Kapitel 2 Teil 2: Post und Pakete

1K 52 39
                                    

Kapitel 2 Teil 2: Post und Pakete


Harry blieb drei Tage in seinem Zimmer. Er aß nichts und trank Wasser welches er sich herbeizauberte. Hin und wieder huschte er ins Badezimmer, wobei er es allerdings geflissentlich vermied in den Spiegel zu blicken. Er konnte seinen eigenen Anblick nicht ertragen.
Die Albträume wurden jede Nacht schlimmer. Zusätzlich zu den verstorbenen, mischten sich nun auch die überlebenden Freunde Harrys unter die Opfer Voldemorts. Sie warfen ihm vor, ihr Leben zerstört, ihre Jugend geraubt zu haben. Und er fühlte sich, als wenn sie damit recht hätten.
Ein zögerliches Klopfen ließ Harrys Kopf hochschnellen. Er saß auf dem Boden vor seinem Bett, den Kopf auf die Matratze gelehnt und versteckte sich vor der aufgegangenen Sonne und der ganzen Welt. Kreacher stand wieder vor seiner Tür, wie jeden Morgen, und versuchte ihn heraus zu argumentieren.
„Der Herr muss heraus kommen! Er muss etwas essen!", krächzte der Hauself und hörte sich dabei ernsthaft besorgt an. „Kreacher hat Frühstück gemacht. Bitte Meister!" Harry starrte weiter auf die schwere Holztür ohne jegliche Absicht aufzustehen. „Kreacher hat auch alle Briefe entsorgt die dieser dreckige Vogel angeschleppt hat. Es gibt keinen Grund nicht rauszukommen, Meister Potter, Kreacher hat alle Post verbrannt!"
Harry starrte in die großen, kugelförmigen Augen des Hauselfs. Er hatte die Tür so plötzlich geöffnet, dass Kreacher keine Zeit gehabt hatte sich vorzubereiten oder zurückzuweichen.
„Du hast was getan?" Harrys Stimme krächzte vor Anstrengung. Er hatte für sich allein kaum geredet, und wenn dann vor sich hin geflüstert. Aber jetzt schrie er Kreacher regelrecht ins Gesicht.
„Wie kannst du es wagen meine Briefe zu verbrennen?" Harry hörte sich nicht an wie er selbst. Das Kratzen der Stimmbänder ließ seine Stimme tiefer wirken und der ungewohnt wütende, herablassende Ton war noch fremdartiger. Als Kreacher sich vor ihm duckte und begann buckelnd zurückzuweichen bemerkte er seinen Fehler. Harry schluckte und wiederholte seine Frage ruhiger.
„Wieso hast du Briefe an mich verbrannt, Kreacher?" Der Hauself sah Harry nicht in die Augen und antwortete sehr leise und außergewöhnlich schüchtern. „Der Meister hat doch selbst die Briefe verbrannt und dann, und dann hat er mich mit dem stinkenden Vogel allein gelassen!" Kreachers Stimme begann wieder Halt zu finden. „Dieser garstige, unverschämte Vogel! Er bringt einfach Post ins Haus obwohl der Meister es verboten hat! Kreacher hat versucht ihn auszusperren, ihn zu verscheuchen Meister Potter, aber kommt immer wieder rein. Kreacher weiß nicht wie! Deshalb hat er gedacht, er verbrennt die Briefe, damit der Meister endlich wieder etwas isst! Wenn die Herrin eine solche Eule gehabt hätte" Kreacher blickte zu seinem Zimmer hinüber, „Dann hätte Kreacher den Vogel verbrannt und nicht die Post! Schöner, großer Eulenbraten wäre das, ein Festmahl für Kreacher und den Herrn. Die Herrin hätte eine solche Ungehorsamkeit nicht geduldet!" Kreacher machte ein unschönes, schmatzendes Geräusch aber Harry ging nicht weiter darauf ein, sondern unterbrach ihn schnell.
„Und von wem waren die Briefe?", fragte er plötzlich aufgeregt. „Hast du sie dir zumindest angesehen?" Kreacher schüttelte verwirrt den Kopf mit den großen, haarigen Ohren.
„Einer war dabei, der war von der Schlammblut Hexe.", entsann er sich aber plötzlich. Und ich gleichen Moment erinnerte er sich daran, dass er Harry versprochen hatte Niemanden mehr so zu nennen. Mit einer blitzartigen Bewegung krachte sein Kopf gegen den Türrahmen.
