Gewissensbisse

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Nach dem wir uns geküsst hatten schwiegen wir eine ganze Weile bis mir plötzlich tausende Gedanken durch den Kopf rasten.
Es war wie ein Sturmfeuer aus Schuldgefühlen, Triumpf und irgendwie auch Erleichterung.
Ich wusste, dass ich Spielregeln mit Julian abgemacht hatte.
Regeln die es nun zu befolgen galt...

"Du sagtest falls ich wieder mit Alex zusammen kommen sollte... Meinst du das ist überhaupt noch möglich?"
"Klar wenn du es willst. Er liebt dich schließlich noch wie verrückt."
"W-"
"Ich sehe das, außerdem ist es wirklich offensichtlich, welcher Kerl würde sich für ein Mädchen prügeln, dass er nicht liebt?"
"Aber- ist es dann nicht wirklich unfair?"
"November was ist eigentlich los mit dir? Du bist total unentschlossen und launisch. Mal wirfst du dich mir freiwillig an den Hals und dann spielst du den Moralapostel, der seinem Freund beichtet, ihn betrogen zu haben."
"Ich bin doch selbst total verwirrt. Am liebsten würde ich dir jetzt die verdammten Klamotten vom Leib reißen und andererseits will ich nichts anderes als mit Alex im Bett liegen und Pizza essen."
"November, November... Wieso kommt das erst jetzt nach dem wir die Spielregeln schon festgelegt haben?"
"Ich war von der Idee so begeistert und überrumpelt... Ich weiß doch auch nicht."
"Lass dir einfach Zeit."
"Wieso hast du eigentlich keine moralischen Bedenken?"
"Ich? Ich könnte jederzeit mit Amelie Schluss machen."
"Dann tu es."

Ich griff in Julians Hosentasche, ehe er sich wehren konnte, suchte Amelies Nummer raus, drückte auf den Hörer und hielt ihm sein Handy hin.
"No-"
"Hallo? Schatz?", meldet sich Amelie sofort zu Wort.
Er riss mir das Handy aus der Hand und legte auf.
"Okay halt stopp, vergiss was ich gesagt habe."
"Wieso."
"Siehst du es hat auch andere Gründe, warum ich noch mit ihr zusammen bin. Du kennst doch meine Eltern.
Wenn sie erfahren, wieso ich mich von ihr getrennt habe und in welchem Zustand, würden sie mich drei Teilen... Ganz besonders meine Mutter."
"Und wenn ich schwanger wäre?", fragte ich ganz provokant, verschränkte meine Arme und zog eine Augenbraue hoch.
"Themawechsel."

Ich schwieg.
Julian entfernte sich von mir und ging ein Stück auf dem Dach.
Es dämmerte schon und die Sonne bewegte sich dem Horizont entgegen.
"Du kannst dir Zeit lassen, im Grunde ist mir egal ob du mit Alex zusammen bist oder nicht, zusammen sein kann ich mit dir sowieso nicht. Das heißt entweder überwindest du dein Gefühlschaos und bist mit ihm zusammen und triffst dich mit mir oder du lässt es bleiben und triffst dich nur mit mir. Deine Entscheidung, im Grunde ist es mir egal."
"Julian ich liebe dich verdammt nochmal. Das weiß ich, ganz sicher..."
"Ganz sicher?", fragt er skeptisch, drehte sich um, öffnete die Tür zum Treppenhaus und ging.

Ganz sicher?
Keine Ahnung. War das Liebe?
Konnte man das so nennen?
Oder wollte ich nur Abwechslung?
Funktioniert Liebe so?
Und was ist das mit Alex?
Julian taucht einfach auf und stellt mein ganzes Leben auf den Kopf....

"Verdammter Idiot.", murmelte ich, ballte meine Hand zu einer Faust und schlug mir gegen den Kopf.
Anschließend holte ich mein Handy raus.

"Ganz sicher?"

Ich wählte eine Nummer und tippte nervös auf den grünen Hörer.
Mein ganzer Körper zitterte, als seine Stimme ertönte.
"Alex? Ich will reden."

----

[Perspektivenwechsel]

"Nicht das noch!", murmelte ich genervt und hob die halb ausgelaufene Flasche Nagellack wieder auf.
"Auch noch rot! Julian wird mich umbringen..."

Oder ich ihn...

Ich glaubs einfach nicht.
Er hat ernsthaft geglaubt ich wäre so dumm und würde nichts merken.
Dumm gelaufen mein Lieber, das nächste Mal sollte er vielleicht richtig auflegen...

Mit langsamen Schritten schleppte ich mich in die Küche an einen der Schränke, in dem wir unsere Getränke gelagert hatten und nahm mir eine Flasche Wein.

"Schwanger.", lachte ich und goss mir ein Glas ein.

Wenn er es rausfindet, verlier ich ihn ganz... Ich will ihn nicht verlieren, nicht an sie.

Ich nahm einen Schluck.
Mein Handy vibrierte. Eine Nachricht von Lindsay.
Auf dem Display erschien ein Bild von November und Julian, wie sie sich umschlangen und küssten.
Gefolgt von einer Videodatei, auf der man ganz genau sehen konnte, wie sehr mich Julian doch liebte.
Ich musste lächeln.

Dieses kleine Miststück.
Wahrscheinlich tat sie auch noch so, als wäre sie total unentschlossen und unsicher und wüsste nicht was sie tut.
Tja...

Ich unterdrückte meine Nummer und schickte das Bild an November.

Ob es ihr gefällt, dass ein Video von ihr und Julian existiert? Oh, ich bin mir sicher, dass es Alex nicht gefällt.

Armer Alex...

[Perspektivenwechsel]

"Du wolltest mich sprechen, hier bin ich."
"Hör zu Alex."

Ich hatte ihn vor die Schule auf den Campus bestellt, weil ich sowieso schon hier war und er in der Nähe.

"Ich bin verwirrt und weiß nicht was ich denken soll."
"Da sind wir ja schon zwei."

Mein Handy vibrierte.
"Warte kurz."
"Ist das jetzt wirklich so wichtig?"

Ich starrte auf das Display und konnte nicht glauben, was ich sah.
'Das interessiert dich sicher oder?'
Auf dem Bild waren ich und Julian.
Urplötzlich hatte ich die Situation wieder bildlich vor Augen.

"Damals auf der Party...", murmelte ich kaum hörbar.

"Was?"
"Was? Entschuldige."
Ich steckte mein Handy wieder weg.

"Also folgendes: Ich weiß nicht was ich fühlen soll. Ich liebe dich aber-"
"Willst auch mit Julian ins Bett springen, so weit ist das bei mir schon angekommen."
"Hör zu. Ich will dich, du musst nur das Risiko eingehen, ich-"
Er küsste mich.
Entspannt schloss ich meine Augen.
Mit einem Arm zog er mich zu sich und stützte mein Kinn mit einer Hand.
"Ich werd um dich kämpfen November, mit allen Mitteln der Welt, ich kenne das Risiko."
"Sicher?"
"Ganz sicher."
Ich lächelte ihn an und legte meinen Arm um ihn.

Jugendsünden [Fortsetzung Feindschaft+]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt