Kapitel 11
Lange blickte ich die Krankenhauswand hinunter.
Tausende Fragen kreisten in meinem Kopf herum. Wo ist er? , Warum verschwindet er einfach? ... Im nächsten Moment sprang die Tür auf und riss mich aus meinen Gedanken. Es war erneut die Krankenschwester, die mich kürzlich noch hierhergebracht hatte.
>> Wir haben sowohl die Erziehungsberechtigten, als auch die Polizei informiert. Er ist nicht zu Hause und die Beamten werden umgehend mit der Suche nach dem Jungen beginnen. << Der Tonfall der Schwester klang besorgt, dennoch bedachte sie mich mit einem strengen Blick. Anscheinend passte es ihr nicht, dass ich noch hier war und das einer ihrer Patienten verschwunden ist, für den sie die Verantwortung hatte. Womöglich dachte sie ich wäre an seinem Verschwinden Schuld, warum auch immer. Jedenfalls schickte sie mich danach sofort nach Hause, womit ich auch nicht einverstanden war, da ich mir ebenfalls Sorgen um Kevin machte.
Deswegen beschloss ich nach einer Stunde, als ich meine Gefühle etwas im Griff hatte und die Zahl der Polizeibeamten sich um Einiges verringerte, bei der Suche nach Kevin mitzuhelfen. Ich entschied mich mit dem Fahrrad zu fahren, da sich die Suche beschleunigen würde und mir das Gehen in diesem Moment eindeutig zu schwer fiel. Auf dem Weg mied ich es hauptsächlich den Polizisten zu begegnen, sie sollten nicht erfahren, dass ich mitsuchte.
Ich sah mich immerwieder um, suchte hinter Bäumen und Häusern, fuhr ganze Wohnblöcke ab, fand ihn jedoch nie.
Hätte ich ihn nur besser kennengelernt!, tobte die Stimme in meinem Kopf. Jedoch entgegnete eine gegnerische Stimme: Er hat dir ja keine Wahl gelassen!
Der Satz machte mich so traurig und wütend zugleich, sodass ich mich schnellstens auf den Rückweg begeben musste. Schluchzend fuhr ich den Abhang hinunter, der eine Abkürzung zu mir nach Hause war.Nach etwa fünf Minuten Fahrt hörte ich ein Rascheln in den Büschen links neben mir. Mit der Hoffnung es wäre Kevin blieb ich vor einem Busch stehen, stieg vom Fahrrad und begann diesen eindringlich zu mustern. Als es in dem Blätterhaufen erneut raschelte trat ich näher heran. Zwar hatte ich schon alle Hoffnung verloren, dass es Kevin wäre, streckte aber dennoch die Hand nach der Stelle aus an der ich Äste knacken hörte. Eine Weile lang herrschte Stille, was mich noch nervöser machte, als vorhin. Mit dem Gedanken, es wäre doch nur ein Tier gewesen, setzte ich die Hand wieder zum Rückzug an, als mich plötzlich eine andere Hand am Handgelenk packte und in die Blätter - und Dornengrube zog.
Panik und Angst erfüllten mich und ich begann zu schreien, doch nicht einmal ein einfaches ' Hilfe' gelang mir, denn eine andere, fremde Hand presste sich gegen meinen Mund, so fest, dass selbst mein Atem erstickte.
>> Ich werde dir nichts tun, wenn du mir auch nichts tust. <<, flüsterte eine Stimme in mein Ohr, >> ...und damit meine ich NICHTS! << Das letzte Wort war wie ein Zischen und, obwohl es ein Flüstern war, tat der Nachhall dennoch in den Ohren weh.
Während ich versuchte mich aus dem Griff des Idioten, der mich in diesen verdammten Dornenbusch gezogen hatte, zu befreien, kratzte ich mir die Arme und Handgelenke auf und begann an einigen Stellen zu bluten. Die Wunden brannten höllisch. Sofort wurde ich wütend und biss schließlich dem Kerl ins Handgelenk.
>> Auaaa! <<, stöhnte er und ließ mich los.
Als ich mich umdrehte, sah ich Kevin und verschaffte mir gleichzeitig noch ein paar Kratzer ins Gesicht. Trotz Dunkelheit war es nicht besonders schwierig ihn zu erkennen, das Mondlicht ließ seine blonden Haare schimmern.>> Was machst du denn hier?! <<, brüllte ich ihm ins Gesicht und die Wut war in meiner Stimme deutlich zu hören.
Er zeigte null Gefühl und wich auch keinen Millimeter vor mir zurück. Stattdessen entgegnete er ganz lässig: >> Das Selbe wollte ich dich auch gerade fragen. <<
Ich hob die Augenbrauen. >> Du zuerst! <<. Ich beruhigte mich wieder ein wenig, da der Blick mit dem er mich bedachte eindeutig nach 'Bist du jetzt völlig durchgeknallt' aussah. >> Warum bist du weggelaufen alle suchen nach dir! <<
>> Das geht dich nichts an! <<
>> Ach ja? Wer hat damals die Lehrer gerufen, damit sie dich von diesem Baum holen? Wer hat den Anderen gesagt sie sollen dich in Ruhe lassen? Wer hat den Notarzt gerufen nach dem du von den Idioten zusammengeschlagen wurdest? Moi. <<
Er starrte mich völlig perplex an.
>> Habe ich nun die Wahrheit verdient? <<
Es herrschte eine Weile Stille, in der er mich die ganze Zeit über mit diesem ausdruckslosen Blick anglotzte (Ich schaute natürlich weg).Nach einiger Zeit kam ein leises 'Danke' aus seiner Richtung. Mehr sagte er nicht, stattdessen fing er an zu schluchzen.
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Im Reich der Toten
FantasiCopyright. All rights reserved. Der 14-jährige Kevin Keller wird an seiner Schule schwer gemobbt und hat schlimme Depressionen, die ihn dazu veranlassen waghalsige Dinge zu tun, jedoch nicht nur aus Spaß, um sich aus seinem grausamen Alltag zu befre...