Kapitel 6

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Es dauert wesentlich länger als gedacht, bis Gaia nach Neapel fliegt.
Und sie hat ein Problem damit.

Je schneller sie diese Sache beendet, desto besser.

Zwei kleinere Missionen in Montreal und Phoenix sowie eine etwas größere und gefährlichere in Katar halten sie auf.

Und letztendlich ist es April, als sie in die italienische Millionenstadt an der Amalfi-Küste reist, um von dort aus nach Sizilien zu übersetzen.

Am Abend bevor sie fliegt, führt William sie schick zum Essen aus.
Als sie später durchs Treppenhaus zu seinem Appartement stolpern, haben sie schon eine ganze Flasche Rotwein geleert...ihre Küsse ungeschickt, seine Berührungen unbeholfen.

Wäre sie nüchtern, würde sie sich diese Behandlung niemals gefallen lassen.

Erst landen sie auf der Couch.
Wenig später unter der eiskalten Dusche.

Der Alkohol steigt ihm zu Kopf.
Sonst wagt er es nie sie so anzupacken.

Als er sie gegen die gefliesten Wand drückt, zieht sie ihre frisch manikürten Fingernägel über seine knochigen Schulterblätter.
Feine, hellrote Striemen auf seiner blassen Haut.
Er schnappt überrascht nach Luft.

Es ist immer das Gleiche.
Gaia lässt ihn glauben, dass er die Führung übernimmt, dass er kontrolliert, was zwischen ihnen passiert.
Und genau dadurch behält sie die Kontrolle.

Ganz egal, in welcher Position sie ist.

Sie vergräbt ihre Finger in seinen dunklen Locken, lässt ihren Kopf in den Nacken fallen.

Ein letztes Mal mit ihm, bevor sie wieder bei Gino ist.

-

Ein leichter, salziger Westwind weht vom Tyrrhenischen Meer her über Sizilien und die Sonne durchbricht die ungleichmäßige Wolkendecke immer wieder.

Möwen und andere Seevögel fliegen knapp über der Wasseroberfläche, stoßen in regelmäßigen Abständen herab, um die kleinen Fische, die sich im trüben Wasser des Hafenbeckens tummeln, zu fangen.

Es ist Anfang April.
Der Winter neigt sich dem Ende zu und der Frühling hält Einzug.

James Bond steht am Kai und sieht aufs Meer.

Er ist schon seit über fünf Monaten auf Sizilien, sammelt seit seiner Ankunft ununterbrochen Material und Informationen über Spectre, um Oberhausers nächsten Schachzug vorhersehen zu können.

Letzten Sommer war etwas Bewegung in die Führungsebene gekommen und es gab Gerüchte, dass Oberhauser plante, eine freie Stelle mit einer jungen Frau zu besetzen.

Ausgerechnet die Stelle, die Marco Sciarra vor seinem Tod bekleidet hat.

Und er soll sie finden.
Möglichst viele Informationen über die geheimen Pläne der Terrororganisation sammeln und sich ihrer dann möglichst unauffällig entledigen...nichts besonderes.
Auch nicht verwunderlich, dass Mallory gerade ihn darauf angesetzt hat.

Seine Augen huschen über die Passagiere, die über die Gangway und von Bord gehen.

Und dann sieht er sie.

Gaia Sciarra.

Sie hat sich verändert.

Ihr dunkelbraunes, leicht gewelltes Haar weht im Wind und rahmt ihr feines Gesicht perfekt ein.
Dunkelroter Lippenstift, der seine Aufmerksamkeit eine Spur zu lange auf ihren Lippen hält, ein eng anliegendes Etuikleid...er würde wetten, dass ihre Kurven die Männer in ihrer Nähe immer wieder schwach werden lassen.

Sie ist Lucia noch ähnlicher geworden.
Dabei weiß er, dass Gaia eigentlich mehr nach ihrem Vater kommt.

Von dem Mädchen, das er vor über neun Jahren kennengelernt hat, ist nicht mehr viel übrig.
Kein kurzes Haar, keiner ihrer gerade geschnittenen Hosenanzüge, hinter denen sie ihre Figur versteckt...

Die Frau, die jetzt vor ihm steht, hat gelernt.

Ihre gezielt eingesetzte Weiblichkeit, die scheinbare Unschuld in ihren Augen.

Nach all den Jahren im aktiven Dienst wäre er ein Idiot, wenn er ihr Spiel nicht sofort durchschaut hätte.

Diese Art von Frau kennt er.

Eine Spur naiv, leicht zu haben.

Und sobald man sie um den Finger gewickelt hat, wird sie zu einem Biest.

Dann, wenn sie sich sicher genug fühlt, das Monster unter ihrer perfekt aufgesetzten Fassade, auszulassen.

Frauen wie Gaia sind immer ein Risiko für ihn.
Ein notwendiges Risiko.

Früher wäre sie nicht sein Typ gewesen.

Jetzt ist sie, zumindest optisch, die Art von Frau, die er regelmäßig auf Missionen flach legt.

Sie beißt sich auf die Unterlippe, sieht sich nach ihm um.
Ihre Augen blitzen kurz auf, als sie ihn zwischen den anderen Menschen sieht.

Kurz bevor sie ihn erreicht, nimmt sie ihre Sonnenbrille ab, schenkt ihm ihr bezauberndstes Lächeln.
Dann steht sie vor ihm.

Bond legt eine Hand auf ihre Taille und lehnt sich nach vorne.

Es ist das erste Mal, dass er Gaia wirklich küsst.
Dass sie es zulässt.

Ihre Lippen weich und geschmeidig gegen die seinen.

Es ist nicht Gaia, die er in diesem Moment küsst, sondern 009...er weiß es sofort, als sie ihn führen lässt.
Sie ist in ihrer Rolle.

"Hattest du eine gute Reise, Darling?"

"Etwas anstrengend", sie lächelt und gähnt unterdrückt, hakt sich bei ihm ein, "Ich möchte gerne ins Hotel und mich für's Abendessen frisch machen."

"Natürlich."

-

Die Situation erinnert Gaia an ihre erste Mission für den MI6.

Daran, wie sehr sie sich gegen Bond gesträubt hatte.
Aus Prinzip.

Gerade erst 18 geworden, unerfahren und unfähig, Persönliches aus ihrer Arbeit herauszuhalten.
Spielregeln, die sie jetzt lange verstanden hat.

Spätestens mit dem Doppel-0-Status waren ihr diese Erkenntnisse gekommen.

Egal, was ein Auftrag von einem verlangte...man führte Befehle aus, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ob es richtig oder falsch war.

Nicht anders, als bei Spectre.

Mit dem einzigen Unterschied, dass sie sich durch ihre Familie mit der Organisation verbunden fühlt.
Sie führt das, was ihr Vater nie beenden konnte, zu einem Abschluss.
Eine gute Sache, für die sie einsteht.

Sie wird von Bond, der einen kräftigen Arm um ihre Taille schlingt, aus ihren Gedanken gerissen.

Heute hat sie kein Problem mehr damit, mit 007 als Paar zu agieren.

Es ist ihr egal.
Der ältere Doppel-0-Agent nur einer von vielen.
So wie sie für ihn.

Gaia geht leicht auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf den Mundwinkel zu hauchen.
Er lächelt.

Durch die große, gläserne Eingangstür und hinein in die ausladende Hotellobby.
Der Raum ist so stark klimatisiert, dass ihr ein kühler Schauer über den Rücken läuft.

Die Kälte.

Oder doch die Erkenntnis, wie tief Bonds Hand bereits gerutscht ist?

[A/N]
So, late @ night hab ich es dann doch noch geschafft, das hier hochzuladen.
Hoffe, es hat euch gefallen und lasst mir gerne euer Feedback da! =]
-M

Queen Of Spades - g1nsterkatze - 007 - James Bond Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt