Kapitel 23

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Gaston PoV.
Ungeduldig sass ich auf einer Bank und wartete auf Lillie. Hatte sie ihre Eltern vielleicht doch nicht überreden können?
Es war frustrierend.

Ich wollte gerade schauen, was für Zeit es war, als ich sah, wie Lillie herbeigeeilt kam. "Hey" sagte sie leise, ihr Blick harrte auf dem Boden. Ich wusste nicht, ob ich glücklich über ihr Erscheinen war, oder ob die Trauer, über ihren Anblick, doch noch grösser war.

"Hey Lillie. Bin ich froh, dass du hier bist" nuschelte ich kaum hörbar und stand von der Bank auf. Fest nahm ich sie in meine Arme und wollte sie am liebsten nie mehr loslassen. Ich hatte plötzlich das Gefühl, als ob alles in Ordnung wäre, obwohl ich natürlich wusste, dass eher das Gegenteil der Fall war.

"Das im Krankenhaus... es tut mir Leid. Ich weiss nicht was mit mir los war, irgendwie wurde mir einfach alles zu viel und ich..." fing sie mit weinerlicher Stimme an, doch ich unterbrach sie. "Lillie, dir muss das Ganze nicht Leid tun. Es ist einfach eine beschissene Situation. Vor allem für dich, immerhin kennst du sie schon deutlich länger und auch besser als wir" erklärte ich ihr und umklammerte sie dabei noch fester.

Sie traf keine Schuld und ich wollte nicht, dass sie sich einredete, dass sie irgendetwas falsch gemacht hatte. Ihre beste Freundin, seit Kindertagen, lag im Koma, da war ihre Reaktion verständlich.

"Danke, Gaston. Danke für wirklich alles" flüsterte sie in die Umarmung hinein und löste sich danach leicht von mir. Ich hielt sie immer noch fest, jedoch sahen wir uns jetzt in die Augen. Wir waren uns ganz nah.

Ihre grauen Augen sahen mich leidvoll, aber doch erleichtert an und ich hatte das Gefühl, als hätte die Welt gerade aufgehört sich zu drehen. Wow, ihre Augen waren wunderschön. Alles an ihr war wunderschön.

Meine Gedanken rasten wie wild und in meinem Kopf schien alles vernebelt zu sein. Ich wusste in diesem Moment nicht warum ich das tat, aber ich kam ihrem Gesicht immer Näher. Es waren nur noch wenige Millimeter zwischen uns und Lillie hatte ihre Augen schon geschlossen, als sie sie geschockt wieder aufriss und ihren Kopf energisch abwendete.

"Nein Gaston, nein, nein, nein" sagte sie schnell und befreite sich mit all ihrer Kraft aus meinem Griff. Bevor ich die Situation überhaupt realisierte, war sie auch schon weg.

Was war mit mir los? Warum hatte ich das getan? Hätte sie das Gaze nicht abgebrochen, hätte ich sie geküsst, aber warum? Ich liebte Nina und da war ich mir auch vollkommen sicher. Ein mieses Schuldgefühl breitete sich in mir aus. Ich hätte sie betrogen und das hatte sie definitiv nicht verdient.

Schwer atmete ich ein und aus und wusste nicht genau was ich jetzt tun sollte. Ich sollte es Nina erzählen, aber wie? Ihr ging es eh schon nicht gut und das würde sie jetzt vollkommen aus der Bahn werfen, aber sie hatte einfach ein Recht auf die Wahrheit.

Mit einem schlechten Gewissen machte ich mich auf den Weg. Aber nicht zu Nina, zu der ich eigentlich jetzt sollte, nein, ich lief ins Spital. Ich wusste nicht warum, aber ich hatte gerade den Drang mit Luna zureden, auch wenn dieses Gespräch mit höchster Wahrscheinlichkeit auf Einseitigkeit beruhte.


Als ich im Zimmer von meiner Cousine ankam, setzte ich mich auf den Rand des Bettes. Ich schaute das bleiche Mädchen vor mir genau an. Die letzten Wochen schossen mir durch den Kopf.

Die Verhaftung von Papa. Die Bewusstlosigkeit von Mama. Die leeren Blicke von meinem besten Freund. Das Koma von Luna. Nina und ihr schmerzerfüllter Blick. Lillies Zusammenbruch. Der Fastkuss und die schrecklichen Schuldgefühle.

Ich hätte sie geküsst....

"Ach Luna, wenn du nur wüsstest wie wir dich alle brauchen. Matteo ist nicht mehr der selbe wie früher. Er schlaft kaum noch und sein Lachen ist schon lange erloschen. Auch Nina geht es überhaupt nicht gut. Doch am schlimmsten hat es Lillie getroffen. Sie wird seit dem du im Koma liegst, immer dünner und vor ein paar Tagen hatte sie einen Zusammenbruch...
Ach scheisse, wir brauchen dich doch. Es hat sich alles verändert. Man merkt die bedrückte Stimmung in der Schule. Ich habe einen regelrechten Hass auf diesen Ort bekommen, weil ich jedes Mal merke, wie mitleidig ich angestarrt werde. Ich... ich krieg hier noch eine Kriese. Heute kam es sogar fast so weit, dass ich Nina betrogen hätte. Ich weiss nicht was mit mir los ist, seit du nicht mehr bei uns bist, aber ich bin vollkommen am Ende. Ich wollte es mir nicht eingestehen, ich wollte den Starken spielen, aber... ich krieg das nicht mehr hin. Mein Vater sitzt im Knast und du liegst hier im Komma. Meiner Mutter ging es noch nie so schlecht. Sie will sich vor mir nichts anmerken lassen, aber ich höre sie jede Nacht weinen. Es...". Meine Stimme brach ab und ich merkte, wie mir eine Träne die Wange runterlief.

Das alles wurde mir viel zu viel. Ich war an dem Punkt angekommen, an dem ich einfach nicht mehr konnte. Frustriert liess ich meinen Kopf in meine Hände fallen. Erschöpft schloss ich meine Augen.

Wann kam diese Wende, in der sich mein Leben so ins negative entwickelte? War es an dem Tag, als die Polizei meinen Vater abholte oder doch schon an dem Tag, als Luna bei uns einzog? Ich wusste es nicht. Ich wusste nicht wo mit meinem Leben hin.

Ich begann zu schluchzen, konnte es nicht mehr unterdrücken. Zum Teufel mit dem Vorurteil, dass Männer nicht weinen sollten.

Ich weinte einige Minuten, als ich plötzlich merkte, wie jemand meine Hand leicht drückte. Geschockt sah ich auf.




Nach Regen kommt Sonne! LutteoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt