Gronckel - viele Gronckel

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Blind und quiekend tapste die Kleine durch die Gegend. Ihre Schuppen, welche die Größe einer Fingernagelkuppe entsprachen, zitterten stark. Ihr war kalt. Doch die Zunge unserer Mama gab ihr die nötige Wärme.

"Wie soll sie denn heißen?", fragte Nachtflug interessiert. Mama legte den Kopf schräg, kaute auf ihre Oberlippe herum und musterte das zärtliche Kind nachdenkend.

"Also ich finde den Namen Feuerblüte schön.", gab sie bescheiden und lächelnd zu.
"Feuerblüte...", murmelte Nachtflug beeindruckt, "Ein mächtiger und zugleich eleganter Name!"

Ja, ich fand den Namen auch schön, aber auch ungerecht. Nachtflug, Feuerblüte - das waren so schöne Namen, aber warum musste ich Salir heißen? Der Name hatte nichts mit Schönheit, Macht oder Eleganz zu tun. Im Gegenteil: Er wies eine Verneinung auf...

"Und was sagst du zu unserer kleinen Schwester?", erkundigte sich Nachtflug, während er auf einigen Felsen balancierte. Wir waren wieder außerhalb der Höhle und kletterten nun mit bloßen Krallen auf die hohen Felsmauern, die die Lichtung unseres Heimatortes eingrenzten. Ich spazierte stattdessen neben meinem Bruder her und fixierte grübelnd den staubigen Boden.

Als ich auf seine Frage nur mit den Schultern zuckte und ein kaum wahrnehmbares Grummeln von mir gab, sprang Nachtflug unzufrieden von dem Felsen herunter und schnitt mir somit den Weg ab.

"Du stehst mir im Weg.", erklärte ich ihm zornig, jedoch mit ruhiger Stimme, als wäre ihm das nicht schon klar.
Seine sonst so runden Pupillen verengten sich zu Schlitzen und er sah mich prüfend an. Sein Blick ließ meine Krallen kribbeln und meine Schuppen schaudern.

"Was hast du denn?", fragte er mich scharf und blieb wie angewurzelt stehen. Mir war das Thema unangenehm, vor allem, weil ich vor kurzem noch mit ihm darüber gesprochen hatte.

Um das Thema möglichst unauffällig zu wechseln, sagte ich belustigt: "Ich würde gerne wissen, wie du bei der Geburt ausgesehen hast. Bei deiner eigenen, meine ich."

Unerwartet über diese Aussage, blinzelte Nachtflug verwirrt und kniff ratlos die Augen zusammen. "Hä, was?", war seine erste Reaktion.

"Na, du musst doch als kleines Baby auch so gequiekt und gejault haben. Diese Vorstellung, wie du als Schlüpfling aussahst, bringt mich wirklich zum lachen!", klärte ich ihn lachend auf. Das ließ sich Nachtflug gar nicht gefallen, sodass er drohend knurrte.

Plötzlich sprang er fauchend auf mich zu und drückte mich zu Boden. Es war nur ein Spiel zwischen uns, trotzdem musste ich auf seine Zähne und Krallen Acht geben. Obwohl der Altersunterschied nur um zwei Wochen lag, wog Nachtflug jedoch um einiges mehr, als ich.

Stöhnend stemmte ich meine Vorderpfoten auf den Brustkorb meines Bruders und drückte ihn mit aller Kraft weg von mir. Dies wollte mir aber nicht so ganz gelingen, denn er war stärker als ich. Mit einer geschickten Bewegung hatte er mich sozusagen an den Boden genagelt. Er konnte jetzt gut sehen, wie mein Körper ständig auf und ab stieg, weil ich so schwer atmete. Mit einem hämischen Grinsen machte er mir klar, dass er gewonnen hatte.

Allerdings wusste ich nur zu gut, dass er mich mit seinem Gewinn den ganzen Tag aufziehen würde. Das konnte ich nicht auf mich sitzen lassen, weshalb ich mir nochmal einen ordentlichen Ruck gab und meinen Lieblingsbruder von einem recht steilen Abhang schmiss. Doch er reagierte schnell und zog mich gleich mit. Ziemlich chaotisch rollten wir den Abhang hinab, bis Nachtflug eine schnelle Drehung durchführte und mich mit voller Geschwindigkeit gegen einen großen Felsen preschte.

Sekundenschnell sah ich schwarz vor meinen Augen, bis sich alles drehte. Ich hatte Sterne gesehen und der Schmerz donnerte so sehr in meinem Kopf, sodass meine Schläfen anfingen zu pochen. Es tat so weh und ich jaulte kläglich auf.
Doch wie bei einem Wunder verging der Schmerz recht schnell und ich sah auch wieder vernünftig.

Ohnezahns LebensgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt