Kapitel 101

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*Karina*

Sandras Handy klingelt ein weiteres Mal, diesmal hebt sie ab. Sie entschuldigt sich und geht Richtung Hotel, um mit Samu zu reden. Ich bin froh, dass sie das macht, im Moment fühle ich mich nicht in der Verfassung dafür. Das Gewitter kommt immer näher, bald wird es anfangen zu regnen. So ganz alleine fange ich an zu frieren, ziehe meine Beine an die Brust und schlinge die Arme um sie. Meinen Kopf stütze ich auf meine Knie, habe ich mich in Samu so täuschen können. Meine Gedanken kreisen um die letzten Tage und ich frage mich ob mein Gedächtnis jemals wieder kehren wird. Es ist verwirrend ohne Vergangenheit, alles wirkt neu und fremd auf mich.

Sich in dieser Welt zu Recht zu finden kostet viel Kraft. Gewisse Dinge gehen wie von alleine, zum Bespiel die Sprachen oder das Gitarrenspielen. Wiederum anderes muss ich erlernen und wenn dann noch solche Sachen dazukommen wie im Hotelzimmer, bin ich restlos überfordert. Ein lauter Donner lässt mich aus meinen Gedanken hochschrecken und ich spüre, dass ich nicht mehr alleine bin. Etwa zwei Meter von mir entfernt steht Samu, sein Blick ist besorgt. Langsam kommt er auf mich zu, bleibt wenige Schritte vor mir stehen. Er sieht mich stumm aber fragend an, ich deute ebenso stumm auf die Bank neben mir.

Er wirkt leicht nervös, fährt sich durch sein Haar, nestelt dann mit den Fingern ruhelos herum, als wüsste er nicht recht, was er mit seinen Händen anfangen soll. Schlussendlich greift Samu zögerlich nach meiner Hand. Ich lasse es zu, wende meinen Blick in seine Richtung. Bis jetzt habe ich ihn nur aus dem Augenwinkel betrachtet. In seinen Augen kann ich Erleichterung sehen, sein Blick ist weich und liebevoll. Er räuspert sich bevor er anfängt zu reden „Ich bin so froh das dir nichts passiert ist, habe mir Sorgen gemacht, als wir dich nicht gefunden haben.“

Sie haben nach mir gesucht, er hätte sich denken können, dass ich nicht in seinem Zimmer auf ihn warte, wenn er solche Kleidungstücke im Bett hat. Während er weiter spricht schaue ich ihm in seine Augen, versuche herauszufinden ob er die Wahrheit spricht „Es tut mir leid, dass du das Negligé gefunden hast. Ich hätte es wegräumen oder dir erzählen sollen von wem es ist. Es gehört dir mein Engel, du hattest es bei unserem ersten Mal an. Als ich zurück nach Helsinki musste, hast du es mir heimlich in den Koffer getan. Und von da an reiste es mit mir durch die Weltgeschichte, so habe ich immer etwas von dir bei mir. Ich würde dich nicht betrügen.“

Seine Augen drücken Liebe und Aufrichtigkeit aus, bevor ich etwas erwidern kann spricht er weiter „Bitte glaub mir. Ich habe da noch eine Idee, deine Eltern haben mir einen DVD mitgebracht, den ich für dich zu Weihnachten gemacht habe. Wir könnten ihn auf dem Laptop ansehen?“

Ich bin ein wenig verwirrt, schaue ihn dementsprechend an „Samu ich glaube dir. Aber was hat das Negligé mit einem DVD zu tun. Wir haben doch nicht einen Film von uns beim….“

Jetzt werde ich ganz rot im Gesicht, Samu schüttelt lachend den Kopf „Nein sicher nicht. Kommst du mit, dann kann ich es dir zeigen. Wir sollten sowieso ins Hotel zurück, das Gewitter kommt immer näher.“

Als hätte Petrus ihn gehört, zuckt ein Blitz am Himmel, gefolgt von einem grollenden Donner. Samu steht auf und reicht mir die Hand, welche ich ergreife. Hand in Hand laufen wir zum Hotel, dort warten die Jungs und Sandra. Als sie uns händchenhaltend kommen sehen, lächeln sie. Mit Samu gehe ich in sein Zimmer, dort angekommen nestelt er in seiner Tasche rum, bis er fündig wird. Wie eine Trophäe hebt er die DVD in die Luft „Setz dich, ich hole nur rasch den Laptop.“

Jetzt sitzen wir gemeinsam auf dem Bett, bin sehr gespannt was kommen wird. Eine wundervolle Melodie erklingt, die Bilder scheinen unsere Geschichte zu erzählen und der Text passt perfekt dazu. Bei dem Foto, das Samu im Negligé zeigt, kann ich mir mein Lachen nicht verkneifen. Habe mit vielem gerechnet, aber damit sicher nicht. Wie ist dieses Video schön, wir sehen glücklich und zufrieden aus. Aber leider kann ich mich nicht mehr daran erinnern, was mich traurig stimmt. Vereinzelte Tränen stehlen sich davon, Samu bemerkt das, wischt sie mir sanft mit dem Daumen weg „Was ist los mein Engel?“

„Ich….wir wirken glücklich auf diesen Bildern. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, das macht mich gerade traurig.“, sage ich ihm wahrheitsgemäss. Sanft dreht er mein Kinn zu sich, sodass ich ihm in die Augen sehen muss. Was hat er vor, er wird mich doch nicht küssen. Ich fühle mich wohl bei ihm, aber das wär mir zu früh. Samu sieht mich an und lächelt „Ja wir waren glücklich und das werden wir Beide auch wieder sein. Deine Erinnerungen werden zurückkehren und wenn nicht, dann schaffen wir uns neue. Wir lassen es langsam angehen, schön Schritt für Schritt. Du gibst das Tempo vor, aber bitte tu mir ein Gefallen. Wenn wieder etwas ist, egal was, rede mit mir, renne nicht wieder davon. Ich hatte eine riesen Angst, ich könnte dich wieder verlieren.“

Den letzten Satz flüstert er nur noch, seine Worte rühren mich. Was ist er nur für ein toller Mann und wieder frage ich mich, wieso ist er gerade mit mir zusammen. Mir fehlen ehrlich gesagt die Worte, ein schlichtes „Danke.“, verlässt meine Lippen. Dann ziehe ich ihn in eine Umarmung, er flüstert mir ein „Ich danke dir.“, ins Ohr.

You're an angel not asking who I'amWo Geschichten leben. Entdecke jetzt