ich heiße Isabella", rief die Blonde. „Du bist neu an der Schule, oder?", stellte Alina fest. „Ja, ich bin vor einigen Stunden angekommen!" „Cool, dass du in unserem Zimmer bist! Wir werden bestimmt noch viel Spaß miteinander haben!" Dieser Meinung war ich auch. Wir machten uns daran, die Koffer auszupacken und stritten uns freundschaftlich um die Regale im Schrank. Am Abend traf sich die ganze Klasse nach dem Essen im Aufenthaltsraum. Natürlich wollten alle mit mir reden und wissen, woher ich kam und warum ich nicht auf meiner alten Schule geblieben war. Erst weit nach Mitternacht gingen die Lichter aus...

In Your ArmsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt