Kapitel 1 - NICO

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#Nico

Jetzt bloß keine ruckartigen Bewegungen... ganz... langsam...
Und jetzt nur noch die Haustür... Rums.
Nein!
„Nico!!!" Verdammt, sie haben mich.
Okay, vielleicht schaffe ich es noch schnell in mein Zimmer...
Kaum habe ich mich umgedreht, stehen meine Schwestern auch schon vor mir.
Wie machen die das?
„Wie konntest du nur?!" fragen sie wie aus einem Mund. Verdammter Zwillingsmoment!
„Trish, Bre..." versuche ich meine großen Schwestern zu besänftigen.
„Komm uns jetzt ja nicht so!" meckerte Bre.
Eine große Schwester, die auf mich sauer ist, hätte doch gereicht, aber nein... Zwillinge. Das heißt gleich zwei von dieser Sorte.
„Wie konntest du ihr das nur antun?" bemerkte jetzt Trish. Habe ich überhaupt eine Chance, da heil wieder raus zu kommen?
„Ich habe nichts getan, sie-..." versuchte ich es.
„Oh nein, kleiner Bruder. So nicht! 'Ich habe doch nichts gemacht. ' Ernsthaft?!" Trishs Blick war tödlich. Glaubt mir, würdet ihr jetzt an meiner Stelle hier vor ihnen stehen, dann würdet ihr euch lieber für Monate in einem dunklen Keller einsperren. Man sind die sauer.
„Aber ich habe doch wirklich nichts-"
„Wenn du nichts getan hast, dann verrate mir doch mal bitte, warum Mel, komplett aufgelöst und mit tränennassen Augen, oben bei uns im Zimmer sitzt.
„Bitte wie hat sie es so schnell hierher geschafft?" frage ich total verwirrt. Mal im Ernst, wie schaffen Frauen sowas immer? Ist das Physikalisch überhaupt möglich? Und warum kann ich das nicht?!
Ich stehe nämlich immer noch im Flur, vor mir meine beiden Schwestern, die nebenbei bemerkt wirklich wütend aussehen. Ich würde es ihnen ja erklären, aber sie lassen mich einfach nicht ausreden. So lieb ich die beiden auch habe, aber manchmal sind sie echt anstrengend. Mel ist die beste Freundin von den beiden und meine Exfreundin. Genau deswegen sind meine Schwestern auch so sauer auf mich. Glaube ich zumindest.
Mel hat mich heute Vormittag angerufen und gesagt, sie müsse mit mir reden. Gleich darauf habe ich mich mit ihr, in ihrem Lieblings – Café, getroffen. Wir waren fast ein Jahr zusammen, was für mich, eine echt lange Zeit ist. Sie hat gesagt, ich würde ihr in letzter Zeit nur noch weh tun und als ich sie gefragt hatte, womit, sagte sie nur: „Du liebst mich nicht so, wie ich dich liebe. Du bist abwesend, wenn ich mit dir rede und wenn, dann sind deine Gesten und Küsse ohne Gefühl.".
Daraufhin habe ich sie erst einmal total entgeistert angesehen. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, für diese Beziehung, aber sie hatte recht. Ich war sehr oft abwesend, weil es mich einfach nicht interessierte, dieser ganze Mädchenkram. Und Interesse vortäuschen wollte ich nicht. Dennoch hieß das nicht, dass ich sie nicht liebte. Mel bedeutete mir eine Menge und auch wenn es momentan nicht danach aussieht, aber ich vermisse sie.

Bre schnippt mit ihrem Finger vor meinem Gesicht herum. Hä, was?
Erst jetzt fällt mir auf, dass ich meine Schwestern total ausgeblendet habe. Anscheinend sind sie immer noch dabei, mir vorzuwerfen, was ich Mel nicht alles angetan habe. Interessiert es eigentlich irgendwen, wie es mir dabei geht? Ich bin verdammt noch mal verwirrt! Denn ich weiß, auch wenn ich sie sehr vermisse, dass ich mehr Bedauern zeigen müsste. Schließlich war sie meine erste richtige Freundin und das für eine verdammt lange Zeit. Wir hatten viele schöne Momente. Aber erst jetzt fällt mir auf, dass es für mich mehr wie so eine alltägliche Tätigkeit war... ungefähr so wie Schule, nur... schöner.
Warum muss ich mir eigentlich ständig anhören, was ich falsch gemacht habe? In diesem Moment drehen meine Gefühle komplett durch. Ich drehe mich ruckartig wieder rum und gehe durch die selbe Tür wieder hinaus, durch welche ich gerade eben erst hineingekommen bin. Es reicht! Das Ganze macht mich total fertig. Warum sollte ich Mel nicht genauso lieben, wie sie mich? Natürlich liebe ich sie, reicht das denn nicht? Trotzdem, ich müsste doch eigentlich ein bisschen traurig sein. Warum bin ich es dann nicht?
Ich stürme aus dem Haus und steuere geradewegs auf das Ende unserer Ausfahrt zu. Was mache ich eigentlich?
Ohne groß darüber nachzudenken, setzte ich einen Fuß vor den anderen und laufe einfach ohne Ziel durch die Straßen. Ich spüre die frische Sommerbriese, welche mir durch die Haare weht und mich kurz tief durchatmen lässt. Es riecht so nach Blumen und allem Möglichen. Ich glaube sogar einen leichten Erdbeergeruch wahrzunehmen. Mh... Das lässt mich so gleich alles ein Stück weit vergessen und ich folge einfach dem Geruch meiner Lieblingsfrucht.
Mittlerweile ist es schon fast Abend und der Himmel fängt an, sich wunderschön zu verfärben. Okay, ich weiß das klingt kitschig, aber ich liebe einfach den Sommer und alles was dazu gehört. Und am meisten die Sonnenuntergänge.
Ich schwöre, ich habe nur kurz die Augen geschlossen, vielleicht ein oder zwei Sekunden. Doch als ich sie jetzt wieder aufgemacht habe, nahm ich auf einmal die vertraute Umgebung wahr. Ich bin im Park. Was zum ...? Kann ich mich jetzt auch teleportieren, so wie die Mädchen?
Nein, wahrscheinlich bin ich einfach nur wie ein verrückter, komplett Plan- und Ahnungslos durch die Gassen und Straßen gelaufen, ohne zu bemerken wo ich eigentlich hingehe. Seltsamerweise rieche ich immer noch diesen Erdbeergeruch. Langsam bekomme ich echt Hunger deswegen! Das ist so unfair. Miesester Tag seit langem, erst macht meine Freundin mit mir Schluss, weil ich zu wenig liebe und dann werden mir auch noch Erdbeeren schmackhaft gemacht, die ich dann doch nicht bekomme.
Aber wenn ich schon mal hier bin...
Ich lege einen Zahn zu und laufe zu meinem Lieblingsplatz im ganzen Park.
Im östlichen Teil des riesigen Geländes befindet sich eine große Felswand, welche oft von Kletterern genutzt wird. Die meisten halten sich allerdings von dort fern. Deshalb wissen auch so wenige von der kleinen abgeschotteten Lichtung, ein Stück weiter nördlich. Bisher habe ich dort nur ein oder zwei verliebte Pärchen gesehen, die dort ein Picknick oder so was gemacht haben. Ansonsten ist dieser Teil so gut wie verlassen.
Es ist wunderschön hier. Man hört niemanden mehr bis auf ein paar Tiere. Die Lichtung ist umringt von Bäumen und Büschen, doch das ist nicht das schönste an ihr. Am Rande steht etwas abseits und auch ein bisschen versteckt, ein großer, wahrscheinlich sehr alter Baum an dem sogar schon so etwas wie Lianen wachsen. Sie reichen bis zum Boden und verstecken den Stamm. Dieser Baum ist wie eine kleine Höhle, mit all seinen Ästen und Ranken. Einmal war ich so verrückt und bin an ihm hochgeklettert. Als ich dann oben in der Krone auf einem dicken Ast saß, konnte ich nicht glauben was ich sah. Von dort oben konnte man nicht nur die gesamte Lichtung überblicken, man hatte auch einen perfekten Blick auf den Sonnenuntergang und einen Teil des restlichen Parks. Seitdem klettere ich immer wieder dort hinauf, weil es einfach der perfekte Ort für mich ist. Dort fühle ich mich wohl und niemand kann mich stören, denn niemand weiß davon.

Ich schiebe mit meinen Armen ein paar Äste und Büsche beiseite, damit ich hindurchgehen kann. Kaum habe ich die Lichtung betreten, habe ich das Gefühl in dem Weichen Gras zu versinken. Der Himmel verdunkelt sich immer mehr und das Rosa verwandelt sich langsam in ein leuchtendes Lila. Mit schnellen Schritten laufe ich zu meinem Baum und es juckt mir schon in den Fingern, endlich wieder hinauf zu klettern.
Irgendwie ist es ja schon seltsam als siebzehnjähriger Junge, allein auf einem Baum, den Sonnenuntergang anzusehen. Irgendwie... Einsam. Aber ich genieße jede Minute davon, manchmal kann ich mir einfach nichts Schöneres vorstellen.
Ich schiebe die Ranken beiseite und trete unter das Dach aus Grün. Irgendetwas ist seltsam... es fühlt sich...
Ich höre leise Äste knacken und trete näher zum Stamm des alten Baumes. Was...?
Auf der anderen Seite sehe ich einen Schatten näher treten, aber er scheint mich noch nicht bemerkt zu haben.
Ich schleiche mich langsam an ihn ran und will wissen, wer sich zu meinem Lieblingsplatz verirrt hat. Verdammte Neugier.
Als ich fast hinter dem Fremden stehe kneife ich leicht meine Augen zusammen, um ihn besser erkennen zu können. Dummerweise steht er mit dem Rücken zu mir und dann auch noch ziemlich weit im Schatten, so dass ich nur seine Umrisse erkennen kann. Wer bist du? frage ich in Gedanken.
Als hätte der Fremde mich gehört, dreht er sich langsam zu mir um. Und was ich sehe, lässt mich vor Schreck erstarren.
„Du..."

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XDreamer

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