Erzählung 21

531 36 4
                                    

„Nein", brachte ich hervor und merkte wie meine Knie kurz davor waren nachzugeben. „Nein! PETRA!", brüllte ich mit aller Kraft die ich hatte und schlug noch einmal gegen die unsichtbare Wand vor mir. Da drehte meine Frau ihren Kopf in meine Richtung. Ihre wundervollen grünen Augen trafen meine, doch sie blickte durch mich hindurch und nahm mich nicht wahr. „Alles ok Mama?", fragte unser ältester Sascha und sie wandte sich ihm zu. „Ja alles in Ordnung. Ich dachte nur ich hätte etwas gehört." Sie lächelte kurz, blickte noch einmal in meine Richtung und dann wieder zurück zu dem Stein. Meinem Grabstein. „Na kommt. Gehen wir zu Oma", meinte Petra und verließ mit ihnen den Friedhof. Ich blieb stehen und betrachtete meinen Namen. Ich streckte meine Hand aus um sie gegen die Wand zu drücken, doch da war nichts. Vorsichtig setzte ich einen Fuß nach vorne und dann noch einen bis ich direkt an der Stelle stand an dem eben noch meine Familie gewesen war. Warum hier wohl mein Grabstein stand? Und warum stand nur Verschwunden darauf? Hieß das wir wurden nie gefunden? Wie lang war die Entführung wohl her? Plötzlich trat eine Person neben mich und als ich sie erkannte machte mein Herz einen Sprung. Petra war neben mich getreten und blickte wieder zu meinem Grab. „Es ist nun schon fast 3 Jahre her Liebling. 3 Jahre seit dem du verschwunden bist. Alle haben die Hoffnung aufgegeben euch zu finden und haben diesen bescheuerten Stein aufgestellt um besser damit klar zu kommen. Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben, dass du wieder zurückkommst, doch ich kann nicht mehr. Dein Verlust war das Schwerste was ich in meinem Leben verkraften musste. Jedes Mal wenn die Türklingel ertönt oder das Telefon klingelt hoffe ich es bist du oder die Polizei, die neue Informationen hat. Was eigentlich Schwachsinn ist, denn ich bin mir sicher, dass sie nicht mehr nach euch suchen. Manchmal würde ich gerne die Hoffnung aufgeben und weiter machen. Weiter leben ohne dich. Ich weiß nicht, ob du mir das verzeihen würdest, aber ich würde es mir selbst nie verzeihen. Du bist mit unseren Kinder zusammen alles für mich. Ich liebe dich mein Schatz." „Ich liebe dich auch über alles", flüsterte ich während mir eine Träne über die Wange lief. Ich streckte eine Hand aus und legte sie auf die nasse Wange meiner Frau. Diese schloss die Augen und schien ihre Wange an meine Hand zu drücken. „Weißt du", fuhr sie fort, „manchmal habe ich das Gefühl du bist hier. Ich spüre deine Finger oder höre deine Stimme wenn ich den Wind auf meiner Haut spüre. Wir vermissen dich. Bitte komm wieder zurück." Sie schluchzte, wischte sich die Tränen von den Wangen, drehte sich um und lief mit schnellen Schritten weg. „Ich vermisse euch auch." Ich wollte gerade weggehen als ich sah wie sich jemand mir näherte. Erst dachte ich es wäre Petra, doch die Figur passte nicht. Und als sie näher kam blieb mir das Herz ein weiteres Mal stehen. Es war Eva, die fies grinsend auf meinen Grabstein schaute. Sie holte etwas aus ihrer Jackentasche und beugte sich vor. Als sie kurz darauf wieder wegging schaute ich ihr erst hinterher, bevor ich mir ansah was sie an dem Stein gewollt hatte. Und als ich den Zettel dort hängen sah entfuhr ein lauter Schrei meiner Kehle.

„Ja und da bin ich dann aufgewacht", schloss ich meine Erzählung ab. „Was stand auf dem Zettel?", wollte Chris wissen, der mich immer noch im Arm hielt. „Mein Todesdatum." Chris stoppte seine schaukelnde Bewegung und erstarrte. Keiner sagte ein Wort. Irgendwann löste ich mich aus der Umarmung, legte mich hin und schlief kurz darauf wieder ein.

Als ich wieder aufwachte war die Sonne schon aufgegangen. Chris war auch schon wach und lief im Raum auf und ab. „Sorry fürs Wecken vorhin. Alles ok?" „Ja. Ich brauchte nur etwas Bewegung", antwortete er mir. Ich streckte mich und war gerade dabei aufzustehen als das Klirren der Kette erklang und sich kurz darauf die Klappe in der Decke öffnete. „Morgen Jungs", sang Eva fröhlich. „Guten Morgen", antworteten wir möglichst ohne Hass in der Stimme. „Wow das klingt ja fast so als würdet ihr das auch so meinen", meinte sie und lachte. „Na dann kommt hoch. Ihr wisst ja wie es läuft." Die letzten Tage war sie gar nicht mehr herunter gekommen wenn wir nach oben durften. Ich kletterte wie immer zuerst nach oben wo wir unsere Fesseln wieder anbekamen für den Weg. Wir wussten genau was wir zu tun hatten. Es war schon zur Routine geworden.

Ihr. Entkommt. Nicht!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt