Freitagabend stehe ich im Bad vor dem Spiegel, um mich für die Gala endgültig fertigzumachen. Auf Jims Wunsch hin bringt Seb mich hin, damit ich nicht mit dem Bus fahren, oder sogar zu Fuß gehen muss. Er selbst muss noch arbeiten und hat deshalb keine Zeit mich zu fahren. Ist wahrscheinlich auch besser so, dann trifft er wenigstens nicht nochmal auf Wulf.
Ich bin gerade in das silbern schimmernde Kleid geschlüpft, als es an der Tür klopft.
"Brauchst du Hilfe?", erkundigt sich Jim durch das Holz und ich runzele die Stirn.
"Sag mal, kannst du durch die Tür gucken?", antworte ich während ich versuche, den Reißverschluss an meinem Rücken zu schließen.
"Also brauchst du Hilfe."
Damit kommt Jim ins Bad und zu mir.
"Lass mich das machen", sagt er sanft, dann spüre ich seine warmen Hände an meinem Rücken. Über den Spiegel hinweg beobachte ich wie er den Reißverschluss meines Kleides nach oben zieht, und dabei mit seinen Fingern sacht über meine Haut streicht. Für einen Moment genieße ich diese zärtliche Berührung, doch dann ist Jim fertig und legt mir beide Hände auf die Schultern.
"Eine Schande dass ich nicht mitkommen kann", meint er und schaut mich über den Spiegel an.
"Absolut. Aber du hast mir ja letzte Nacht klar gemacht was hier auf mich wartet wenn ich wiederkomme", erwidere ich lächelnd und Jim grinst. Seine Hände streichen über meine Arme nach unten, dann schlingt er beide Arme um meine Taille.
"Das habe ich wohl", wispert er an meinem Ohr.
"Jim, ich muss jetzt leider gehen", bemerke ich nach einer Weile und mein Mann lässt mich widerstrebend los. Ich drehe mich zu ihm um und gebe ihm einen Kuss auf die Lippen.
"Ich liebe dich."
"Ich dich auch, Honey. Du siehst übrigens wunderschön in dem Kleid aus."
Verlegen senke ich den Blick.
"Danke."
Jim bringt mich noch zur Haustür, hilft mir meinen Mantel anzuziehen und küsst mich zum Abschied.
"Bleib bitte nicht allzu lange."
"Keine Sorge, ich bleibe nur so lange, wie es von mir erwartet wird."
"Sehr gut, dann dir noch viel Spaß."
"Ich werd's versuchen."
Mit einem letzten Blick auf Jim verlasse ich das Haus und gehe die Einfahrt hinunter zu Sebs Wagen, vor dem der Sniper bereits wartet. Er nickt Jim zu, dann tritt er auf Seite um mir die Wagentür mit einem Grinsen zu öffnen.
"Wenn ich bitten darf."
"Dir auch Hallo, Seb", antworte ich lachend, setze mich aber auf den Beifahrersitz. Der Blonde schließt ebenfalls lachend die Autotür hinter mir, geht um den Wagen herum und steigt auf der anderen Seite ein.
"Hi. Wir beide haben uns ja länger nicht mehr gesehen."
"Das stimmt, aber was soll man machen. Niemand hat mir gesagt wie viel Zeit man für einen Vater braucht", meine ich und Seb startet nickend den Motor.
"Jim hat mir von deinem Vater Sam erzählt, war ja ne ziemliche Überraschung für dich."
"Das kann man wohl sagen."
Nun fährt Seb los und wir unterhalten uns auf dem Weg zum Maritim Hotel noch ein wenig.
"Wie kommst du eigentlich wieder nach Hause?", erkundigt Seb sich, als er gerade auf den Parkplatz des Hotels fährt, wo schon viele teuer aussehende Autos parken.
"Ähm, ich glaube Jim hatte so etwas erwähnt wie, dass er mich abholt wenn ich mich melde oder so."
"Aha. Naja, falls irgendwas schiefgeht, kannst du mich natürlich auch anrufen, ich komm dich dann holen."
"Danke Seb."
Ich winke ihm noch einmal zu, steige aus und schließe die Autotür wieder. Seb wartet noch bis ich in Richtung Haupteingang verschwunden bin, dann erst höre ich sein Auto vom Parkplatz fahren.
Am Eingang des Gebäudes wartet zu meiner großen Überraschung mein Chef, Mister Wulf, auf mich. Er trägt einen klassischen, schwarzen Smoking mit Fliege, und obwohl das hier eine öffentliche Veranstaltung ist, zieht er ein missmutiges Gesicht.
"Da sind Sie ja", begrüßt er mich recht unfreundlich, doch ich setze ein Lächeln auf.
"Ihnen auch einen schönen Abend."
Mit diesen Worten betrete ich vor ihm durch die Drehtür das hell erleuchtete Hotel. In der Eingangshalle halten sich ein paar Menschen auf, vorwiegend Pagen und Bedienstete. Aber auch Gäste, zum Beispiel ein älteres Paar, welches gerade ihre Mäntel an der Garderobe abgibt. Da kommt ein ordentlich und aufmerksam wirkender Page direkt auf uns zu.
"Schönen guten Abend, und herzlich willkommen im Maritim Hotel London!", begrüßt er uns höflich lächelnd.
"Guten Abend", antwortet Wulf ohne irgendwie eine freundlichere Miene zu machen. Der arme Page.
"Möchten Sie ihren Mantel abgeben, Miss?", wendet sich dieser nun an mich und ich lächle ihn an.
"Ja, sehr gerne."
"Dann möchte ich Sie bitten, sich dort hinüber zu begeben, man wird sich sogleich um ihre Garderobe kümmern."
"Vielen Dank."
Mister Wulf wartet auf mich während ich meinen Mantel abgebe, dann erst gehen wir beide auf die zwei Männer zu, die anscheinend für die Gästeliste verantwortlich sind.
"Theodor Wulf?", fragt der Rechte und mein Chef nickt. Ich wusste nicht mal dass er Theodor heißt.
"Der bin ich."
"Mit Begleitung?"
"Meine Sekretärin."
Ich lächle die beiden Herren höflich an, da werden wir anscheinend abgehakt und dürfen weitergehen. Wulf nimmt kaum Notiz von mir, sodass ich eigentlich keine Ahnung habe, was ich hier denn soll. Hübsch aussehen hatte er mal gesagt...
In dem Saal vor uns herrscht eine gedämpfte Atmosphäre, das Klirren von Gläsern, Stimmen und leise Musik dringt an mein Ohr. An der linken Seite wurde ein langer Buffettisch aufgebaut, auf der anderen Seite stehen Tische und Stühle. Andererseits gibt es auch Stehtische, an denen sich bereits kleine Gruppen versammelt haben. Männer in Anzügen, keiner auch nur annähernd so schick und elegant wie Jim, stehen mit Frauen in verschiedenen Kleidern herum und unterhalten sich. Mal sind die Damen am Gespräch beteiligt, mal nicht.
"Sir", spreche ich meinen Chef an, der sich nur halb zu mir dreht.
"Warum genau bin ich hier?"
"Hübsch aussehen", lautet die knappe Antwort, dann wendet er sich abrupt ab. Soll ich das als Kompliment oder als Beleidigung ansehen? Jedenfalls, was auch immer diese Antwort sein soll, geholfen hat sie mir nicht. Wulf geht nun zu einem der Tische und beginnt ein Gespräch mit einem wichtig aussehenden Herren, sodass ich alleine zurückbleibe. Ich habe ja nicht erwartet dass er sich um mich kümmert, aber wenigstens ein bisschen Gesellschaft wäre angebracht.
Da er mich nicht zu brauchen scheint, worüber ich ganz froh bin, schlendere ich ein wenig alleine durch den Saal, um mir die verschiedenen Gäste anzuschauen. Die Leute hier sind ganz anders als die, die ich auf der letzten Gala mit Jim gesehen habe. Die wirken viel... langweiliger.
Natürlich ist dieser Saal nicht der einzige, in dem diese Gala stattfindet, es gibt noch vier weitere. In einem befindet sich ein winziges Orchester, welches die Musik spielt, im nächsten sitzen alte Herren an Tischen und unterhalten sich. Da Frauen in diesem, und auch im nächsten Raum nicht zu sehen sind, gehe ich schnell weiter zu einem Saal, in dem man anscheinend unterhalten werden kann, denn es gibt eine kleine Bühne. Momentan ist diese jedoch leer.
Nachdem ich einmal rum bin, gehe ich zum Buffet, denn so langsam bekomme ich Hunger. Neugierig lasse ich den Blick über die aufgetischten Speisen schweifen, von denen ich kaum eine kenne. Oder ich kenne alle, aber sie sehen so aus, als wären sie etwas vollkommen anderes.
Nach einer Weile kommt ein Kellner mit einem Tablett vorbei, und bietet mir ein Glas perlenden Champagner an, welches ich dankend annehme. Vielleicht wird die ganze Sache dadurch lustiger.
Während ich an meinem Champagner nippe, schaue ich hinüber zu Mister Wulf, doch dieser ist nirgends zu sehen. Wahrscheinlich sitzt er zusammen mit irgendwelchen Leuten an einem der Tische in dem Raum ohne Frauen.
Nach meinem ersten Glas Champagner hebt sich meine Stimmung soweit, dass ich ein zweites Glas nehme als ein Kellner an mir vorbeiläuft. Ich muss Jim unbedingt dazu überreden, eine Flasche dieses Getränks zu kaufen, denn es ist echt gut.
Als mein Glas schon wieder zur Hälfte geleert ist, bemerke ich plötzlich eine mir bekannt vorkommende Person. Doch durch den Alkohol und die Tatsache, dass ich zuvor nichts gegessen habe, fällt es mir im erste Moment schwer, dem Mann einen Namen zuzuordnen. Eine hagere Gestalt, mit Brille und grauen, tot wirkenden Augen, sowie kaum Haaren auf dem Kopf. Hinter ihm stehen zwei schweigsam aussehende Männer, wie zu seinem Schutz.
Gerade rätsele ich, ob der Name des Mannes tatsächlich etwas mit einem Jahresmonat zu tun haben könnte, da bemerkt mich dieser und kommt mit langsamen Schritten auf mich zu. Bevor er mich begrüßen kann, fällt mir siedendheiß ein, um wen es sich hierbei handelt, und auch dass ich ihn nicht wirklich leiden kann.
"Melody, welch eine Freude Sie hier zu sehen."
Die ausdruckslose Stimme verrät, dass er sich weder freut, noch etwas anderes fühlt.
"Mister Magnussen", antworte ich mit leicht belegter Zunge, was zum Glück aber nicht zu hören ist. Ich hätte wirklich vorher was essen sollen.
"Es freut mich auch Sie wiederzutreffen."
"Nennen Sie mich Charles, wir sind doch hier unter Freunden."
Nein, sind wir definitiv nicht.
"Ähm, natürlich... Charles."
Ich lächle unsicher, inständig hoffend, dass dieses Gespräch nur von kurzer Dauer sein wird. Nun verzieht Magnussen seinen Mund zu einem feinen Lächeln, welches seine Augen nicht erreicht. Die Art wie er mich ansieht, lässt mir einen kalten Schauer den Rücken hinunter jagen.
"Also Melody, was machen Sie hier?"
Keine Ahnung, das wüsste ich auch gerne.
"Ich bin beruflich hier, mit meinem Chef", antworte ich vage, und Magnussen nickt, so als hätte er das bereits gewusst.
"Nun ja, nach der letzten Gala wird Ihnen diese hier gewiss mehr Spaß machen."
Augenblicklich erinnere ich mich an die letzte Gala, die, die am Ende für einige tödlich geendet hat und auf der ich Magnussen das erste Mal getroffen habe.
"Das hoffe ich sehr. Aber was machen Sie hier?", frage ich nun nach, unsicher, ob es klug ist ihn das zu fragen.
"Da Sie keine Zeitung lesen, ist es Ihnen natürlich nicht bekannt dass ich als Herausgeber einer Zeitung hier vertreten bin", antwortet Magnussen mir. Unwillkürlich spanne ich mich an. Woher weiß er, dass ich keine Zeitung lese?
Schon wieder erscheint dieses feine Lächeln auf seinen dünnen Lippen. Es macht ihm Spaß Leute zu verängstigen.
"Aber nun müssen Sie mich entschuldigen, war nett mit Ihnen zu plaudern."
Mit diesen Worten verschwinden er und seine Bodyguards in Richtung nächster Saal. Vollkommen regungslos bleibe ich stehen, bis ich schließlich mein Glas in einem Zug austrinke. Dieser Mann macht mich nervös, und zwar auf eine unangenehme Art und Weise.
Ich umklammere mein Glas fester bei dem Versuch, das Zittern meiner Hände zu verbergen, dann wende ich mich dem Buffet zu. Erstmal etwas gegen den Hunger tun.~×~×~×
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Moriarty In Love - The Game
ФанфикFortsetzung von "Moriarty In Love": "Es wird alles gut, Honey. Vertrau mir." "Das würde ich gerne Jim." Melody und Jim haben schon viel gemeinsam, und auch alleine, überstanden. Doch nun kommen neue Schwierigkeiten auf sie zu, und das nicht nur in i...