Im Theater

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Mein Verein veranstaltete ein selbst geschriebenes Theater im Gasthaus des Dorfes. Viele Vereine hatten sich bereits angemeldet und auch sonst war der Saal wie üblich voll besetzt. Es war so voll, dass ich mir einen extra Stuhl nehmen musste und mich an die Wand ganz hinten setzen musste. Es war aber nicht weiter schlimm, von dort aus hatte ich den ganzen Saal im Blick und konnte die Leute beobachten.

Ich war zwar eine halbe Stunde vor Beginn des Theaters da gewesen, musste aber trotzdem eine dreiviertel Stunde warten, bis es dunkel wurde und es los ging. Das war eine lange Zeit und ich hatte somit genügend davon, mir die Leute anzusehen.

Direkt schräg gegenüber von mir saß ein Junge in meinem alter, der mich von seinem äußeren her ein bisschen an Tyler Joseph, dem Sänger von Twenty One Pilots, erinnerte. Die Nase und auch die Frisur stimmten überein. Auch die Statur in etwa, wobei man das schlecht sagen kann, wenn Jungen in bayerischer Tracht sind, da wirkt der Rücken meist breiter und die Hüfte schmaler.

Er gefiel mir von seinem äußeren her. Aber ich erkannte bereits an seinem Blick, dass er vergeben war. Er würdigte keinem Mädchen im ganzen Saal eines Blickes. Bis auf seiner Freundin, die kurze Zeit später kam. Wusst ichs doch.
Die beiden waren recht süß miteinander. Er hatte stets einen Arm um ihre Stuhllehne gelegt und beugte sich immer etwas mehr, als nötig zu ihr, um mit seinem Kumpel auf der anderen Seite zu reden.
Außerdem fuhr er manchmal Kreise mit seinen Fingern auf ihrem Rücken entlang. Geküsst haben sie sich auch. Sehr oft.

Wenn ich meinen Blick weiter gleiten ließ, entdeckte ich immer mehr Paare. Natürlich, alle gut aussehenden Jungs in meinem alter hatten Freundinnen. Oder sie sind zu alt für mich. Oder zu jung.

Direkt vor mir war ein älteres Paar. Sie küssten sich auch oft und schauten sich verliebt in die Augen.

Ich gönnte es ihnen. Allen Paaren, es gab sehr viele in diesem Raum.

Da ertappte ich einen Jungen, der mich etwas zu lang angesehen hatte. Ich starrte zurück und er wich meinem Blick nicht aus. Erstmal. Dann sah er wieder seinen Kumpel an, der ihm die ganze Zeit etwas erzählt hatte.
Später beobachtete ich öfters seinen Blick in meine Richtung.

Insgeheim hoffte ich, dass dieser Junge mit dem hellgrün karrierten Hemd und der kurzen Lederhose in der nächsten Pause, oder kurz vor Ende der nächsten Pause zu mir kommen würde, sich einen Stuhl nehmen würde und sich neben mich setzen würde. Er meint, dass ich so allein aussehe und fragt, ob ich etwas dagegen hätte, wenn er mir Gesellschaft leiste. Er ist sehr höflich und nett, aber nicht auf den Mund gefallen. Schüchtern antworte ich, dass ich nichts dagegen habe. Er lächelt und der Raum wird wieder dunkel. Der nächste Akt beginnt und es wird nicht peinlich zwischen uns, weil wir nicht reden müssen.

Es ist ein sehr lustiges Stück, weshalb wir oft lachen und uns dabei gegenseitig anschauen. Sein Lachen finde ich sehr angenehm und ansteckend.

Wenn der Vorhang wieder zugezogen wird, und der Raum wieder erleuchtet wird, dreht er sich ganz zu mir und stürzt seinen Ellbogen auf meine Stuhllehne und seinen Kopf leicht auf seine Hand. Es ist eine lässige und ungezwungene Pose. Seine Lässigkeit überträgt sich sofort auf mich und ich fühle mich sehr wohl. Mir sind auch die Blicke von seinen Kumpels und meinen Bekannten aus dem Dorf egal. Ich blende sie vollkommen aus.

Wir unterhalten uns über übliche Sachen, über die man sich unterhält, wenn man sich gerade kennenlernt. Wie heißt du, wo wohnst du, was machst du, wie alt bist du.

Im nächsten Akt stößt zufällig sein Knie gegen meins, als er lacht. Und noch zufälliger bleibt es dort. Ich kann mich kaum noch auf das Stück konzentrieren, nur noch auf die Berührung von einem Quadratzentimeter.

Die letzte Pause beginnt und er umfasst mein Handgelenk und zieht mich sanft nach draußen. Er meint, er brauche frische Luft und da könne man sich besser unterhalten, als bei dem Lärm in dem überfüllten Saal.

Die kühle Luft war wie ein Peitschenschlag in die Realität. Denn ich stand allein vor der Tür, zwei, drei Schritte weiter noch ein paar Raucher, die mich nicht weiter beachteten. Ich umklammerte mich selbst und trat wieder in den stickigen Raum zurück.

Als ich wieder auf meinem Stuhl saß, konnte ich die ganzen Paare um mich herum kaum ertragen. Sie zeigten mir nur, was ich vermisste und was ich nicht hatte. Gemeinheit.

Da lief der Junge an mir vorbei, der mir vor einem Monat schon mal aufgefallen war, und gesellte sich dummerweise zu dem Paar direkt vor mir, mit dem Rücken zu mir. Es hatte sich zuvor bereits herausgestellt, dass er vergeben war, seinem Facebook Profilbild und weiteren "Recherchen" im Dorf nach zu urteilen. Da kam ein Mädchen dazu und legte einen Arm um seinen Rücken. Aha. Das war sie also. Missmutig sah ich sie an, oder eher ihre Hinterseite. Die Situation konnte gerade nicht besser sein.

Sehnsüchtig sah ich den Jungen an, der mich zuvor beobachtet hatte, wandte mich jedoch schnell wieder ab.

Ach, in Wirklichkeit passiert doch sowieso nichts. In Wirklichkeit bleibt es nur bei einem höchst wahrscheinlich falsch interpretierten Blick. Sonst nichts weiter.
Und man geht so allein nach Hause, wie man gekommen ist.

Vorstellung versus RealitätWo Geschichten leben. Entdecke jetzt