Kapitel 48

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Pias Sicht:
Pia wusste besser als jeder andere, dass Vera kein gewöhnliches Mädchen war. Zum Einen, hatte Vera den Fluch umgangen und zum Anderen hatte sie Wahrträume oder Visionen. All ihre Beobachtungen hatten bewahrheitet, dass Vera besonders war. Ihre Aura, war nicht die eines Menschen, sondern anders, irgendwie spezieller und mächtiger.
   Sie flog über den Wolken, sodass menschliche Augen nichts erkennen konnten und wenn doch, würden sie denken, Pia sei ein Flugzeug.
   Das Gefühl der Freiheit, dass Pia immer ergriff, wenn sie flog, nahm auch diesmal Besitz von ihr.
   Sie war auf dem Weg zu Veras Elternhaus. Veras Aura war hier überall zu spüren, obwohl sie abwesend war.
   Vorsichtig landete sie in dem Wald, hinterm Haus und beobachtete. Es schien verlassen zu sein.
   Leise lief sie zur gekippten Balkontür. Vorsichtig steckte sie ihre Hand durch den Schlitz und öffnete die andere Tür. Mit einem Klicken sprang sie auf und Pia trat ein.
   Das Haus hatte einen modernen Stil, wirkte allerdings kalt und weniger heimisch. Nirgends standen Fotos, was darauf hinweisen würde, dass hier jemand lebte.
   Pia schlich zum Wohnzimmerschrank und suchte nach Unterlagen. Vielleicht gab es Aufzeichnungen oder Hinweise, die Pias Vermutung, dass Vera etwas besonderes war, belegen konnten. Doch sie fand nichts.
   Vorsichtig flog sie die Treppe hinauf und landete am Absatz. Mehrere Türen waren vor ihr und auf einer stand mit dicken Blockbuchstaben: Veras Reich. Sie spazierte hinein.
   Dieses Zimmer wirkte weniger kalt und unfreundlich, aber auch hier konnte sie keine Wärme spüren. Lila Ornamente und Fotos zierten die Wände. Auf den meisten Bildern, war Vera allein abgelichtet, aber auf einem war Vera und zwei Mädchen, die freundlich in die Kamera lachten. Irgendetwas an diesem Bild störte Pia. Da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Vera hatte schwarze Haare, dunkel geschminkte Augen und knallroten Lippenstift aufgetragen. Sie sah hübsch aus, auch wenn Veras natürlicher Style eindeutig besser war.
   Nun begann Pias unendliche Suche. Sie öffnete einen Schrank, indem verschiedene Aktenordner gestapelt waren. Sie zog einen, mit der Aufschrift: Krankheitsbild, heraus und öffnete ihn. Verschiedene Dokumente waren hintereinander abgeheftet und Pia zog willkürlich ein Dokument heraus.

Kinder und Jungendpsychologe Christian Drey

Sehr geehrte Familienangehörige,
ich habe ihre Tochter Vera Proi untersucht und wollte ihnen mitteilen, dass sie keinerlei gestörte Verhaltensmuster aufweist. Ich konnte allerdings feststellen, dass sie ein gutes Gespür für Unerklärliches hat. Ihre Tochter hat eine sehr ausgeprägte Fantasie. Der Realitätsbezug ihrer Tochter ist allerdings nicht bedroht. Die von Ihnen erwähnten, eigenartigen Träume verursachen keinerlei Schäden.
Mit freundlichem Gruß
Christian Drey

Vera war beim Psychologen? Sie blätterte weiter in dem Ordner herum und noch mehr Dokumente, von verschiedenen Psychologen, kamen zum Vorschein. Das Älteste war von 2001. Sie hatten Vera, über Jahrzehnte zu verschiedenen Psychologen geschickt, aber wieso? Nur wegen der Fantasie?
   Sie griff nach dem nächsten Ordner. Geburtsurkunde, Identifikationsnummer und anderes unbedeutendes Zeug, aber die Taufurkunde fehlte. Vera war nicht getauft?
   Das ganze Zimmer hatte sie durchsucht, aber nichts auffälliges gefunden.
Sie trat aus dem Zimmer und lief zu einer schmalen Treppe, die in den Dachstuhl führte. Langsam erklomm sie die knarrenden Stufen.
   Eine dicke Staubschicht bedeckte den gesamten Boden und die Kisten, die überall herum standen. Sie öffnete die erste Kiste und Staub wirbelte auf. Pia nieste und rieb sich die Nase. Verdammter Staub! In den Kisten lagen lauter Fotos, die für Pias Suche unbedeutend waren.
   Plötzlich hörte sie Stimmen und erstarrte. Veras Eltern waren zurückgekehrt.
   ''Du hast schon wieder vergessen die Balkontür zu schließen!'' rief eine Frauenstimme. Amüsiert grinsend, schüttelte sie den Kopf. Typisch Eheleute, dachte Pia und suchte weiter.
   Die nächste Kiste, war wesentlich interessanter. Lauter Zeichnungen lagen ordentlich gestapelt übereinander. Vera hatte überall ihren Namen drauf gekritzelt. Unwillkürlich lächelte Pia. Sie wollte die Kiste gerade beiseite schieben, als ihr ein Bild auffiel, dass Vera gemalt hatte.
   Auf dem Bild war eine rothaarige, ganz in weiß gekleidete Frau. Sie hatte schwarze Engelsflügel. Schwarze Engelsflügel gab es nicht, außer ein Dämon steckte in dieser Frau, dachte Pia. Sie musterte das Bild und erkannte die Augen. Zur Hälfte blau und zur Hälfte schwarz. Geschockt blieb Pias Mund offen stehen. Es war Baalissa, die Älteste.
   Schnell faltete sie das Bild und steckte es in ihre Tasche. Neugierig geworden kramte sie in der Kiste herum und fand weitere Bilder von Baalissa. Auf den meisten war das Höllenfeuer und die Älteste abgebildet. All diese Zeichnung steckte sie in ihre Jackentasche. Später würde sie sich die Bilder genauer ansehen, versprach sie sich.
   Die nächsten Kisten waren uninteressant und Pia wollte gerade die Treppe hinab steigen, als ihr einfiel, dass Veras Eltern zuhause waren.
   Genervt setzte sie sich auf eine Kiste und überlegte, was sie tun sollte. Ihr Blick streifte das kleine Dachfenster. Leise lief sie darauf zu, in der Hoffnung, dass es sich öffnen ließ. Quietschend und knarrend öffnete sich das Fenster und sie quetschte sich durch die Luke. Als sie auf dem Dach stand, öffnete sie ihre Flügel, stieß sich kräftig ab und flog los.

Vom Engel geküsst Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt