Stellt euch eine perfekte Welt vor.Eine sorglose Welt, in der es keine Probleme gibt, in der es allen gut geht und keiner um sein Überleben kämpfen muss. Es gibt keine Naturkatastrophen, keinen Klimawandel, keine Wirtschaftskrise.
Eine friedvolle Welt, ohne Terrorismus, ohne Kriege, selbst ohne simple Streitigkeiten. Alle sind fair, niemand betrügt oder handelt zum Nachteil eines Anderen. Eine gleichgestellte Welt ohne Rassismus, Kategorisierung von Menschen oder Einstufung durch die finanzielle Situation.
Eine geordnete Welt, in der nie jemand zu spät kommt oder Termine vergisst, in der jeder mit seinem Job zufrieden ist und genug verdient. Perfekt sitzende Kleider, die niemals unvorteilhafte Falten werfen, Wäsche wird nie klein gewaschen und beim Kochen geht nie etwas schief. Überhaupt geht nie etwas schief!
Alle unterhalten sich, immer wenn es angebracht ist und dann auch nur in den höflichsten Tönen. Niemand beleidigt oder flucht, schreit oder schimpft, niemand beschwert sich, dass die Nachbarn schon wieder bis um zwei Uhr nachts laut waren, denn das waren sie nicht, weil sie ja verständnisvoll sind, und nachsichtig und einfach perfekt.
In so einer Welt zu leben sollte einfach sein. Perfektion sollte einfach sein. Aber das ist es nicht.
~Die Sonne stand schon tief, als ich am Markt ankam. Nach einem bestimmten Stand Ausschau haltend, suchte ich mir einen Weg durch die Menschen und die systematisch aufgestellten Hütten, die den Platz säumten. Es war erstaunlich: So viele Leute auf engem Raum und niemand stieß gegen einen Anderen. Die Bewegung der Masse schien wie einstudiert, jeder wusste scheinbar genau wann er einen Schritt in welche Richtung ausweichen musste und irgendwie hatte ich wohl die Proben verpasst, denn ich rempelte mindestens drei Leute an.
Ich stoppte bei mehreren Händlern, um Kartoffeln, frische Tomaten, Eier und ein Bündel Kräuter zu kaufen und wechselte wo es angebracht war, ein paar höfliche Worte mit den Leuten, die ich traf — So, wie es sich gehörte.
Ich hielt mich nie zu lange an den Ständen auf, denn wo auch immer ich meine Einkäufe erledigte, ich musste mir nie Sorgen um die Qualität der Waren zu machen. Ich könnte wahllos nach irgendeinem Stück greifen und bräuchte keine Zweifel daran zu haben, dass es genauso perfekt sei, wie alle anderen.
Mein Weg nach Hause führte mich durch Straßen voller parallel aufgereihter pastellener Häuser und vor jedem lag ein kleiner, von einem weißen Holzzaun umgebener Vorgarten mit gepflegtem Rasen und roten Pflastersteinen, die zur Haustür führten. Es sah aus, wie aus einem Gemälde, entworfen von einem Künstler, der dachte er verstehe Perfektion. Alles war einheitlich und aufeinander abgestimmt — so sehr, dass ich mich manchmal fragte, ob sich die Nachbarn wohl manchmal trafen um abzusprechen, welche Blumen sie wohl diesen Frühling pflanzen würden.
Unser Haus unterschied sich nicht von den anderen. Keines tat das.Mrs Michaels, unsere Nachbarin, pflanzte gerade ein paar Rosenbüsche und blickte auf, als ich das Gartentor zu unserem Haus aufschob. Obwohl sie bis auf ein paar babyblaue Handschuhe keinerlei Schutz vor der nassen Planzenerde trug, schien sie komplett sauber zu sein. Selbst ihre kastanienbraunen Haare steckten noch in einem ordentlichen Knoten, jede Strähne an ihrem Platz.
Sie warf mir einen abschätzenden Blick zu, als würde sie überlegen, ob sie mich begrüßen, oder sich einfach wieder ihrer Arbeit widmen sollte. Für einen Moment dachte ich, ich sähe Widerwillen in ihren Gesichtszügen, doch dann verzog sich ihr Mund zu einem strahlenden Lächen und ich merkte, dass ich es mir nur eingebildet hatte.
"Hallo, Avery!", rief sie mir über den Zaun zu und ließ die Pflanzenschaufel sinken. "Wie geht es dir, mein Kind?"
Innerlich wand ich mich. Die Unterhaltungen mit Mrs Michaels waren immer fast schon unangenehm höflich. Ich wollte nur ganz schnell ins Haus flüchten um der Situation zu entgehen. Aber das wäre ja alles andere als angemessen, also setzte ich ebenfalls ein Lächeln auf und antwortete: "Ganz wunderbar, Mrs Michaels! Und Ihnen? Wie macht sich Robbie im Segelcamp?"