23. Das Spiel beginnt

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Zu Hause angekommen hänge ich meine Jacke an die Garderobe und gehe danach grinsend in die Küche. Jim ist nirgends zu sehen, aber da er mir die Nachricht geschickt hat, sollte er gleich auftauchen. Während ich den Kühlschrank öffne und überlege was ich kochen könnte, höre ich auch schon Schritte auf der Treppe die nach unten kommen.
Nur kurze Zeit später legt sich eine Hand auf meinen Rücken und ich bekomme einen Kuss auf die Wange.
"Hey Mel", murmelt er an meinem Ohr und ich drehe den Kopf zu ihm.
"Da hat mich ja einer vermisst, was?", frage ich und Jim lacht während er einen Arm um meine Taille legt.
"Ein winziges bisschen", antwortet er, was mich zum lachen bringt.
"Hm, deine Nachricht hat aber etwas anderes gesagt. Apropos, hast du Lust auf Doctor Who?"
"Tut mir leid, aber nein, ich muss noch was vorbereiten. Seit der Sache mit Molly habe ich ein kleines... Spiel mit Sherlock laufen, und bereits morgen kommt es zum Showdown. Dann wird er erfahren wer ich bin."
Er lächelt verträumt und in seinen dunklen Augen blitzt der Psychopath auf, da reißt er sich wieder zusammen.
"Ich nehme an, euer Treffen war erfolgreich?", wechselt er das Thema und ich beginne etwas zu essen zu machen.
"Ja, und wie. Sam hat jetzt meine Nummer, und er weiß auch über meine Vergangenheit Bescheid. Aber wie meinst du das mit Sherlock?"
"Du hast mit ihm über deine Vergangenheit gesprochen?", erkundigt Jim sich besorgt, meine Frage ignorierend. Ich schaue ihn sanft an.
"Es ist mittlerweile okay für mich darüber zu reden, dank dir, außerdem sollte er es wissen. Als mein Vater."
Jims Mundwinkel zucken kurz, dann seufzt er und hilft mir beim Essen machen, allerdings merke ich, dass er sich ein wenig um mich sorgt. Er weiß wie schwer es mir damals fiel, ihm von mir zu erzählen, und sein Blick verrät mir, dass er daran zurückdenkt.
Schließlich sitzen wir im Wohnzimmer und essen gemeinsam unser Abendessen.
"Also, was meinst du jetzt mit diesem Spiel für Sherlock?"
Augenblicklich verschwindet der nachdenkliche Ausdruck aus Jims Augen und sie beginnen zu leuchten. Es scheint fast, als hätte er dieses Spiel beinahe vergessen.
"Es ist eine Art... Kennenlernspiel, bei dem ich teste, in wie weit Sherlocks Verstand dem meinigen ebenbürtig ist. Außerdem macht es mir unglaublich Spaß das Spiel zu planen."
"Und was ist dieses Spiel genau?"
"Ich stelle ihm ein paar Rätsel, die er innerhalb einer gewissen Zeit lösen muss, ansonsten stirbt eine Person", antwortet mein Ehemann schulterzuckend und will gerade einen Schluck Wasser nehmen, als er realisiert was er mir gerade erzählt hat. Ich starre ihn erschrocken an, dann erinnere ich mich wer Jim eigentlich ist.
"Okay... ist denn bisher jemand gestorben?", frage ich zögernd nach und Jim stellt das Glas wieder hin.
"Gut dass du keine Zeitung liest", murmelt er mehr zu sich selbst und schaut mich ernst an.
"Bisher nur eine, und das war eine alte, blinde Dame die meine Stimme beschrieben hat. Sie wurde gefährlich für mich."
Aufmerksam beobachtet er meine Reaktion, scheint aber nicht bedrückt oder so zu sein.
Plötzlich habe ich keinen Appetit mehr und ich lege mein Besteck hin. Es ist viel zu einfach den Psychopathen zu vergessen.
"Das ist...", fange ich an, doch mir fehlen die Worte. Einerseits bin ich erschüttert und entsetzt über das, was er gesagt hab, andererseits kann ich ihn aber irgendwie verstehen, wenn auch nur ein kleines bisschen.
Die Frau wurde zur Gefahr, weil sie angefangen hat ihn zu beschreiben. Anscheinend musste er direkt mit ihr kommunizieren, da sie blind ist, und nur deswegen hat er ihren Tod befohlen. Außerdem war sie schon alt, sie hatte also ihr Leben schon fast hinter sich.
Doch diese Ausreden, die ich mir selbst vorhalte, täuschen nicht über die Tatsache hinweg, dass mein Mann Jim den Tod der Frau angeordnet hat. Er hat sie getötet, egal wie ich oder Jim versuchen es zu rechtfertigen.
Anscheinend bemerkt dieser mein Unwohlsein darüber, denn er streckt seinen Arm aus um meine Hand zu nehmen, doch ich ziehe sie zurück. Das Schweigen zwischen uns wird beinahe unerträglich, bis Jim nickt und aufsteht. Mit seinem Teller und Besteck geht er in die Küche, ohne noch einmal zu versuchen mich zu berühren. Er hat verstanden dass ich ein bisschen Zeit brauche um das zu verarbeiten, zusätzlich zu der Tatsache, dass er ja sowieso noch arbeiten muss. Oder will.
So kommt es, dass er kurze Zeit später die Treppe hoch in sein Arbeitszimmer geht und mich allein zurücklässt.
Nach bestimmt fünf Minuten entschließe ich mich dazu, Katie wie versprochen anzurufen, um ihr von meinem Vater zu erzählen. Vielleicht lenkt das mich ein bisschen ab.
Aber noch während ich den Tisch abräume, wird mir bewusst, dass ich eigentlich das falsche tue. Immer wenn Jim Menschen verletzt, foltert oder tötet, oder einfach 'nur' psychopathisch ist, verdränge ich das, ignoriere diese Tatsache und denke nicht mehr darüber nach. Ich verarbeite das nicht, ich setze mich nicht damit auseinander, sondern ich akzeptiere es einfach ohne genau zu wissen warum.
Vielleicht weil ich Jim nicht verlieren will.
Vielleicht weil er sich ja wegen mir bereits beginnt zu verändern.
Vielleicht aber auch weil... es mir egal ist.
Wenn ich ernsthaft darüber nachdenke, merke ich, dass es für mich keine Rolle spielt, dass Jim jemanden hat töten lassen, und auch wer da gestorben ist. Ich kenne und kannte diese Person nicht, es ist nichtmal in meiner Nähe passiert, und ich habe auch nicht mitbekommen wie Jim es gemacht hat. Es bleibt fern von mir.
Das ist doch nicht normal, oder?
Bevor ich mich weiter in diesen düsteren, verwirrenden Gedanken verliere, schüttele ich sie ab und hole mein Handy. Katie anrufen. Genau das was ich brauche, einen normalen Menschen zum reden.
"Na endlich meldest du dich! Ich habe die ganze Zeit gewartet."
Die Vorstellung, wie sie wirklich den ganzen Tag lang vor dem Telefon kauert, bereit loszuspringen sollte es klingeln, bringt mich zum schmunzeln.
"Sorry, Jim war komisch drauf als ich wieder nach Hause gekommen bin."
"Ist er das nicht irgendwie immer?"
Schmunzelnd nehme ich diese Bemerkung von ihr entgegen, wechsele dann aber das Thema und erzähle ihr von meinem Treffen mit meinem Vater. Sie ist hellauf begeistert und will alles ganz genau wissen. Das Gespräch mit ihr lenkt mich tatsächlich ab, zumindest bis ich auflege und an morgen denke. Morgen gehe ich wieder zur Arbeit, bin Mister Wulf ausgesetzt und darf abends alleine zu Hause bleiben, weil Jim noch wegmuss. Auch heute Abend werde ich alleine im Bett liegen, es sei denn Jim entschließt sich zu mir zu kommen, was ich aber bezweifle.
Mit einem innerlichen Seufzer mache ich mich im Bad fertig, gehe nach oben und ziehe mich um. Bevor ich mich wirklich schlafen lege, gehe ich hinüber zu Jims Arbeitszimmer, wo die Tür nur angelehnt ist. Vorsichtig stoße ich sie mit dem Fuß etwas weiter auf und erhalte einen perfekten Blick auf meinen Mann, der vor dem Laptop sitzt und neben sich einige Akten oder sowas in der Art liegen hat. Er arbeitet hochkonzentriert, das Gesicht hell erleuchtet vom Bildschirm seines Laptops, und scheint nichts um sich herum wahrzunehmen. Einen Moment lang betrachte ich ihn, doch dann wende ich mich ab und gehe ins Schlafzimmer.

~~~

Geweckt durch das Klingeln meines Weckers, will ich mich verschlafen auf den Rücken drehen, doch ich werde in jeglicher Hinsicht daran gehindert. Jim liegt hinter mir, so eng wie es nur geht an mich gekuschelt, die Nase an meinem Nacken, sowie einen Arm und ein Bein um mich geschlungen. Anscheinend ist er gestern Abend doch noch zu mir gekommen.
Sein ruhiges Atmen bricht auch durch meine Versuche, mich unter ihm herauszuwinden, nicht ab, stattdessen zieht er mich mit einem Grummeln noch enger an sich. Muss er denn nicht aufstehen?
"Jim?"
Seine Antwort besteht aus einem weiteren Grummeln, aber ich spüre seinen Atem an meinem Nacken, bevor ich seine Stimme höre.
"Bin wach."
Doch die Art, wie er das sagt, macht mir deutlich, dass er alles andere als wach ist.
"Dann musst du mich leider loslassen", meine ich zu ihm, doch Jim denkt gar nicht daran.
"Kommst du halt zu spät", murmelt er ohne sich zu bewegen und ich muss unwillkürlich schmunzeln. Es ist zu verlockend jetzt einfach noch liegen zu bleiben, aber bei dem Gedanken an meinen unliebsamen Chef entscheide ich, dass es besser ist, jetzt aufzustehen.
"Tut mir leid, aber ich muss zur Arbeit. Außerdem war gerade erst Wochenende."
"Denkst du ernsthaft dass zwei Tage mit dir schon für eine Woche ausreichen? Vorallem da du die halbe Zeit sowieso bei deinem Vater warst?", grummelt er, lässt mich aber widerstrebend los. Ich setze mich auf, während Jim noch liegen bleibt, und gebe ihm einen sanften Kuss af die Wange.
"Du bist echt süß", flüstere ich an seinem Ohr und er lächelt leicht, dann stehe ich endgültig auf.
Es fällt mir schwer meinen niedlichen, verschlafenen Ehemann im Bett zurückzulassen, aber der Gedanke daran, dass wir Mister Wulf schon bald, wenn alles gut geht, in ein zahmes Schäfchen verwandeln können, tröstet mich ein wenig darüber hinweg. Außerdem muss Jim auch aufstehen.
Nur kurze Zeit später kommt er tatsächlich die Treppe herunter, während ich in der Küche sitze und mein Frühstück esse.
"Na, endlich aufgestanden?", erkundige ich mich grinsend und er schenkt mir ein kurzes Lächeln. Er sieht so aus als hätte er nur sehr kurz geschlafen, mit dunkleren Ringen unter den Augen und dem müden Gesichtsausdruck während er zur Kaffemaschine schlurft.
"Mehr oder weniger."
Als er sieht, dass ich bereits Kaffee​ für ihn vorbereitet habe, wirkt er gleich wacher und nimmt einen großen Schluck aus seiner Tasse.
"Danke Honey."
"Kein Problem."
Mit einem Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass ich los muss und esse hastig mein Toast zu Ende.
"Ich muss gehen, bis nachher."
Doch bevor ich ihn mit einem hastigen Kuss verabschieden kann, zieht er mich an der Taille zu sich und gibt mir einen richtigen Kuss, der nach Kaffee schmeckt. Augenblicklich erwidere ich den Kuss, doch da löst er sich abrupt von mir und lässt mich irritiert vor ihm stehen.
"Jetzt kannst du meinetwegen gehen", meint er grinsend und trinkt noch einen Schluck des braunen Gebräus. Wenn er glaubt damit wegzukommen, dass er mich so durcheinander bringt indem er mich so küsst bevor ich zur Arbeit gehe... hat er vermutlich recht.
"Warte nur bis ich wieder nach Hause komme", murmele ich und er lacht.
"Ich weiß nicht was du meinst, Honey."
Ich brauche einen Moment um mich zu erinnern was ich eigentlich genau wollte, doch dann fällt es mir wieder ein. Rasch nehme ich meinen Rucksack, meine Jacke und stürme zur Haustür hinaus, denn der Bus kommt in drei Minuten und ich brauche für den Weg zur Haltestelle allein fünf.
Während ich mich spute um noch pünktlich zu kommen, fällt mir unser Gespräch von gestern Abend ein. Dieses Spiel mit Sherlock... hoffentlich artet das nicht aus.

~~~

Hallo Leute :D

Sorry dass so lange nichts von mir kam, nach der MagicCon war ich einfach... neben der Spur, denke ich. Aber ich versuche wieder in das alte Schema reinzukommen, kann es aber nicht versprechen. Ich denke ihr versteht das :)

Danke für über 10.000 reads bei Moriarty In Love, ich bin richtig stolz drauf *-* Hab euch lieb <3

Bye!

Moriarty In Love - The GameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt