Abflug

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Gabriels PoV:

Zögerlich gehen wir drei vor. Raffzahn steht dort schon, und tappt ungeduldig mit seinem Fuss auf dem Boden. Dieses Geräusch macht einen wahnsinnig, aber ich sollte wohl eher ruhig bleiben, wenigstens für Luk. Kaum waren wir vorne drückt uns Raffzahn einem nach dem anderen die korrigierten Aufsätze in die Hand. "Luk. Dein Aufsatz was eigentlich sehr gut. Das gibt eine zwei. Für das ewige Getuschel mit Ole wirst du jedoch nachsitzen, bis du tausendmal den Satz 'Ich helfe meinem Freund wärend dem Aufsatz nicht, indem ich ihm wörter buchtabiere' in Reinschrift. Für jeden Fehler den ich finde, wirst du den Satz weitere dreimal schreiben. Und wehe ich finde irgendwo die Handschrift von Gabriel oder sonst anderer Jungvampire. Setzen!" Nach diesem Monolog von Raffzahn, geht Luk wieder auf seinen Platz, nicht sicher, ob er sich über die Zwei freuen, oder sich über das Nachsitzen aufregen soll. "Ole. Deine Rechtschreibung ist schlechter denn eh und jeh. 361 Fehler auf 432 Wörter, dass du dich nicht schämst! Du wirst den Aufsatz nochmals schreiben, und zwar solange, bis du nur noch 10 Fehler hast. Setzen!" Auch Ole verkriecht sich auf seinen Platz. Da war es nur noch einer. "Und nun zu dir, Gabriel. Irgendwelche Ausreden für deine unleserliche Handschrift?!" Unsicher schüttel ich den Kopf. "So kenn ich dich gar nicht, normalerweise hast du mindestens drei Gründe wieso du nicht leserlich schreiben kannst. Wie dem auch sei. Hände nach vorne, Innenfläche nach oben." Wie ich diesen Kerl hasse! Er geht nur auf mich los, weil ich ihm die Stirn geboten habe. Ich könnte den umbringen!Noch wärend er das Rohrstockstück sucht, erklärt er mir seine Spielregeln, wenn er mich, seiner Meinung nach, genug bestraft hat, dann will er einen plausiblen Grund für meine Schrift, ansonsten legt er mich über den Tisch. In meinem Kopf male ich mir aus, wie ich ihn vierteile. Vertieft in meine Gedanken habe ich verpasst, wie Raffzahn das verhasste Stück Holz gefunden hat. Überrascht vom ersten Schlag, zucke ich heftiger zusammen, als normal. Der Schmerz breitet sich sofort aus. Nach fünf schlägen pro Hand ist es endlich vorbei. "Nun...?" Ja, was nun. Ich habe keine Ahnung wie ich ihm jetzt klar machen kann, dass ich nunmal keine schöne Schrift habe... Bis jetzt hat es ihn auch nicht gross gestört. Hilfesuchend schiele ich zu Luk, aber auf diese Distanz kann er mir nicht helfen. "Wie ich annehme, hast du wiedermal keine Entschuldigung. Ich habe dich gewarnt" Mit eisernem Griff packt er mich am Nacken und schleift mich in Richtung seines Pultes. Ich versuche mich zu wehren, erfolgslos. Da gibt es nur eins. Schwung holen und voll auf Raffzahns Fuss stehen. Ein sehr ungesundes Knacken verrät mir, dass Raffzahns Zehen nicht mehr heil sind. Unser Erzieher lässt mich sofort los und hält sich sein Fuss. Die Chance nutzend, renne ich Richtung Türe, aber dort steht schon ein grinnsender Marlon. Dann halt den Notausgang, mit einem Sprung hechte ich aus dem geschlossenen Fenster und fliege davon. Oder besser gesagt in den alten Schlossturm. Der war früher mal so etwas wie das Geheimversteck von mir und Luk... Ich hoffe er findet mich, bevor es Raffzahn oder Marlon es tut.

Luks Pov:

Angesichts dessen was gerade passiert ist, hat der grösste Teil der Klasse die Augen weit aufgerissen. Doch ich muss ein Grinsen unterdrücken. War wieder mal Zeit, dass jemand Raffzahn so richtig die Stirn bietet. Und so ein Abgang aus dem Fenster rundet die Sache genau richtig ab. Ich kann nur hoffen, dass Gabriel weiss, wohin er jetzt geht. Und dass es da einigermsen sicher ist.
Raffzahn kocht vor Wut. Man kann förmlich sehen, wie ihm kleine Rauchschwaden aus den Ohren kringeln. Fluchend humpelt er zum Fenster und stiert Gabriel hinterher, dessen Gestalt nun kaum mehr ein Schatten vor dem Mond. Unser liebenswürdiger Schulleiter humpelt zu Marlon und flüstert ihm was ins Ohr. Marlon nickt und verschwindet durch die Tür. Dass der noch zu Raffzahn hält, nachdem er doch erst heute Abend von ihm bestraft wurde. Raffzahn baut sich vor der Klasse auf und fixiert alle mit finsterem Blick. Keiner rührt sich. Niemand wagt, auch nur ein Wort zu sagen. "So", bricht Raffzahn schliesslich das Schweigen, "während Marlon nach Gabriel sucht, können wir uns ja schon mal etwas über eure Aufsätze unterhalten." Besorgt schaue ich zur Tür, durch die Marlon soeben verschwunden ist und dann zum Fenster, durch dessen zersplitterten Rahmen die kühle Nachtluft hineinweht. Raffzahn hat damit begonnen, die Aufsätze zu verteilen, indme er die Namen der entsprechenfen Person sagt, welche dann nach vorne geht und den Aufsatz abholt. Je nach dem knallt er dem einen oder anderen eine, wenn die Noten seiner Ansicht nach nicht genügend sind. Von dem bin ich ja glücklicherweise befreit, jedoch schweifen meine Gedanken immer wieder zu Gabriel ab. Ich bekomme den Gedanken nicht los, dass er meine Hilfe braucht. Nur wie soll ich mich aus Raffzahns Unterricht schleichen, ohne dass dieser Wind davon kriegt? Raffzahn hat übrigens mittlereile die Aufsätze fertig verteilt und sich wiedet unserem alten Lieblingsthema, der Fledermaus, gewidmet. Diesmal ist die Zwergfledermaus an der Reihe, die so winzig ist, dass man sie in einer Streichholzschachtel verstauen könnte. Jap, jetzt habe ich tatsächlich kurz aufgepasst. Als Raffzahn sich zur Tafel dreht, wittere ich meine Chance und stupse Ole unauffällig an. "Kannst du mal Raffzahn für eine Minute ablenken, damit ich es zum Fenster schaffe?", wispere ich ihm zu. Er zeigt mir einen Vogel. Ich weiss, dass mein Vorhaben vermutlich für keinen von uns gut ausgehen wird, aber deshalb braucht er sich doch nicht gleich so anzustellen, schliesslich steht Gabriels, soll ich sagen Leben?, auf dem Spiel. Wütend zische ich Ole zu: "Wenn du mir nicht hilfst, kannst du beim nächsten Aufsatz gleich vergessen, dass ich dir helfe. Oder überhaupt irgendwann wieder." Ole schaut mich wütend an, doch ich weiss, dass er sich geschlagen gibt. "Was soll ich denn machen?", fragt er flüsternd. "Geh zu Raffzahn und frage ihn irgendwas." "Was denn?" "Lass dir was einfallen." Er seufzt leise und steht dann auf. Alle Augen sind auf ihn gerichtet, während er Richtung Raffzahns Rücken steuert.

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