Harry wollte ihn aufhalten, allerdings war seine Wut noch immer so präsent, sodass er einen Moment zögerte. Stattdessen ging er an dem Hauselfen vorbei die Treppe hinunter. Er hörte wie Mrs. Black in Regulus' altem Zimmer schrie, wissen wollte woher der Lärm kam. Aber Harry ging einfach weiter, ohne überhaupt zu realisieren wohin er wollte. Erst als er in dem Salon am Ende des Eingangsbereiches stand, in dem er damals mit Sirius, Molly und seinen Freunden die Doxys aus den Vorhängen gesprüht hatte, hielt er inne. Augenblicklich fragte er sich wieso er sein Zimmer verlassen hatte, oder weshalb ihn die Tatsache, dass Kreacher seine Post verbrannt hatte so sehr aufregte. Er wollte auf dem Absatz kehrt machen und sich wieder einschließen gehen, da fiel sein Blick durch die, von Kreacher jetzt säuberlich geputzten Fenster.
Der Blick ging hinaus auf den Platz, auf das Stück Gras in der Mitte des Häuserrings. Eine Gestalt fing Harrys Aufmerksamkeit. Dort stand eine junge Frau, gekleidet in Schwarz, mit nicht mehr ganz so wilden Haaren und starrte hinauf zum Haus Nummer zwölf.
Nein, sie konnte die Nummer zwölf, ja nicht sehen, dachte Harry, aber sie sah genau auf die Stelle an der sie wusste dass das Haus sich befinden musste. Es war ja auch kein Wunder. Harry trat näher ans Fenster heran. Hermine war so oft mit ihm hier gewesen, damals als sie das Haus noch hatte sehen können. Unzählige Male waren sie unter dem Unsichtbarkeitsumhang auf die Türschwelle appariert, damit die Todesser sie nicht entdecken konnten.
Hermine hielt ein Paket in den Händen und ging zielstrebig auf die Stelle zu, an der sich die Treppe zum Haus befand. Sie schien ihre Schritte gewissenhaft zu bemessen und stoppte ganz genau am Treppenabsatz. Der Drang in Harry, das Fenster zu öffnen, ihr zu zurufen, mit ihr zu reden war enorm. Doch stattdessen stand er nur im Fenster und krallte seine Finger in den Rahmen. Hermine stand einen Moment einfach da. Sie schaute erneut zum Haus hinauf und traf genau Harrys Blick. Erschrocken schnellte er zur Seite, für einen Moment davon überzeugt, dass sie ihn gesehen hatte. Als er wieder vorsichtig um die Ecke lugte war sie fort. Er suchte mit den Augen den ganzen Platz ab, schaute in alle Hauseingänge und abgehenden Straßen, aber sie war weg. Grade als Harry sich mit dem Gefühl der Erleichterung und riesigen Enttäuschung umdrehte, erkannte er den Grund ihres Auftauchens auf seiner Türschwelle. Das Paket das sie getragen hatte stand nur Zentimeter von der untersten Stufe vor seiner Tür. Sie hatte ihm etwas da gelassen.
Ohne auch noch einmal darüber nachzudenken raste Harry den Flur herunter und riss die Eingangstüre auf. Da stand es. Die Schachtel war in grünes Packpapier gewickelt und wurde von einer Kordel zusammengehalten. Harry zögerte den einen Schritt die Stufe hinab auf das Paket zu zumachen. Es konnte immer noch eine Falle sein, jemand der sich nur als Hermine ausgab. Außerdem hatte er doch die letzten Monate alles dafür getan, jeglichen Kontakt mit der Außenwelt, mit seinen Freunden zu verhindern. Wer wusste was sie ihm jetzt zukommen ließen und ob er es sehen wollte. Die Julisonne wurde immer wärmer, je höher sie über die umstehenden Häuser stieg und Harry wurde bewusst, dass ein Päckchen, das mitten auf dem Platz lag, früher oder später von seinen Nachbarn gefunden werden musste. Aber er traute sich einfach nicht den Schutz des Fidelius-Zaubers zu verlassen.
Nach Minuten des Zögerns und Grübelns fielen ihn siedend heiß Hagrids Worte wieder ein. Er musste unwillkürlich über seine Geistesabwesenheit schmunzeln.
„Du bist ein Zauberer Harry!", flüsterte er zu sich selbst und mit einem kurzen „Accio" flog die Schachtel in seine Arme.

Harry Potter und die verlorene ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt