《 6 - lass uns reden 》

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Mit einem überfreundlichem "Wunderschönen Morgen, Mara.", begrüßte Tim mich lächelnd.
"Tagchen, Tim.", antwortete ich müde und ließ Herr Bergmann eintreten.
"Noch müde?", fragte dieser zuvorkommend.
"Ein bisschen." Auf meine Aussage folgte ein ausgiebiges Gähnen.
"Ein bisschen.", wiederholte Tim meine Aussage skeptisch.
Meine Mutter sah ich an diesem Tag nicht, wie sie Tim hinterher schauen würde. Sie hatte sich meine Worte anscheinend gemerkt.
Beflügelt ging ich mit Tim in mein Zimmer.
Als ich die Türe geschlossen hatte, sprach Tim noch bevor er sich gesetzt hatte:
"Wenn du heute ganz brav und fleißig mitarbeitest, habe ich auch eine Belohnung für dich."
Mein Lehrer wedelte deutend mit einem Joint herum, den er aus seiner Jacke kurzerhand gezogen hatte.
"Ich hol mir das, was ich will, auch ohne artig zu sein.", antwortete ich, bewusst, dass man diese Aussage wohl auch völlig falsch verstehen konnte.
Und genau tat Tim. Er wackelte verschmitzt grinsend mit seinen Augenbrauen.
"Kotz.", antwortete ich daraufhin angewidert.
Herr Bergmann lachte und setzte sich schließlich.
Ich nahm neben ihm Platz, da ich bereits meinen Unterrichtskram auf den Tisch gelegt hatte.
"Na dann lass uns anfangen!", sagte Tim enthusiastisch.
Ich schnaubte nur.
"Können wir nicht vorher etwas reden?", fragte ich gequält.
"Über was denn?"
Er hatte dieses Angebot auf jeden Fall noch nicht abgelehnt!
"Das Leben?"
"Was genau?"
"Keine Ahnung irgendwas."
"Familie?"
"Gut, das von mir aus auch.", strahlte ich.
"Erzählen Sie mal von Ihrer Familie!", fuhr ich fort.
"Naja, meine Eltern leben beisammen und ich habe einen Bruder. Bei uns gab es früher auch eigentlich kaum Streit.
Jetzt kommst du dran und übrigens, duze mich doch."
"Na gut, meine Mutter und ich leben logischer zusammen. Ich habe keine Geschwister und Cousinen oder Cousins.
Mein Vater lebt seit etwas längerer Zeit nicht mehr."
Tims Gesichtsausdruck wandelte sich von interessiert zu traurig.
"Was ist denn mit ihm geschehen?", fragte er besorgt.
"Suizid.", antwortete ich knapp und mied Tims Blickkontakt. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals runter.
"Weshalb?"
"Weiß keiner.", meine Stimme wurde immer brüchiger.
"Was hat er getan?"
"Sich erhangen."
Mir rollte eine Träne die Wange entlang.
Mein Herz brannte erneut vor Trauer.
Tim legte seinen Arm tröstend um mich.
Das war genau das, was ich gestern vermisst hatte. Jemanden, der für mich da war.
"Ich hab ihn damals in unserem Keller aufgefunden.", schluchzte ich und ließ meinen Schädel auf Tims Schulter fallen.
Er stich mir beruhigend über den Kopf.
"Pssht, das wird alles wieder gut.", flüsterte er mir nah an mein Ohr.
Irgendwie waren wir uns gerade viel zu nah. Jedoch brauchte ich Nähe. Seit langem hatte keiner mehr seine kostbare Zeit für mich geopfert.
Nicht mal meine Mutter wirklich.
"Ich vermiss ihn so sehr.", seufzte ich.
Moment! Seit wann war ich so offen zu Herr Bergmann?
"Er ist immernoch bei dir. Tief in deinem Herzen."
Ich schloss meine Augen.
Atmete tief ein und aus.
"Danke, dass du für mich da bist.", lächelte ich und öffnete meine Augen wieder.
"Ist doch selbstverständlich."
"Eigentlich nicht.", bemerkte ich nachdenklich und raffte mich wieder auf meinem Stuhl auf.
"Lass uns über etwas anderes reden."
Ich lächelte ihn dankbar an.
"Hast du denn einen Freund?", fragte Tim.
Ich schüttelte mit dem Kopf.
"Und du?"
"Ich war vor kurzem noch in einer Beziehung, aber das hat sich einfach auseinander entwickelt."
Irgendwie war ich glücklich über die Tatsache, dass er single war.
Dumme Mara. Sowas ist krank.
"Na dann.", lächelte ich freundlich.
"Sag mal, warum hast du denn keinen Freund? Du bist so ein taffes und kluges Mädchen."
"Sowas sagst du nur um mich wieder auf zu heitern."
"Nein, das sage ich, weil es stimmt.", erklärte Tim mit Nachdruck.
Ich ließ mich wieder mit dem Rücken gegen meinen Stuhl sacken, um dessen Lehne Tim immernoch seinen Arm hatte.
"Danke."
"Dafür nicht."

"Tim?"
"Ja?"
Ich schaute nachdenklich aus dem Fenster.
"Warum hat sich deine letzte Beziehung auseinander entwickelt?", fragte ich ganz vorsichtig.
"Nun ja, sie wollte heiraten, nur ich nicht und dabei haben wir eben gemerkt, dass wir ganz verschiedene Dinge wollen.
Sie wollte am Liebsten direkt eine Familie gründen, aber das wollte ich nicht.
Ich bin jetzt seit drei Monaten schon in einer anderen eigenen Wohnung und genieße zur Zeit eigentlich das Singleleben."
Das hieß wohl, dass er keine Freundin wollte. Das war doch alles okay, oder?
Ich drehte meinen Kopf zu Tim.
"Du findest auch wieder eine Freundin, die du dann auch heiraten willst.", lächelte ich freundlich.
"Bestimmt.", lächelte er zurück.
Unser Augenkontakt in solch einem Moment war mehr als nur unangebracht, weshalb ich dieses Situation sofort unterband.
"Also dann, lass uns mit dem Unterricht beginnen.", sagte ich und drehte meinen Kopf schnell weg.

Wir arbeiteten sehr zielstrebig und darauf bedacht schnell zu sein, damit wir nicht noch bis 22 Uhr brauchten. Außerdem wollte ich noch unbedingt meine Belohnung.
Tim zeigte Geduld in den Phasen, in denen ich länger für eine Aufgabe brauchte und war sehr verständnisvoll mir gegenüber.

Nicht schon wieder er! 《Herr Bergmann FF》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt