Kapitel 50

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Wenige Stunden später, stand Vera mit Lea und Kevin auf einem Berg.
  ''Ich kann dir nur zeigen, wie du deine Gedanken verbirgst'' erklärte Lea. ''Schließ die Augen'' Vera folgte ihrer Aufforderung. ''Stell dir eine Mauer vor, die sich langsam um deinen Geist legt. Je dicker die Mauer ist, umso stärker ist sie'' sagte Lea. Angestrengt stellte Vera sich eine Mauer vor, automatisch legte sie sich um ihre Gedanken. Sie war dünn und hatte einige Risse, aber Vera hatte es geschafft.
   ''Gut so. Ich versuche jetzt deine Gedanken zu lesen. Kämpf gegen mich an'' sagte Lea seelenruhig. Vera stellte sich die Mauer stärker vor und die Risse verschwanden.
   Plötzlich bekam sie tierische Kopfschmerzen und keuchte auf. Ihre Konzentration schwand und sie versuchte krampfhaft gegen die Schmerzen anzukämpfen. Die Mauer brach zusammen.
   ''Mach die Augen auf'' sagte Lea. Vorsichtig öffnete sie ihre Augen und begann zu schwanken. Alles verschwamm und sie spürte, warme kräftige Arme die sie auffingen.
   Kevin hielt sie aufrecht, doch in seinem Gesicht war keinerlei Regung zu sehen. Allmählich kam ihre Sehkraft zurück und sie richtete sich auf.
   ''Nochmal'' sagte Vera und schloss ihre Augen. Wieder manifestierte sich eine Mauer, allerdings war diese dicker und größer. Auch diesmal bekam sie Kopfschmerzen, doch sie schaffte es Alles auszublenden und konzentrierte sich auf die Mauer.
   ''Mach die Augen auf!'' befahl Kevin und schüttelte sie heftig. ''Du darfst die Kontrolle über dich selbst nicht verlieren'' sagte er sanfter und strich ihr über die Wange. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Atmung ausgesetzt hatte und sie schnappte keuchend nach Luft.
   ''Mit etwas Übung, solltest du es können'' sagte Lea lächelnd. ''Um Personen herein zu lassen, musst du dir nur ein winziges Loch vorstellen und sie können in deinen Kopf.''
   Ohne ein weiteres Wort, rannte Lea los und ließ sie mit Kevin zurück. 
   Seit Tagen hatten sie kaum miteinander geredet. Der Drang ihn zu umarmen und mit ihm zu reden drohte Vera zu übermannen.
   ''Komm, ich bring dich runter'' sagte Kevin und reichte ihr die Hand. Vera schüttelte den Kopf und sah zu Boden. Sie brauchte jemanden zum Reden.
   ''Kevin?'' flüsterte sie und spürte, dass er auf sie zu kam. ''Ja?'' Sie kämpfte mit den Tränen und ihre Kehle schnürte sich zu. Sie musste schlucken, um etwas sagen zu können.
   ''Ich hab Angst'' hauchte sie. Leise flossen ihr Tränen über die Wangen. Sie hatte Angst, alle zu verlieren. ''Wovor?'' fragte er. ''Vor der Zukunft. Ich will nicht, dass Jemandem etwas passiert'' gestand Vera. Mühevoll richtete sie sich auf und sah zu ihm auf. ''Das dir etwas passiert'' ergänzte sie. Zärtlich strich er ihr die Tränen von den Wangen. ''Wieso?'' fragte er leise. ''Weil...'' sie sah weg, ''weil du mir sehr viel bedeutest.'' Seine Mundwinkel hoben sich und ein leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen.
   ''Wie viel?'' fragte er und verringerte den Abstand zwischen ihnen. Seine Nähe machte sie nervös, zwar nicht so nervös, wie Aarons, aber er machte sie nervös. ''Das weißt du'' flüsterte sie. ''Ja, ich kann es spüren und auch Aaron hat es gespürt'' sagte er leise.
   Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Wieso macht mich seine Nähe nervös?
   ''Du fühlst dich schuldig'' bemerkte er, ''aber es ist nicht deine Schuld.'' Eine Stimme in ihr schrie: Hau ab! Verschwinde von ihm! Doch eine andere Stimme sagte: Lass dich umarmen. Er ist dein bester Freund.
   Behutsam legte er seine Hände auf ihr Taille. Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe herum und wollte zurücktreten. ''Ich werde dich nicht küssen, nicht wenn du es nicht willst'' sagte er.
   Plötzlich wurde sie von den Füßen gerissen und flog steil hinauf. Kevins Flügel, hatten sich blitzschnell ausgebreitet. ''Schon mal auf einer Wolke gesessen?'' grinste er. Ist das sein ernst? SO leicht lenkt er vom Thema ab? Er flog zu einer Wolke.
   ''Das geht doch gar nicht. Wir werden herunterfallen'' quiekte Vera. Er lachte und ließ sie fallen.
   Vera fiel, doch ihr Sturz wurde von etwas Weichem gebremst. Vera drehte sich um und erkannte, dass sie auf einer riesigen Wolke stand, direkt neben Kevin, der seine Flügel einklappte. Kevin ließ sich auf der Wolke nieder und zog Vera auf seinen Schoß. Sie fühlte sich sicherer, denn die Wolke war ihr nicht ganz geheuer.
   Kevin spielte mit der Wolke, riss kleine Fetzen heraus und warf sie fort.
''Warum sitze ich auf deinem Schoß?'' fragte Vera und wand sich ihm zu. ''Weil ich es mag'' grinste er. Vorsichtig rutschte sie von seinem Schoß und landete weich. Die Wolke fühlte sich wie ein Kissen an.
   Er legte sich entspannt hin, kreuzte die Arme unter seinem Kopf und beobachtete Vera. ''So... Erzählst du mir jetzt, wieso du dich abschotten willst?'' Sie würde ihm, ihre wahren Pläne nicht erläutern und sagte stattdessen: ''Um euch zu schützen.'' ''Und wie genau soll das funktionieren?'' fragte er.
   ''Mich kann niemand finden, was bedeutet, dass ihr in Sicherheit seit.'' Sie ließ die Beine baumeln und spielte mit der Wolke. ''Das mag sein, aber wieso gerade so?'' Lass mich doch damit in Ruhe...dachte sie verzweifelt. Sie wusste, dass Kevin erfahren wollte, warum sie so plötzlich zu solchen drastischen Mitteln griff. Sie atmete tief durch und ließ sich auf den Rücken fallen.
   ''Ich habe Wahrträume..'' setzte sie an und schlug die Lider nieder. Blitzschnell setzte er sich auf. ''Ich hab von dir geträumt'' gab sie zu und fummelte nervös an ihrer Kleidung herum. ''Was hast du geträumt?'' fragte er mit erstickter Stimme.
   ''Luise, Lea und du, ihr wurdet von Baalissa festgehalten und ward schwer verletzt'' flüsterte sie bedrückt.
   Kevin nahm ihre Hand, zog sie hoch und schloss sie in die Arme. Sie lehnte sich gegen ihn und schüttelte leicht den Kopf.
   ''Jannik war da und sie haben nach mir gesucht.'' Kevin drückte sie leicht von sich und hob ihren Kopf an. Sie sah ihm in die strahlend blauen Augen und war unfähig sich von ihm zu lösen. ''Du warst so schwer verletzt...'' hauchte sie. ''Aaron war auch da und hat dir Blut gegeben...Danach weiß ich nichts mehr.'' Kevin strich ihr zärtlich über die Wange.
   ''Also, deshalb bist du in meine Arme gesprungen?'' fragte er und sie nickte. Ihr Herz fühlte sich schwer an und sie kämpfte, gegen das ständige Schwindelgefühl an. ''Ich habe solche Angst'' wisperte sie und schaffte es, sich aus seinem Blick zu lösen. Sofort sah sie hinab.
   Unerwartet zog er sie auf seinen Schoß und strich ihr beruhigend über den Rücken. ''Brauchst du nicht, mir geht es gut'' murmelte er in ihr Haar. Sie sah auf und musterte sein Gesicht.
   Er hatte sich verändert, Kevin wirkte weniger angespannt und auch weniger aufdringlich. Ihr Blick wanderte zu seinen Lippen und sie spürte, wie die Röte in ihr Gesicht stieg. Schnell wand sie den Blick ab. Ein amüsiertes Grinsen lag auf seinem Mund und er zog sie leicht an sich. Verlegen biss sie sich auf die Lippe. Sie hoffte, dass er sich an sein Versprechen, sie nicht zu küssen, halten würde und das tat er.
   ''Vera, du bist jemand ganz Besonderes'' sagte Kevin. Veras Herz begann schneller zu schlagen und sie bekam feuchte Hände. ''Bringst du mich runter?'' stotterte sie. Er schüttelte den Kopf und ließ sich nach hinten fallen. ''Genies´ die Ruhe.'' Vera krabbelte von seinem Schoß und stand auf.
   ''Wenn du mich nicht runter bringst, dann spring ich'' drohte sie, doch sie war sich nicht sicher, ob sie es wirklich tun würde. ''Machste eh nicht'' sagte er und erhob sich.
   ''Kannst du aus dieser Höhe etwas sehen?'' fragte sie und sah hinab. ''Ja. Da vorne steht Aaron und Luise liegt mit Pia auf den Sonnenliegen'' sagte er und deutete auf ihre Standorte. ''Und Aaron sieht ziemlich sauer aus'' grinste er. ''Warum?''
   Kevin ignorierte ihre Frage, umfasste ihre Hüfte und schwang sich mit ihr hinab. ''Mal gucken, was er will'' sagte Kevin und flog herab.
   Er landete zwei Meter vor Aaron und ließ Vera los. Glücklich, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, atmete sie tief ein.
   ''Bleib ruhig, es ist nichts passiert'' sagte Kevin an Aaron gewandt. ''Sie hat nur mit  mir geredet.'' Aaron hob skeptisch die Augenbraue. Vera hätte Kevins Worten gerne getraut, doch sie wusste es besser. Sie waren sich wieder näher gekommen und diesmal ohne fremde Einflüsse.
   ''Bis später'' sagte Kevin, küsste Vera auf die Wange und lief zu Pia.
   ''Es ist nichts passiert'' wiederholte Vera. ''Ich weiß'' sagte er tonlos. Sie ging auf ihn zu ''und was ist dann?''
   ''Ich habe gehört, wie du ihm deinen Traum erzählt hast. Warum bist du damit nicht zu mir gekommen?'' fragte er traurig. ''Ich weiß nicht. Du warst sauer und...'' sie brach ab und verringerte den Abstand zwischen ihnen.
   ''Du vertraust mir nicht'' sagte er und wich zurück. ''Das stimmt nicht'' beharrte sie und ging wieder auf ihn zu. Dieser Streit war vollkommen sinnlos. Sie sah, wie er mit sich kämpfte.
   ''Und warum erzählst du mir nicht, was dich bedrückt? Warum gehst du eher zu Pia oder Kevin, statt zu mir?'' fragte er wütend. Langsam stieg die Wut in Vera hoch.
   ''Ich weiß es nicht! Vielleicht, weil ich mir in deiner Nähe zu schwach vorkomme.'' Die Wut wich aus seinem Gesicht. ''Du bist nicht schwach'' sagte er.
   ''Trotzdem fühle ich mich so! Du bist immer gefasst, auf alles vorbereitet und ich? Ich  sitz ständig in der Ecke und heul mir die Augen aus..'' Aaron unterbrach sie, indem er auf sie zutrat und küsste.
   Vera wollte ihn von sich stoßen, doch sie war unfähig, von ihm weg zu gehen. Wie von selbst, legte sie ihm die Arme um den Hals. Seine Lippen waren weich und  hinterließen einen warmen, kribbelnden Schauer. Vorsichtig zog er sie näher an sich.
   Langsam löste sie sich von ihm und sah ihm in die orangenen Augen. ''Du bist mir nach Hamburg gefolgt und hast mich befreit. Vera, wenn du eins nicht bist, dann ist es schwach'' murmelte er und drückte ihr seine Lippen auf die Stirn. Sie schloss die Augen, ''weil ich dich wieder haben wollte.'' Er strich ihr die Haare hinters Ohr und lächelte.
   ''Und das Selbe würde ich für dich tun'' sagte er und umarmte sie fest.

Vom Engel geküsst Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt