life is strange

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Ein Vorort von Los Angeles, reich und populär, vor ein paar Jahren.

Ein dunkelblondes Mädchen trat in ein Café. Sie spürte die verhöhnenden Blicke ihrer Mitschüler auf sich. Sie spürte, wie sie ihren Körper musterten, als gehöre er ihnen.
,,Hey Kate! Wieso bist du so harsch zu mir?", spottete Nathan. Seine Kumpels lachten zustimmend. Kate hob vorsichtig den Blick. Sie setzte sich an einen dreckigen runde Tisch, der einzige freie im vollen Café. Sie hörte das Getuschel um sich herum. Immer wieder die selben Gerüchte.
Kate fegte die Krümel vom Tisch. Sie legte den Zeichenblock auf den Tisch und versuchte zu zeichnen. Ihre Gedanken schweiften ab, sie konnte sich nicht fokussieren. Eine Papierkugel traf sie am Kopf. Dann eine weitere. Tränen traten in die Augen. Sie konnte diese Demütigung nicht länger aushalten. Sollen sie doch ihren Sieg haben, dachte sie. Kate hob den Zeichenblock über ihren Kopf, um sich vor weiteren Kugeln zu schützen.
,,Na Kate, willst du uns schon verlassen? Willst du nicht noch ein bisschen für uns posen?" Kate rannte hinaus. Die Clique lachte. Victoria kicherte.
,,Sie macht alles nur noch schlimmer. Sie weiß doch, dass jeder das Video gesehen hat."
Kates Herz klopfte. Die Tür fiel klingelnd hinter ihr ins Schloss. Im Augenwinkel sah sie, wie Victoria und Nathan sich grinsend abklatschten.

Jeder. Jeder hat es gesehen.

Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Paranoid sah sie in die Cafés, sah immer wieder die selben Menschen. Sie kannten alle das Video. Rastlos lief Kate durch die Stadt. Sie fühlte sich gejagt. Ohne weiter zu überlegen, rauschte sie in eine Bar. Rauch empfing sie. Die Café Bar schluckte das Tageslicht. Keine Menschenseele saß an der Theke. Die Stühle standen durcheinander. Schauer krochen über ihre Haut. Geruch von altem Whiskey drang in ihre Nase. Kate hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch. Aber Kate fühlte sich sicher. Sie setzte sich auf einen Stuhl und begann wieder zu zeichnen.
,,Kann ich Ihnen helfen?", tönte eine Stimme aus einer dunklen Ecke.
,,Nein. Ich möchte... ich möchte hier nur sitzen. Wenn das in Ordnung ist."
Ein junger Kellner in schwarz weißer Uniform trat aus dem Schatten.
,,Darf ich fragen, wie alt sie sind?" Er setzte sich neben sie. Kate musterte ihn, wägte ab, ob sie ihm die Wahrheit sagen sollte.
,,Ich bin 19", stammelte sie wahrheitsentsprechend.
,,Was ist mit Ihnen? Sie sehen auch nicht sonderlich älter aus."
,,Ich bin auch 19", murmelte er ertappt.
,,Sie dürften gar nicht hier sein", wechselte er das Thema.
,,Sie auch nicht", konterte sie.
Ihr Blick war flehend, ihre Hand krampfte sich um ihren Stift.
,,Wie dem nun sei: Ich lasse Sie hier, aber Sie erzählen nicht, dass ich hier arbeite. Deal?"
Der Junge reichte ihr die Hand.
,,Deal."
,,Ich bringe dir einen Kaffee. Als... Bezahlung." Er überlegte nach dem richtigen Wort.
,,Ich heiße Pan. Freut mich dich kennenzulernen."
,,Mein Name ist", sie zögerte ,,Kate."
Kate fühlte sich wohl und unwohl zugleich. Kein Hohn lag in seiner Stimme, kein Spott in seinem Blick. Er schien sie nicht zu kennen oder zumindest nicht zu erkennen.

Dabei hat doch jeder das Video gesehen.

Kate wusste nicht, ob er nur eine Rolle spielte, oder ob er tatsächlich unwissend war. Sie setzte den Stift an, um einen weiteren Schmetterling zu zeichnen, als Pan mit dem Kaffee kam. Nervös traute sie sich nicht weiterzuzeichnen. Er stellte den Kaffee vor sie und setzte sich ihr gegenüber. Kate bemerkte ihn, sah aber nicht vom Blatt auf. War es nicht besser, wenn er seine neutrale Fassade fallen ließ, damit sie wusste, woran sie war. Wie bei Victoria und den ganzen anderen?, dachte sie. Eine Träne rollte über ihre Wange.
,,Was zeichnest du?"
,,Ich zeichne einen Schmetterling. Aber erkennst du mich denn nicht?"
,,Wieso? Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns noch nie im Leben gesehen haben. Und falls doch, verzeih mir, ich kann mir nämlich keine Namen merken."
,,Kennst du denn nicht das Video?", schluchzte sie unerwartet.
Pan legte den Kopf schief und sah sie verwirrt an. Er ist so unschuldig, schoss es ihr durch den Kopf.
,,Welches Video?"
,,Es ist nicht weiter wichtig. Ich möchte nicht darüber reden", nuschelte sie. Kate versuchte die Tränen zurückzuhalten, doch sie kullerten unermüdlich über ihre Wangen. Pan erschrak. Er wusste nicht was er mit dem weinenden Mädchen tun sollte. Unbeholfen zog er ein Stofftaschentuch aus seiner Tasche und wischte ihr die Tränen ab.
,,Oh nein, nein, nein nein nein. Nicht weinen", flüsterte Pan schon leicht panisch.
Kate musste unwillkürlich lächeln.
,,Es ist... schon ok. Wo ist eigentlich dein Chef? Was macht ein hübscher Junge wie du ganz allein in einer Bar in der er eigentlich gar nicht sein dürfte?"
,,Der hübsche Junge", Pan malte Anführungszeichen in die Luft, ,,macht einen illegalen Ferienjob in einer Café Bar. Mein Boss und noch ein paar andere sind hinter der Bar, rauchen. Gras, Kokain und anderes Teufelszeug."
Er senkte seine Stimme und beugte sich zu ihr.
,,Du willst gar nicht erst wissen, was hier manchmal los ist."
Kate ergründete sein Gesicht, seine blasse Haut und seine Muttermale. Beide starrten sich für einen Moment an, fasziniert von der Schönheit des jeweils anderen als Kate sich beschämt abwendete. Sie wollte ihn nicht auch noch belästigen.
,,Was malst du wirklich?", stotterte Pan verlegen.
,,Ich möchte eine Geschichte erzählen. Die Geschichte eines Schmetterlings, um genau zu sein, und auch wenn das vielleicht langweilig klingt... glaub mir, das ist es nicht. Ich brauche es. Es lässt mich vergessen, wer ich bin. Und ich brauche Cafés. Sie beflügeln meine Kreativität."
Kates Tonfall wechselte von einem hoffnungslosen zu einem hoffnungsvollen, beinahe euphorischen Tonfall bevor er wieder fiel wie die Temperatur eines Sommertags vor einem Sturm. Betrübt sah sie wieder auf ihr Blatt.
,,Ich werde nie so gut zeichnen können wie jemand anderes an der Blackwell. Ich bin... nicht gut genug."
Sie seufzte. Pan schüttelte sie an der Schulter.
,,Hey, das ist doch gar nicht schlecht. Das ist mindestens zehntausendmal besser, als ich es jemals könnte! Kämpfe für deine Träume! Bleib stark!"
Pan nahm das Blatt in die Hand und sah sich die restlichen Zeichnungen auf dem Blatt an.
,,Findest du?" Kate wischte sich mit dem Handrücken die letzten Tränen weg.
,,Klar. Es ist magnifique. Genau wie du."
Pan rückte näher an Kate ran. Kate errötete. Pan sah sie mit glänzenden Augen an.
Ein Kunde betrat das Café. Pan stand auf und ging zurück zur Theke um den Kunden zu bedienen. Kate rührte gedankenverloren in ihrem Kaffee, den Kopf auf die Hand gestützt. Sie trank einen Schluck.

Wie kann es sein, dass ich vor kurzem noch gedacht habe, dass Nathan mich geliebt hätte, er mich dann so verletzt hat, und ich mich jetzt von Pan angezogen fühle? 

Die Gedanken an Nathan und an ihre Bloßstellung schmerzten, doch es hatte keinen Sinn sie zu verdrängen, wenn alles sie daran erinnern konnte.

Life is strange, kritzelte sie auf das Papier.

Hinter den zugestellten Schaufenstern wurde es Nacht. Immer mehr Leute kamen in die Bar. Immer mehr Leute störten sie, immer mehr Leute beäugten sie mit ihren Blicken. Kate nahm ihren Block.

Ich komme wieder, Pan. , schrieb sie auf einen Zettel.

Kate legte ihn hinter den Thresen und hoffte, dass Pan ihn dort finden würde. Kate machte sich auf den Weg nach Hause. Aus den betrunkenen Menschenmassen der Bar heraus und in die kühle Nacht herein.

Pan fand den Zettel.

Die Tage vergingen. Kate kam wieder, jeden Tag um die selbe Zeit. Und jeden Tag malte sie weiter an ihrer Geschichte. Jeden Tag offenbarte sie Pan einen neuen Teil ihrer selbst. Pan liebte sie. Er liebte ihren Namen, den sie selbst so sehr hasste, liebte ihre Zeichnungen, in denen sie ihre Gedanken versteckte.

,,Pan?"
,,Hm?"
,,Mein Name... mein Name ist gar nicht Kate."
,,Das ist nicht schlimm, Kate. Verstell dich nicht und sei, wer du sein willst."
Er verriet ihr nicht, dass er selbst nicht Pan hieß.

Pan und Kate redeten viel. Über Kunst, Musik und über die Welt. Wenn Kate bei ihm war, könnte sie ihre Depressionen vergessen. Doch wenn sie einen Schritt aus der Café Bar tat, kamen sie wieder. Schlimmer. Die Zweifel nisteten sich in ihr ein.

Alles wäre besser ohne mich.

Ein Dämon schien sie zu verfolgen. Sie war in ihren eignen Gedanken eigesperrt, gefangen in einem Teufelskreis.
Und Pan machte sich Sorgen.
Irgendwann, Wochen später nach ihrem ersten Treffen, wurden aus einem Kuss zwei, und aus zweien schließlich mehrere.

Dann kam der Tag, an dem Kate nicht mehr auftauchte. Sie kam auch nicht am nächsten oder übernächsten Tag. Pan verzweifelte. Die Tage gingen nahtlos ineinander über. Immer die selbe Routine. Pan hatte den Anschein, dass die Sonne jeden Tag weniger schien.

Pan stand verträumt am Tresen und wusch Teller, als der Zeitungsjunge am späten Nachmittag die Zeitung auf die Theke schmiss. Die Schlagzeile auf der Titelseite erregte seine Aufmerksamkeit und riss ihn zurück in die Realität.
,,Mädchen vor den Preston Dormitories tot aufgefunden!", hieß es dort. Die Worte trafen Pan in die Magengrube. Er hielt sich am Pfosten fest. Sein Magen drehte sich um.
Das Mädchen war Kate.
Und leise, leise brach sein Herz.

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Ihr Name ist nicht Kate, sondern Dave :D
Eigentlich wollte ich das so einbauen und ,,To be continued..." zu dem letzten Satz machen, allerdings hätte das dann die Atmosphäre zerstört, weil dann eine ,,Pinguine aus Madagaskar" - Anspielung gekommen wäre. Joa. Dave, wenn du das hier siehst oder es im Stream vorkommt, denk dran, ich hab an dich gedacht :)
Wahrscheinlich wird das ganze viel zu lang, obwohl ich mir haben sagen lassen, dass etwas 1500 Wörte für einen Oneshot ok seien.
Das war mein erster Oneshot.
Ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen.

Liebe Grüße (oder so)
Allie

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