Kapitel 12
"Zoey", schreie ich. Augenblicklich hält Jayson mir den Mund zu. "Was?",murmle ich durch meine verschlossenen Lippen. "Wir sind gefundenes Futter, wenn du so weitermachst. Versuch dich mehr wie ein Florenzianer zu verhalten." Er lässt von mir ab und sieht rüber zu Zoey's schlaffem Körper. "Und wie verhält sich ein Florenzianer?" "Ruhig, flink, stark, schlau. Er ruht erst, wenn die Arbeit getan ist." "Sieht man", meine ich ironisch und zeige auf Zoey. "Sie ist... anders." "Genau wie ich. Ich gehöre hier genau so wenig hin wie sie." "Das stimmt. Warum mussten sie dich aussuchen. Sie hätten jeden beliebigen Kerl nehmen können. Haben sie aber nicht." Sein Gesichtsausdruck ist fast schon mitfühlend und leidend.
"Sollen wir sie schlafen lassen?" "Nein, es ist hier zu gefährlich." "Du hast recht, lass sie uns mitnehmen." "Wohin?" Ich weite meine Augen und schaue ihn strafend an. "Hast du etwa schon Heath vergessen? Wir haben abgemacht, dass wir zu ihm zurückkehren, sobald wir Zoey gefunden haben: Und hier ist sie." "Sie wird nicht mitkommen." "Was? Wieso?" Ich verstehe nicht. Ich will nicht verstehen. Mein Gehirn verweigert sich diese Information aufzunehmen und zu akzeptieren, aber mit der Zeit sickert mir die Antwort schon in meinen Verstand. Sie ist nicht umsonst hier. Sie sucht und wird erst nachgeben, sobald sie dass findet, wonach sie sich gesehnt hat. "Heath hätte uns nicht sagen sollen, dass er etwas versteckt hält." "Er hat befürchtet, dass er euch nicht beschützen kann. Ich weiß nicht, was ihn dazu bringt, euch beschützen zu wollen, aber er wird es bis zu seinem letzten Atemzug tun. Vielleicht kannte er Zoey schon vorher und beschützt dich mit, weil er weiß, dass du für sie sorgen könntest, sobald er nicht mehr da ist. Man sieht dich nicht als große Gefahr an und wird deshalb nicht Jagd auf dich machen, vorerst. Es hat noch nie jemand von außerhalb teilgenommen, weil eure Art zu schwach ist. Oder er ist einfach nur beeindruckt, was du dich zu Beginn getraut hast." Während er den letzten Satz ausspricht, zwingt mich eine mir unerklärliche Kraft in meinem Inneren zu grinsen. "Ich würde es jederzeit wieder tun." "Ich weiß. Und er weiß es auch. Vielleicht ist es das rebellische an dir, was uns so fasziniert." "Soso, uns also. Interessant." Jetzt ist er es der ein verführerisches Grinsen aufsetzt. "Was denkst du denn?" Ich fange an zu lachen und wende mich von ihm ab. "Das wir zu Zoey gehen sollten." Damit hat er wohl nicht gerechnet. Selbstzufrieden gönne ich mir einen Moment der Schadenfreude, ehe ich meinen Körper Richtung Felsabhang begebe und wenige Zentimeter vor Zoey's Körper zu stehen komme. Keiner der Vögel hat seinen Platz verlassen. Sie beäugen mich mit ehrerbietigen schwarzen Knopfaugen und weichen langsam von ihr zurück. "Komische Viecher." "Pscht." Ich kniee mich vor sie und streiche ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Shiva", murmelt sie friedlich vor sich hin. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Ihr geht es gut. Meiner kleinen Zoey geht es gut. Ich küsse sie auf die Stirn und flüstere,"Ja, ich bin hier." Jayson's Fußstapfen nähern sich uns hinter mir und ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass er am Grinsen ist, oder mich wenigstens innerlich auslacht. Aber das ist mir in diesem Moment egal, denn wer weiß, wie viele friedliche, ruhige, schöne Moment ich noch in meinem kurzen restlichen Leben werde genießen werden. "Los, wecken wir sie und suchen zusammen mit ihr weiter", ertönt Jayson's Stimme hinter mir. "Na gut." Ich strecke meine Hand aus und streiche über ihre. "Es wird Zeit aufzu-" Plötzlich schnellen ihre Augenlider hoch und Zoey richtet sich schwunghaft kerzengerade auf. Im nächsten Moment steht sie auf den Beinen, bricht im selben Moment aber schon wieder in sich zusammen - panikerfüllt. "Heath!", schreit sie. "Heath!" Mit schreckgeweiteten Augen schnappe ich mir ihre Handgelenke und halte sie fest, um ihr Halt zu geben. "Psscht, alles ist gut. Ich bin hier. Wir werden zu Heath zurückkehren. Alles wird gut." Sie starrt weiterhin in die Ferne, in die Luft. Ihre Augen fixieren sich auf das Nichts neben mir. Sie ist woanders. Ihre Gedanken und ihr Geist sind nicht hier bei mir. Ihre Hände zittern unter meinen und sie schreit in das Ungewisse immer wieder nur diesen einen Namen. "Heath..." "Das reicht, ich nehme sie und wir gehen zu Heath. Egal, was sie gesucht hat, es muss warten. Sie wird uns noch eher verraten als du und das will schon was heißen." Jayson packt meinen Oberarm und hilft mir auf die Beine. Er hebt Zoey's geistlose Hülle auf und hält sie problemlos in seinen Armen. Ein gruseliger Anblick - ihre Augen leer, ihr Blick verloren, ihr Körper schlaff. Ich habe noch nie etwas dergleichen in meinem Leben gesehen. Den Bruchteil einer Sekunde lang entfährt ihr ein qualvoller Schrei, ehe sich ihre Augen wieder schließen. Panik steigt in mir auf und Adrenalin schießt durch mein Blut.
Seit einigen Minuten hetzten Jayson, mit Zoey auf dem Arm, und ich zu dem Ort an dem wir Heath verlassen hatten. Zoey's Verhalten hat etwas in mir wach gerüttelt. Etwas das lange verborgen lag. Mir ist ungewiss, was genau. Es ist etwas Starkes Bekräftigendes, welches mir das Gefühl gibt wichtig und in der Lage zu sein, Personen beschützen zu können, die ich lieb gewonnen hab. Doch ob es so einfach ist, lässt sich schwer sagen. Ich werde es versuchen, und ich werde es nun vielleicht sogar schaffen. Wer weiß, vielleicht bin ich nicht so schutz- und hilflos wie jeder denkt. Ich könnte sie mit meinem Verstand überlisten. Immerhin haben sie keinerlei Erwartungen an mich und Jayson hat selbst gesagt sie werden mich noch nicht jagen. Ich muss einfach lange genug durchhalten, mich verstecken und die anderen mit List gegeneinander aufhetzen. Ich bin schlau, ich werde es schaffen - vielleicht werde ich sogar siegen.
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Hunted - Gefangen. Gejagt. Gebrochen.
Fiksi RemajaEin Traum droht Shiva's Leben zu zerstören. Shiva das 16-jährige Mädchen träumt seit Tagen den gleichen Traum von einer Arena in der sie gefangen ist. Dort begegnet sie vielen Leichen - Unter anderem ihrer eigenen. Erschrocken darüber muss sie tägli...