f o u r t y t h r e e

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Der Streit mit meinem Dad war schrecklich gewesen, um es auf den Punkt zu bringen, es war der schlimmste Streit, den ich je mit ihm gehabt hatte. Wir hatten uns beleidigt und angeschrien und nun sprachen wir kein einziges Wort mehr miteinander. Aber das, so schrecklich es auch war, war genau das gewesen, was ich hatte erreichen wollen. Dad hasste mich. Zumindest für den Moment. Ich hatte ihm viele schreckliche Dinge an den Kopf geworfen. Ich hatte es geschafft. Ich hatte die Brücken abgerissen. Zuerst hatte ich mich, wenn auch unbeabsichtigt, mit Rose und Elouise gestritten, jetzt hatte ich der Beziehung zu meinem Dad zumindest einen gewaltigen Knacks verpasst. Es blieb noch Jake. Ich schrieb ihm eine Sms, die ,,Ich kann mich länger nicht bei dir melden, tut mir leid. Alles Liebe, Z." , lautete.

Ich stellte mir einen Wecker noch für die gleiche Nacht, es war spät, ungefähr ein Uhr.

Am vorherigen Abend hatte ich, in meinem Zimmer eingeschlossen, meine wichtigsten Sachen zusammengepackt und in Koffer und Rucksack verstaut. Auf leisen Sohlen schlich ich in die Küche und schrieb einen Zettel für meinen Dad.

Hallo Dad. Ich habe ein Stipendium für die Schauspielschule bekommen. Dort gibt es auch ein Internat. Ich musste es annehmen, das ist das, was ich tun will. Es ist mein Traum, und du verstehst ihn nicht. Ich bin weg.

Tut mir leid.

Schweren Herzens legte ich den Zettel auf die Anrichte und Holte meine Sachen ich schlich aus der Wohnung, mein Weg war ohnehin nicht weit. Schon im Flur sprang ich zu den Shadows.

Auch hier war es Nacht, ich stand im Innenhof des Wohngebäudes in dem Scarletts Zimmer war. Naja, hoffentlich war es bald auch mein Zimmer. Also so richtig, ein Internatszimmer. Aber zuerst musste ich zu Chris, das war mitten in der Nacht aber schwer. Wo sollte ich denn meine Sachen hintun? Gute Frage, nächste Frage. Ich sprang durch die Schatten oben aufs Dach. Dort stellte ich kurzerhand Koffer und Rucksack ab, dann schwang ich mich in die Luft und erhob mich in den sternenklaren Nachthimmel. Ich musste den Kopf freikriegen, und flog immer höher.

Erleichtert stieß ich die Luft aus. Von oben betrachtet sah die Stadt echt seltsam aus. Sie war eigentlich nicht besonders groß, aber es gab trotzdem viele große Gebäude und Hochhäuser. Das seltsamste war, dass sie irgendwann einfach aufhörte. Es gab keine Vororte mit beschaulichen Reihenhaussiedlungen, da stand zum Beispiel an einer Stelle ein Wolkenkratzer und die Wiese fing an. Sie war von Bäumen, Büschen und Blumen gespickt und an der einen Seite waren die Portale, durch die die anderen Shadows die Stadt betraten. Nach der Wiese kam ein tiefer Abgrund, an dem die Erde wegbröckelte. Von meiner Sicht, weit oben aus der Luft, sah die Stadt aus wie eine Insel mitten in der Luft.

Ich flog noch ein wenig herum und genoss die frische und kühle Luft. Nach einiger Zeit steuerte ich auf das Hochhaus zu von dem ich einfach mal annahm, dass es das Richtige war. Müsste aber eigentlich passen. Ich stand schon hoch oben auf dem Dach des Gebäudes, als mir auffiel, dass Chris so spät in der Nacht vermutlich gar nicht im Büro sein würde. Einen Versuch war es aber immerhin Wert.

Er war es wirklich wert, wie sich jetzt herausstellte, denn am Empfangstresen saß niemand, aber es brannte Licht in Chris' eigentlichem Büro. Leise schlich ich darauf zu und klopfte behutsam mit meinen Knöcheln gegen das dunkele Holz. Ein unsicheres ,,Ja?" ertönte, so als ob sich der Sprecher nicht sicher sei, ob nun jemand da war oder ob er es sich nur eingebildet hatte. Ein kleines bisschen demütigend war ja schon, was ich hier machte. Ich hatte unzählige Male beteuert, dass ich mein normales Leben wollte und jetzt kam ich angekrochen und bat um einen bedingungslosen Internatsplatz. Aber ich musste die Menschen schützen, die ich liebte, musste den Anschein erwecken, als ob es mir egal wäre, was mit ihnen geschah.

Die Schattentänzerin | AbgebrochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt