0."Wiedergeburt eines Teufels"

17 2 0
                                    

"Bald ist es so weit", flüsterte die brüchige Stimme eines alten Mannes durch das Telefon. Die Angst konnte man ihm deutlich aus seinem mit Falten überzogenen Gesicht lesen, nur seine Stimme war bestimmt und entschlossen.
An der anderen Telefonleitung seufzte eine Frau mit grauen Haaren und trüben Augen und fasste sich an den Kopf. "Süßer...", antwortete sie erschöpft, doch brach ab, als sie keine Worte fand und sah sich in ihrer kleinen Wohnung hilfe suchend um. Ihre Augen schweiften durch den Raum und blieben kurz an einem Foto hängen, auf dem eine junge, attraktive Frau zu sehen war und ein strahlender Mann, seinen Arm hatte er um die Hüfte der Frau gelegt. Sofort wand sie sich jedoch wieder von diesem Bild ab.
"Hör mir zu",murmelte der Mann erregt und sah sich nach dem Wächter um, der ihn hinter der Tür bewachen sollte. Zu seiner Erleichterung schien dieser sich nicht sonderlich für ihr Gespräch zu interessieren, weshalb er etwas lauter fortsetzte, damit sie ja auch alles verstand." Sie haben mir gesagt, dass sie es sein wird, die mir zum Verhängnis wird. Und dieses Mal kann niemand es aufhalten!"
"Ach, Samar... Wann wirst du es endlich verstehen? Deine Stimmen bildest du dir nur ein", erklärte die Frau ihm sanft und setzte sich kopfschüttelnd auf das rote Sofa hinter ihr. Sie sank sofort im weichen Boden ein und lehnte sich an die Lehne mit ihrem Handy in der rechten Hand, am rechten Ohr."Soraya, ich weiß du glaubst mir nicht, aber bitte! Vertrau mir nur ein einziges Mal und lass mich nicht hängen, wie...", erwiederte die Stimme des Herren gestresst, wurde aber bis zum Ende hin immer leiser,bis sie schließlich keinen Ton mehr von sich gab, als hätte der Mann einen Kloß im Hals. Seine Augen wurden glasig und alte Erinnerungen kamen in ihm hoch, die er sofort versuchte auszublenden. Schnell blinzelte er die Tränen weg und wartete auf eine Antwort der Frau.
Doch statt ihm zu antworten blieb sie still und starrte auf einen Punkt in der Ferne, den nur sie sehen konnte. Die Uhr an der Wand ihr gegenüber tickte laut und zeigte ihr an, dass es bereits spät geworden war. Draußen war es Stockduster durch die dunklen Wolken, die den Mond verdeckten und baldigen Regen versprachen.
Tief holte Samar Luft in dem grauen Zimmer ohne Fenster und mit nur einer Tür, vor der sein Wächter auf ihn wartete, bevor er weitersprach:"Lass sie mich wenigstens sehen! Ich will dabei sein, wenn unsere Tochter ihr erstes Kind bekommt! Aber dafür musst du mich hier rausholen. Würdest du das für mich machen?"
Er fuhr sich durch seine grauen Haare und zog dabei seine Augenbrauen zusammen. Sein Herz raste, als er auf ihre Antwort wartete und machte einen kleinen Sprung, nachdem sie ihm erwidert hatte.
"...Aber... Na gut", gab sie schließlich nach und fasste sich an ihre verschwitzte Stirn. Unsicher biss sie sich auf die Lippe und überdachte nochmals ihre Worte, wobei ihr erst kurz danach auffiel, in was sie sich mit diesen zwei Worten eingelassen hatte. Schnell fügte sie hinzu:" Aber nur, wenn du nicht über deine Stimmen redest! Ich kann es einfach nicht mehr hören! Und wenn du unserer Tochter nur ein Haar krümmst, dann..."
Samar fing an zu strahlen und atmete erleichtert aus. Seine Finger, die sein Telefon hielten, zitterten, als er daran dachte seine Tochter nach 10 Jahren endlich wiederzusehen und bei der Geburt seiner Enkelin dabei sein zu können. "Danke!", hauchte er in das Telefon und legte auf.
Soraya schüttelte nur frustriert den Kopf und verkniff sich ein Stöhnen. Dann legte sie ihr Handy auf den Kaffeetisch vor sich und stand auf, um in ihr Zimmer schlafen zu gehen. Kurz blieb sie noch bei dem Bild mit der Frau und dem Mann stehen, das sie vorhin gesehen hatte und betrachtete es. Eine kleine Träne rollte ihr die Wange hinunter und tropfte auf den Boden. Ihr Atem rasselte und ihre Augen röteten sich leicht. Sie dachte an die guten Alten Zeiten und erinnerte sich nur zu gut an den Tag, an dem sie dieses Foto geschossen hatten, da es sein Geburtstag gewesen war. Kein Tag würde ihr wohl so in Erinnerung bleiben, wie dieser, der Tag, an dem sich alles änderte und sich ihr Leben zur Hölle verwandelte. Niedergeschlagen öffnete sie ihre Schlafzimmer Tür und verschwand in der Dunkelheit.

***

Es war der 02.04, ein Samstag, als ihre Wehen eintraten und ihre Blase platzte, die ihr Bett nässte. Qualvoll wurde sie aus ihrem fantasievollen Traum gerissen und mit Schmerzen überschüttet. Panik überkam die Frau, weshalb sie schnell ihren Mann, der neben ihr lag, weckte und ihm zu rief: " Sie kommt!"
Der zuerst verschlafene Mann war nun hellwach und riss erschrocken die Augen auf. "Aber die Ärzte haben doch gesagt, dass...", wollte er ihr widersprechen, als könnte er ihr nicht richtig glauben, wurde jedoch von ihrem Stöhnen unterbrochen. Sofort wurde ihm klar, dass er sie zum Krankenhaus fahren musste und ärgerte sich über seine dumme Antwort, hätte sich sogar selbst dafür Ohrfeigen können. Doch dafür war jetzt keine Zeit.
Mit rasenden Herzen sprang er aus ihrem Doppelbett und fand sich schon kurze Zeit später mit ihr im Auto wieder. Der Mann schwitzte und seine Hände zitterten am Lenkrad, während er Auto fuhr, wobei seine Frau neben ihm saß und bei jeder erneuten Wehe Schmerzhaft aufstöhnte. Ihr Körper bebte und sie fühlte sich, als würde sie gleich an ihren Wehen sterben. Krampfhaft versuchte die hochschwangere Frau sich an die Ratschläge ihres Arztes zu erinnern, der ihr schon oft erklärt hatte, was sie am besten tun könnte bei der Geburt, doch egal wie sehr sie sich anstrengte, sie konnte sich an kein einziges Wort mehr erinnern.
Zu ihrer Erleichterung lag das Krankenhaus jedoch in ihrer Nähe, weshalb sie schon bald Hand in Hand mit ihrem verwirrten Ehemann zum Eingang rennen konnte. Die kalte Nachtluft peitschte ihnen dabei ins Gesicht und wirbelte die Blätter um sie herum auf. Als sie aber im Eingang standen, blieb ihnen fast die Luft aus. Auch die Wehen waren bei diesem Anblick für einen Moment vergessen.
An der Rezeption stand ein alter Mann mit seiner Gattin und unterhielt sich gerade mit einer Krankenschwester in einem weißen Kittel.
Durch das Lächeln, dass er seiner Frau schenkte, bildeten sich Lachfalten in seinem Gesicht und ließen ihn ruhig und weiße wirken. Sein weißes Hemd strahlte vor Sauberkeit und seine grau-blauen Augen zeigten, dass er schon viel in dieser Welt gesehen hatte. Es dauerte keine Sekunde, da erblickte die Frau des Mannes, die ein schwarzes Kleid an hatte, ihre schwarzen Haare hoch zu einem Dutt gesteckt hatte und nahe an dem Mann stand, die zwei Personen im Eingang und schien sichtlich verblüfft.
Mit offenem Mund starrten sie sich gegenseitig an, bis der Frau wieder einfiel, als sie eine erneute Wehe spürte, wieso sie überhaupt hier waren.
Die Frau schrie peinvoll auf und presste die Zähne krampfhaft zusammen. Auch der ältere Herr, der mit der Krankenschwester geredet hatte, bemerkte sie und sein Gesicht verhärtete sich von einem herzhaften Grinsen zu einem stahlharten Poker Face. Während er zusah, wie sich seine Frau und der Ehemann der Schwangeren aus ihrer Starre lösten und der Frau mit dem qualvoll verzerrten Gesicht helfen wollten, liefen auch die Krankenschwestern herbei und brachten sie in ein anderes Zimmer. Langsam folgte er ihnen durch den Flur, der an der Rezeption rechts vorbei führte und erkannte gerade noch, wie die Horde der Menschen um eine Ecke herum verschwanden.
Mit schnellen und großen Schritten erreichte auch er das Ende und bog rechts um die Ecke. Gleich am Anfang hing ein breites, schwarzes Schild an der Decke mit einer weißen Aufschrift. 'Station für Schwangere', stand dort und vor ihm ragte ein langer Flur auf mit einer Menge Türen.
Er hörte eine Tür zuschlagen und das zuvor kaum überhörbare Stimmengewirr verstummte abrupt. Trotzdem lief er den Gang zielsicher entlang, ging an den weißen Wänden, die mit Bildern von Kindern verziert waren, vorbei und passierte mehrere Türen, bis er an die Nummer 13 kam, vor der er dann stehen blieb.
Leichte Verunsicherung machte sich in seinem Gesicht breit, als er seine zitternde Hand auf die Türklinke legte, und er schien zu überlegen, ob er eintreten sollte. Nun konnte er bereits die Stimmen aus dem Zimmer hören und auch den Aufschrei einer Frau. Er schien wohl das Richtige gefunden zu haben.
Der alte Herr kniff leicht die Augen zusammen, rieb sie sich und betrat dann mit einem gezwungenen Lächeln den gelben Raum, in dem das reinste Chaos wütete. Die schreiende Frau war auf eine Liege gebettet und von gleich vier Krankenschwester, ihrem Mann, der ihre Hand drückte und der älteren Dame, die ihr aufmunternde Worte zuredete, umgeben. Auch ein größerer Roboter stand daneben und versuchte Ihnen so gut es ging zu helfen, wobei ein weiterer Arzt hin und her lief, immer wieder andere Sachen in der Hand, um sich auf die Geburt eines Kindes vorzubereiten.
Es wurden nur kurze Befehle geteilt und kaum mehr als drei Worte gewechselt. Alle waren hoch angespannt und bekamen auch einen leichten Schweißausbruch bei dem Stöhnen der Frau, das immer lauter wurde. Sie waren alle so in ihrer Aufgabe vertieft, dass sie erst gar nicht mitbekamen, wie der Mann herein kam oder ihn zumindest nicht weiter beachteten. Zögernd lief er auf das Bett zu und versuchte dabei den aufgewühlten Angestellten so weit es ging auszuweichen. Sein Gesicht rötete sich leicht bei dem Anblick der jungen Frau und er überlegte, was er sagen könnte ohne schlecht rüber zu kommen. Als er bei ihnen ankam schluckte er und  öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen.
Doch gerade als er anfing zu krächzen: "Liyana, i...", wurde er von einem erneuten Ächzen der Entbehrenden unterbrochen. Der Herr war bereits neben die ältere Dame getreten und zuckte leicht bei dem Gejammer der Frau zusammen. "Wann hört dieser Schmerz denn endlich auf?!", kreischte sie, erwartete jedoch keine Antwort der Ärzte. Sie wand sich unter ihren Schmerzen und hörte den Beruhigenden Worten ihres Gatten dabei kaum zu. Auch die Frau neben dem älteren Mann sah nur hilflos zur Dame herunter und streichelte ihren Kopf mit ihren kleinen Händen. Für seine Worte schien sich niemand zu interessieren.
Plötzlich fühlte der Mann einen tiefen Schmerz in der Brust. Er verkrampfte sich sofort und fasste sich an die Stelle, um dort mit seinen Händen in seine Haut zu bohren. Voller Leid biss er seine Zähne zusammen und kniff seine grauen Augen zusammen, während er sich an der Bettkante mit dem linken Arm, den er nicht in sein Hemd bohrte, anlehnte. Sein Rücken krümmte sich unter den Schmerzen und man konnte sein Rückgrat unter seinem schwarzen Hemd hindurchsehen, was zeigte wie abgemagert er war. Ein leiser Laut verließ seinen Mund und lenkte die Aufmerksamkeit von ein paar Krankenschwestern auf ihn, die ihn sofort erstaunt betrachteten. Auch die Frau war erschrocken über sein plötzliches Verhalten und wandte sich von der schreienden Frau ab. Sie zog die Augenbrauen zusammen und legte eine Hand auf seinen Rücken, die sie jedoch, als sie seinen abgemagerten Körper fühlte, schnell wegzog. Der Herr rümpfte nur seine Nase und konnte kaum noch atmen. Dazu war er völlig gelähmt und konnte keinen Muskel mehr bewegen, da er fürchtete, wenn er es doch tun würde, würde er sich möglicherweise etwas brechen.
"Alles in Ordnung?", fragte die Dame hilflos und trat von einem Fuß auf den Anderen. Ihre blauen Augen zeigten deutlich, dass sie keine Ahnung hatte, was zu tun war. Auch eine dunkelhaarige Krankenschwester in einem weißen Kittel trat heran und wollte ihn berühren. Sie strecke ihre Hand nach seiner Schulter aus, doch er knurrte sie bedrohlich an und drohte mit zusammengebissenen Zähnen:"Fassen Sie mich ja nicht an!" Dabei drehte er seinen Kopf leicht zu ihr und funkelte sie mit seinen grauen Augen gefährlich an.
Die Krankenschwester riss die Augen auf, lies ihre Hand kurz in der Luft stehen und hob ihre Augenbrauen erstaunt. Man sah ihr ihre Unsicherheit an und konnte deutlich an ihren mandelbraunen Augen erkennen, dass sie überlegte, ob sie ihm gehorchen oder ihm, wie es ihr vorgeschrieben war, helfen sollte. Leicht öffnete sie ihren Mund und wollte ihm gerade widersprechen, als sie seinen feurigen Blick erfasste, der sie schaudern ließ. Schnell schlossen sich ihre Lippen wieder und ihre Hand zog sie wieder an ihren Körper zurück. Den Blick wandte sie ab und kaute dabei verunsichert auf ihrer Unterlippe herum, weshalb sie schon bald roten Lippenstift an ihren Zähnen hatte.
Der aufgebrachte Mann wendete sich wieder ab, kniff die Augen zusammen und versuchte den erneuten Schmerz zu bekämpfen, genau wie die Schwangere im Bett, die kaum etwas von dem, was um sie herum passierte, mitbekam. Bald aber verschwand der heftige Pein bei ihm und er konnte wieder anfangen richtig zu Atem. Stark nach Luft schnappend stellte er sich wieder langsam auf und lockerte seine verkrampfte Hand, ließ sie aber noch an seiner Brust ruhen. Nach kurzem Zögern öffnete er seine Augen wieder und konnte sich letztlich auch von der Bettkante lösen. Seine Frau beäugte ihn sorgenvoll und suchte nach passenden Worten, die sie jedoch nicht fand. Immer wieder öffneten sich ihre Mundwinkel, doch als sie etwas sagen wollte brach ihre Stimme ab oder es kam gar kein Ton heraus. Ihr Ehemann schüttelte nur den Kopf und lächelte sie halbherzig an, als seine alles in Ordnung mit ihm. Während sie noch in seinem Gesicht nach wahren Hinweisen auf seinen Gesundheitszustand Ausschau hielt, schrie die nun erschöpfte Schwangere Frau wieder und riss all Aufmerksamkeit auf sich. Ihre Hände krallte diese dabei in den Arm ihres Mannes, der mit schmerzverzerrtem Gesicht dastand und kaum glauben konnte, dass seine Frau so stark war.
Der grauhaarige Mann stellte sich wieder, gegenüber von dem jungen Herren, an die Bettkante und verdrängte somit seine Frau, die ihm zuliebe, wenn auch leicht mürrisch, doch immer noch besorgt um ihn, zur Seite trat. Er beugte sich über das Liegebett und streichelte mit zitternden Händen über den Kopf der Kreischenden. Leise flüsterte er:" Wie lange ich dich doch nicht mehr gesehen habe...", ein Lächeln zierte seine Lippen. Die Frau blickte ihm kurz in die Augen und ballte ihre Hände dabei wegen dem Schmerz zu Fäusten. Ihre grünen Augen zeigten ihm deutlich unter welchen Schmerzen sie lag. " Und das nur wegen diesen Stimmen. Wegen ihnen habe ich die Vatertage verpasst und zu deinen Geburtstagen konnte ich auch nicht kommen"
Seine Stimme wurde heißer und brach schließlich. Eine einsame Träne verließ seine Augen und kullerte ihm über die Wange, hinunter zum Kinn und tropfte letztlich auf den Kopf der Dame, die ihm versuchte trotz des Schmerzes zuzuhören. Sie fing an zu Wimmern, als sie den nächsten Schrei unterdrückte und blickte mit glasigen, kummervollen Augen zu ihm hoch. Die Ärzte um sie herum, sowie der Ehemann der Schwangeren und die Ehefrau des Mannes waren wie vergessen. Der Mann schloss kurz die Augen und ließ alte Erinnerungen hochkommen, bevor er sich sammelte, tief Luft holte und weiter erzählte. " Ich weiß noch genau, wie traurig du warst, als ich an deinem 9. Geburtstag nicht da war und du so getan hattest, als wenn es dir nichts ausmachen würde! Doch ich wusste, dass es dich zutiefst getroffen hat. Schon dein Gesicht hat dich verraten. Wenn...", weiter kam er nicht, da er von ihrem Stöhnen unterbrochen wurde. Tränen strömten der Frau wie Wasserfälle aus den Augenwinkeln und nässten ihre Kleidung. Doch ob es von den Wehen oder von den Worten des Mannes kamen, konnte man nicht genau sagen. Plötzlich fasste die Ehefrau des Alten seine Schulter und murmelte leicht gerührt in sein Ohr:" Ich störe dich ja nur ungern, aber...Die Ärztin hat gesagt wir sollen draußen warten, ansonsten..."
" Nein!", erwiderte er erschrocken und starrte sie mit großen Augen an. "Ich will bei ihr bleiben!!! Sie ist meine Tochter!"
"Ich weiß, doch sie liegt gerade in ihren Wehen! Ein Emotionales Gespräch mit dir kann sie dabei glaube ich kaum ertragen", erklärte sie ihm ruhig und sah ihm dabei durchgehend, intensiv in seine schreckgeweiteten Augen. Ihre Hände lagen auf seinen Schultern und zwangen ihn somit zu ihr zu sehen und sie ernst zu nehmen.
Etwas verloren sah er sich nach seiner Tochter um und betrachtete sie, wie sie wieder ihre Augen geschlossen hatte und ihren Kugelrunden Bauch umfasste. Ihre Fingernägel krallte sie noch tiefer in die Haut des Ehemannes und brachte die Stellen fast schon zum Bluten.
Der Herr zog verzweifelt die Augenbrauen zusammen und suchte nach einem Gegenargument, dass seine Frau und auch die Krankenschwestern umstimmen würde. Doch zu seinem Bedauern viel ihm nichts ein und nach einer Minute, in der er ihr durchgehen in die Augen blickte, ließ er schließlich seinen Kopf hängen und hab auf. Erleichtert seufzte die Frau und lockerte ihre Hände. Kurz schloss sie ihre Augen, dankte ihm insgeheim dafür, dass sie nicht mit ihm streiten müsste und blickte dann wieder auf, nun liebevoll, mit einem warmen Lächeln. "Aber...", konterte der ältere Herr," dafür will ich jetzt noch 10 Minuten mit ihr!"
Die Frau stöhnte, genau im selben Moment, wie die schwangere Frau und überlegte kurz, ob sie darauf eingehen sollte. "Nein", antwortete sie bestimmt, führte ihren Satz jedoch fort bevor sie ihr Mann unterbrechen konnte," keine 10 Minuten. Das ist zu lange! Rede kurz mit ihr, das Wichtigste eben. Den Rest kannst du nach der Geburt besprechen"
Der Ehemann schluckte schwer und brauchte eine kleine Weile, bis er wieder zu Wort kam. Für einen kurzen Moment sah es dabei so aus, als würde er weinen, doch keine zwei Sekunden später war es verschwunden und er nickte langsam.
Eine graue Haarsträhne hing ihm in sein verschwitztes Gesicht, weshalb er sich durch die Haare fuhr, damit sie ihn nicht mehr nerven konnte. Langsam drehte er sich wieder um zu seiner schreienden Tochter und betrachtete sie kurz mit glasigen Augen, wie sie dalag und ihren Mann fast zum Bluten brachte, dabei versuchte ihr Kind herauszupressen. Die Mundwinkel des Herren hoben sich leicht, als er sie so betrachtete und blendete dabei seine Frau aus, die hinter ihm etwas zu ihm sagte.
Er bückte sich wieder leicht über sie und fing an zu reden.
"Liyana, bitte hör mir so gut es geht zu", setzte er an und brachte sie somit dazu ihn kurz anzusehen und ihm somit verständlich zu machen, dass sie es versuchen würde." Ich liebe dich, dass weißt du! Und dein Kind natürlich auch. Aber ich muss dir leider sagen, dass dir und deinem Kind schwere Zeiten bevorstehen. Mag sein, dass es nicht gleich am Anfang passieren wird, doch du wirst sehen. Wenn es so weit ist, dann glaube deinem Kind, ja? Es würde dich nie anlügen, selbst wenn es noch so unglaubwürdig scheint. Und bitte, verteidige es mit deinem Leben" Er zitterte bei den Worten am ganzen Körper und Tränen rannen ihm über sein Gesicht. Die Krankenschwestern und Ärzte um ihn herum stöhnten ihn nicht, schämen tat er sich erst recht nicht. Etwas verwirrt blickte Liyana ihn an, wurde aber sogleich von einer Wehe aus den Gedanken gerissen. Schwer atmend ließ sie den Arm ihres Mannes los und presste ihre Hände auf ihren runden Bauch. Nun stöhnte sie bei jedem Atemzug und war unfassbaren Schmerzen ausgesetzt, die sie völlig erschöpften. Liyana spürte, dass die Geburt ihres Kindes bald bevorstand.
"Bevor ich...", sprudelte ihr Vater schon los, als er plötzlich wieder diesen Schmerz in seiner Brust fühlte. Diesmal unterdrückte er ihn aber, nachdem er zusammengezuckt war und sich an der Bettkante abgelehnt hatte. Seine Frau sah ihn leicht besorgt an, ließ ihn aber weiter reden und redete sich ein, dass das von seinem hohen Alter käme.
"Elora", wisperte er schließlich nach mehreren Anläufen und lächelte sie schwach an, "So soll sie heißen. Das ist mein letzter Wunsch, denn genau wie ich ist sie anders"
Dann wurde er von einer Krankenschwester hinausgeführt, zusammen mit seiner Frau. Der Name und letzte Wunsch blieben Liyana aber in Erinnerung. Doch was er mit 'letzter Wunsch' gemeint hatte, konnte sie sich, mitunter weil sie gerade unter schrecklichem Pein lag, nicht erklären.
Sie müsste ihn wohl später fragen.

Death WhisperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt