Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war Fynn nicht mehr da. Ich schaute auf meine Uhr neben dem Bett. 9:00. Für mich war das relativ früh, doch da ich ungewöhnlich wach für diese Uhrzeit war, beschloss ich aufzustehen. Ich machte mich fertig und zog mir was bequemes, also eine Jogginghose und ein weites T-Shirt, an. Es würde mich ja so eh fast keiner sehen. Danach ging ich nach unten in die Küche. "Morgen Schwesterherz, hast du gut geschlafen?", wurde ich von einem gutgelauntem Fynn begrüßt, welcher schon mit einer Schale Müsli vor sich am Küchentisch saß. "Ja h-hab i-ich.", erwiderte ich leise und sah mich unsicher um. Durfte ich mir etwas zu essen nehmen oder müsste ich wie bei meinem Vater auf Erlaubnis warten? "Willst du auch was essen?", wurde ich da auch schon vob Fynn gefragt. "Da-darf i-ich mi-mir denn et-etwas zu es-essen n-nehmen?" "Ja natürlich, warum solltest du das denn nicht dürfen? Du kannst dir jederzeit etwas holen.", erklärte er mir und sah mich erstaunt an. "So-sonst d-durfte i-ich nu-nur es-sen, w-wenn Va-vat-ter es er-erlaub-aubt hat." Fynn sah mich erschrocken und voller Mitleid an. "Also hier ist es so, dass in der Früh alle unterschiedlich essen, je nachdem wann wir aufstehen. Mittags kocht Caitlin meistens etwas für mich und sich und absofort auch für dich. Abends essen wir dann nochmal alle zusammen, wenn Dad von der Arbeit kommt. Und falls du zwischendurch Hunger haben solltest darfst du dir jederzeit etwas holen, ok?" Ernst schaute er mich an, während er mir dies erklärt und ich nickte, zum Zeichen, dass ich alles verstanden hatte. Dass ich nun essen konnte, wann ich wollte, war etwas völlig neues für mich, doch ich war mir sicher, dass ich mich schnell daran gewöhnen würde. "Achja, falls du dich fragst wo deine Mum ist. Sie musste heute morgen zur Arbeit. Ein Notfall hat sie gemeint und das sie erst Nachmittags wiederkommen wird. Willst du auch Müsli oder etwas anderes?" "M-müsli bi-bitte." Fynn zeigte mir wo alles stand, räumte sein Geschirr weg und ging dann in sein Zimmer mit den Worten, dass ich jederzeit zu ihm kommen könnte. Ich frühstückte und beschloss danach mir die Wohnung und den Garten genauer anzusehen, da ich gestern gar keine Gelegenheit dazu hatte.
Nachdem ich mir alle Räume der modern eingerichteten und hell gestalteten Villa angesehen hatte, betrat ich den Teil des Garten, der hinter dem Haus lag. Es sah dort eigentlich genauso aus, nur das am Rand mehr Bäume wuchsen und in der Mitte ein Pool mit Liegen ausenrum war. Ich lief langsam darauf zu und legte mich auf eine der Liegen. Es war wirklich schön und ruhig hier, weshalb ich es schade fand den Pool nicht nutzen zu können. Ich hatte furchtbare Angst vor Wasser, weil ich als kleines Kind bei einem Ausflug mal ins Meer gefallen bin. Deshalb ging ich nicht ins Wasser, sondern blieb liegen, lies mir die Sonne ins Gesicht scheinen und genoss die Ruhe um mich herum.
Blinzelnd setzte ich mich auf. Ich musste wohl eingeschlafen sein. Plötzlich grummelte mein Bauch. Das war für mich etwas ganz normales, denn ich hatte nie genug zu essen bekommen und ich wollte mein Hungergefühl schon ignorieren, als mir Fynns Worte wieder einfielen. Hier durfte ich mir jederzeit etwas zu essen holen. Also lief ich in die Küche, stoppte aber im Türrahmen, weil ich meine Mutter am Tisch sitzen und Zeitung lesen sah. Sie hatte mich anscheinend gehört, denn sie schaute auf und sah mich überrascht, aber zu gleich auch freudig und etwas traurig an. "Hey Ava. Wie geht's dir? Also ich meine wegen gestern. Es tut mir wirklich leid was passiert ist. Ich meine, ich wusste ja, was du alles aushalten musstest und das du nicht berührt werden willst, aber ich hab mich so gefreut dich zu sehen, dass ich einfach nicht anders konnte." "Wa-warum h-hast du-du mi-mich d-dann mit i-ihm al-lein ge-gelass-ssen?", wollte ich wissen. Diese eine Frage beschäftigte mich seit dem Tag an dem sie uns verlies. War wirklich ich daran schuld, so wie Vater immer behauptet hatte, oder gab es einen anderen Grund? Mum traten Tränen in die Augen und ich sah das es sie viel Überwindung kostete mit dem Reden anzufangen. "Als ich deinen Vater kennengelernt hab, schien er der perfekte Mann zu sein. Er war höflich, zuvorkommend und er las mir jeden Wunsch von den Augen ab. Doch nach unserer Hochzeit hat sich das verändert. Er hat mich auf einmal nur noch beleidigt, hat viel getrunken und ab und zu auch mal Drogen genommen. Dann hat er angefangen mich zu schlagen. Ich blieb bei ihm, weil er mir drohte. Er sagte, dass er mich überall finden würde und dass er mich dann töten würde. Ich hatte furchtbare Angst vor ihm und dann. Dann war ich auf einmal schwanger. Ich hoffte, dass ihn das vielleicht zur Vernunft bringen würde und so war es auch. Er wurde wieder zu dem Mann, den ich liebte. Er hat sich für alles entschuldigt, versprochen, dass so etwas nie wieder vorkommen würde und ich habe es ihm geglaubt. Als du dann da warst, warst du seine kleine Prinzessin und er hätte alles für dich getan. Es lief alles gut, aber als du ungefähr vier Jahre alt warst ist er wieder abgerutscht. Ich weiß nicht warum aber er hat wieder angefangen mich zu schlagen. Dich hat er behandelt wie immer, aber ich ging täglich durch die Hölle. Deshalb beschloss ich schließlich abzuhauen. Ich hatte alles geplant und musste die schwierigste Entscheidung meines Lebens treffen. Sollte ich dich mitnehmen oder hier lassen? Ich entschied mich dafür dich hier zu lassen, da ich dachte, dass du es dort besser hättest, weil ich in der ersten Zeit nach der Flucht weder Geld noch eine richtige Wohnung hatte. Außerdem hat dich dein Vater vergöttert. Ich lies dich also zurück und verschwand. Du glaubst gar nicht wie sehr ich das alles inzwischen bereue und welche Vorwürfe ich mir mache dich damals nicht mitgenommen zu haben. Ich hoffe du kannst mir irgendwann verzeihen und wenn nicht dann kann ich das auch verstehen." Sie brach in haltloses Schluchzen aus und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Ich handelte ohne darüber nachzudenken, sondern stand einfach auf, lief zu ihr rüber und nahm sie in den Arm. "Es ist alles gut Mum ich verzeihe dir."
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Ava - My life with fear
RomanceSeit ihre Mutter vor zehn Jahren verschwunden ist wird Ava von ihrem drogenabhängigen Vater misshandelt und vergewaltigt. Sie lässt niemanden an sich ran, redet kaum und hat starke Berührungsängste. Doch als ihr Vater an einer Überdosis stirbt, muss...