Erzählung 22

526 39 8
                                    

Nichts veränderte sich an dem Ablauf. Sven saß auf dem geschlossenen Klo, während Chris und ich uns fertig machten. Ich zog die frische Hose an und stellte mich dann ans Waschbecken um mich zu rasieren. Ich holte gerade den Apparat aus dem kleinen Schränkchen, das sich hinter dem Spiegel verbarg, als mir etwas ins Auge fiel. Ich blickte zu Sven, der immer noch auf sein Handy fixiert war und räusperte mich um zu sehen ob es irgendeine Reaktion von ihm gab. Doch nichts. Im Hintergrund hörte man das Wasser in der Dusche plätschern und so griff ich schnell nach den 2 kleinen schmalen Gegenständen und ließ sie in der Hosentasche verschwinden. Ich hoffte, dass sie bei der oberflächlichen Durchsuchung von Sven und Tobi nachher nicht auffielen und begann mit der Rasur als wäre nichts gewesen. Nachdem Chris und ich fertig waren und aus dem Bad in den Flur traten stand Tobi schon bereit um mich abzutasten. Sven machte das gleiche bei Chris. Als Tobis Hände über meinen Körper streiften betete ich, das er nichts bemerkte. Seine Hände erreichten meine Hosentasche, ich hielt unwillkürlich den Atem an, doch er fuhr unbeirrt weiter nach unten zu meinen Beinen. Ich zwang mich dazu normal auszuatmen damit er nicht merkte das ich die Luft angehalten hatte. Er hatte wirklich nichts bemerkt. Ich jubelte kurz auf und hoffte das die Aktion auch was bringen würde. Wenn nicht würden wir ziemlich tief in der Scheiße sitzen. Wir bekamen die Fesseln wieder angelegt und gingen zu Eva auf die Veranda. Dort setzten Chris und ich uns auf die Stufen die zur Veranda hinaufführten, während Eva uns wieder einmal etwas über sich erzählte. Doch ich hörte wie immer nicht zu. In meinem Kopf schmiedete ich einen Plan und versuchte mir auch gleich eine passende Ausrede einfallen zu lassen, falls wir frühzeitig erwischt würden. Irgendwann trotteten wir dann wieder zurück. Auf dem Weg fragte Chris plötzlich: „Eva? Wie lange sind wir eigentlich schon hier?" Ich blickte weiter geradeaus und ließ mir nicht anmerken wie sehr mich die Antwort interessierte. Schon lange lag mir diese Frage auf der Zunge, doch ich hatte sie nie geäußert aus Angst dafür bestraft zu werden. Eva warf Chris einen abschätzigen Blick zu und antwortete: „Warum? Das kann euch doch egal sein. Hier findet euch eh niemand und weg kommt ihr auch nicht mehr." Ihr Tonfall machte deutlich, dass dieses Thema damit beendet war. ‚Wenn du nur wüsstest', dachte ich während wir schweigend weiterliefen und unterdrückte ein Grinsen, das sich auf mein Gesicht schleichen wollte. An unserem Raum angekommen bekamen wir die Fesseln gelöst und stiegen nacheinander die Leiter hinunter. Eva blieb oben, verabschiedete sich mit einem „Bis später" von uns und verschloss die Klappe. Ich hörte das Rasseln der Kette und das Einschnappen des Schlosses. Ein paar Minuten wartete ich ab und fing dann an wie ein Irrer zu grinsen. Chris sah es und blickte mich an als hätte ich den Verstand verloren. „Gibt's einen bestimmten Grund warum du plötzlich am Grinsen bist wie ein Geistesgestörter?", fragte er mich und zog eine Augenbraue hoch. „Ich habe vielleicht einen Weg gefunden wie wir hier weg kommen", meinte ich und grinste noch breiter falls das möglich war. „Andy...", seufzte Chris, doch ich unterbrach ihn. „Nein warte hör mir erst zu." Ich griff in meine Hosentasche, umfasste die 2 Gegenstände die ich mitgeschmuggelt hatte und zog sie heraus. Dann streckte ich meine Faust Chris entgegen und öffnete sie. „Haarspangen? Dein Ernst? Wie sollen wir damit denn bitte hier raus kommen?" Er sprang auf, stellte sich vor mich ließ fassungslos seinen Blick zwischen meinem Gesicht und der geöffneten Hand hin und hergleiten. „Wir können damit das Schloss knacken", lächelte ich und stand ebenfalls auf. „Ach hast du etwa eine Ahnung davon?", meinte mein Gegenüber und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir hatten uns doch mal darüber schlau gemacht wegen unseren Tricks." „Das ist doch schon ewig her!" „Willst du etwa lieber hier bleiben?" „Nein natürlich nicht", schrie er mich an. „Aber was ist wenn sie uns erwischen? Und wo sollen wir denn hin? Wir haben doch keine Ahnung wo wir sind. Und wie willst du überhaupt an das Schloss kommen? Ich mache mir einfach nur Sorgen was passiert wenn es nicht klappt." Ich steckte die Klammern zurück in meine Tasche, trat auf meinen Bruder zu und schloss ihn in meine Arme. „Ich weiß, dass du dir Sorgen machst. Aber ich habe schon ein wenig darüber nachgedacht. Hauptsache wir sind erstmal hier raus und dann sehen wir weiter. Ich will einfach nur hier weg. Und selbst wenn sie uns erwischen sollten. Viel schlimmer kann es ja nicht werden oder?" Chris nickte. „Da hast du Recht. Aber wann willst du das denn machen?" „Heute Abend wenn Eva hier war und es langsam dunkel wird. Dann haben wir noch die Chance was zu sehen und Eva wird unser Verschwinden frühestens morgen entdecken. Also was sagst du?" Ich löste mich von ihm und blickte in seine Augen, die mich nachdenklich anschauten. „Ich will einfach nur hier weg. Lass es uns versuchen."

Ihr. Entkommt. Nicht!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt