Mystery secret

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Die Hitze aus der Lüftung und das rhythmische Ticken der Scheibenwischer machten sie langsam schläfrig.

Sie beobachtete die Scheinwerfer, die über die Straße in die Finsternis strahlten und holte tief Luft. Sie wusste nicht wie sie beginnen sollte, wie sie diese unangenehme Distanz zwischen ihnen beseitigen konnte.

Ihr war bewusst, dass sie ihn schon wieder enttäuscht hatte und keine Entschuldigungen konnten dies wiedergutmachen. War doch bloß der Grund, weshalb sie ihm aus dem Weg ging, jener, dass er der Einzige war, der sie durchschaute ohne sie ansehen zu müssen, und den sie nicht täuschen konnte, wenn sie behauptete, alles sei in Ordnung.

Sie schlief, gelinde gesagt schlecht, denn ihr Kopf machte Überstunden, um Antworten auf die Fragen zu finden, die seit Monaten an ihr nagten. Und noch immer wusste sie nicht, warum ihre Familie sterben musste.

Denn, dass es kein Unfall gewesen war, ist ihr längst klar geworden. 

Alisha sah verstohlen zu ihm hinüber und versuchte seine Miene zu identifizieren, doch er hatte sich ihr verschlossen und sein Blick war starr geradeaus auf die trostlose Straße gerichtet.

Ja, sie war mit sich und der Welt im Reinen, wenn man davon absah, dass dieses Leben ihre Seele zerfetzt hat. Sie fühlte sich wie ein Lebewesen, das von seinesgleichen verstoßen worden war und einen Augenblick ging ihr der Gedanke durch den Kopf, ob vielleicht nicht genau jenes jemand erreichen wollte.  

Sie schüttelte den Kopf und versuchte den Gedanken zu verscheuchen und rieb sich erschöpft die Augen. Sei nicht töricht, du brauchst einfach mehr Schlaf, befahl ihr ihre innere Stimme.

Sie schaute schweigend auf das Fenster und zählte die Regentropfen, die hinunter flossen als würden sie ein Wettrennen machen.

Dann sank sie in einen traumlosen Schlaf.
Wüsste sie bloß, wie nah sie in jenem Moment an der vor sich kriechenden Wahrheit war. 

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Während er sie im Schlaf beobachtete, fragte er sich, was sie hatte sagen wollen. Allerdings war er sich nicht sicher, ob er es auch hätte hören wollen. Ihr war eine dunkle Locke ins Gesicht gefallen und aus ihrem ohnehin blassen Gesicht schien nun auch das letzte bisschen Farbe gewichen zu sein. Tiefe Augenringe zierten ihre geschlossenen Augen. Und sie sah so abgemagert aus, dass ihre plötzliche Verletzlichkeit und Unschuld ihn wie ein Fausthieb in die Magengrube traf. 

Einen Moment lang stellte er sich vor, es gäbe nur sie beide auf dieser Welt und sie führten ein völlig anderes, unkompliziertes Leben ohne die Vergangenheit und die Geheimnisse, die eine wachsende, wortlose Kluft zwischen ihnen schuf. Doch die Realität holte ihn schnell wieder ein und er schaltete seufzend den Motor aus, um sie ins Haus zu tragen. 

Seine lächelnde Mutter erwartete ihn schon an der Tür, doch er schob sich ohne Förmlichkeiten an ihr vorbei ins Innere und ging die Stufen hinauf ins Zimmer, wo er sie behutsam auf das Bett legte.

Schwaches Licht fiel durch das Fenster und die Straßenlaterne ließ die zugezogenen Vorhänge wie verschwommen erscheinen. Der Wind und Regen hatten sich gelegt und kein Laut war mehr zu hören außer sein eigener Atem.

Er betrachtete sie voller Zuneigung und es schmerzte ihn, als er einsehen musste, das, was als Regentropfen im Meer begonnen hatte, in kürzester Zeit zu einem Tsunami anschwall und er mit seinem Schweigen nur noch mehrere stürmische Wellen herbei trug.

Ein letzter Blick, dann begab er sich hinunter ins Wohnzimmer, wo er schon erwartet wurde. Er blieb an der Tür angelehnt und funkelte seine Mutter und Olga an. Nur sein angespanntes Kiefer verriet seine Wut.

 "Sie hat ein Recht es zu erfahren."

Mit diesen Worten verließ er das Zimmer wieder und überließ die zwei Frauen ihren Gedanken allein. 

You'll never be aloneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt