...Dennoch tat ich es

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"Du willst was?"

Meine Augenbraue schoss in die Höhe.
Lauren war zwar immer schon die rebellischere von uns beiden gewesen und hatte stets die wildesten Ideen, aber das übertraf alles.

"Du hast mich schon verstanden." Ich konnte nicht umhin die Ruhe in ihrer Stimme zu bewundern. "Ich will in die alte Fabrik."

Die alte Fabrik.

Alleine beim Gedanken gruselte es mir.

"Das ist Wahnsinn, Lau-"

"Bevor du 'Nein' sagst, Camz, sind wir jemals in Schwierigkeiten gekommen?", unterbrach sie mich sanft.

Ja.

Ich fühlte die altbekannten Gewissensbisse. Lauren wusste nicht, was meine Mutter von ihr hielt. Sie habe einen schlechter Einfluss auf mich, nur Flausen im Kopf und sei dazu noch bisexuell. Sie hätte mir den Umgang mit Lauren längst schon verboten, wenn man Vater sie nicht davon abgehalten hätte.

Sie wusste auch nicht, dass ich vor einigen Tagen erwischt worden war. Wir beide waren draußen gewesen, hatten den Sonnenuntergang, danach den Mond angeschaut und unsere tiefsten Gedanken Träume und Ängste ausgetauscht, und dabei gänzlich die Zeit vergessen, wie immer.

Wenn ich mit ihr zusammen war, verlor ich jegliches Zeitgefühl.

Manchmal stoppte sie und alles, was in dem Moment passierte, war ihr Lächeln. Sie konnte studenlang lächeln, für mich war es nur ein Moment.

Deswegen, weil mit Lauren alles stoppte - sogar die Zeit - nur sie nicht, war ich an jenem Tag zu spät nach Hause gekommen. Viel zu spät, wie bereits an einigen Tagen zuvor.

Meine Mutter war wütend gewesen; so wütend, dass sie Worte ausgesprochen hatte, die drohten, alles zwischen Lauren und mir zu zerstören.

All meine Sorgen waren vergessen, als ich zu Lauren aufschaute. In dem Moment, in dem unsere Augen sich trafen, wusste ich, dass ich verloren hatte.

Sie hatte diesen Ausdruck in ihnen. Ihr vor-einem-Abenteuer Ausdruck, den ich nur zu genüge gesehen hatte.

Wie damals als wir uns in der Grundschule kennengelernt hatten. Wir hatten uns von der Schulbesichtigung im Klassenverband losgerissen, um die Schule alleine zusammen zu erkunden. Als wir die einzigen in der Aula gewesen waren, sie mich so breit angelächelt hatte, dass selbst der Polarstern wie eine jämmerliche Schattenfigur wirkte, wusste ich es.
Ich wusste, dieses Mädchen ist besonders.

Oder als wir mit zehn die Schule geschwänzt hatten, um uns einen schönen Tag zu machen. Es war einer der besten Tage meines Lebens. Ich bin jung, ich weiß, aber dieser Tag wird selbst dann einer der besten sein, wenn meine Zähne abends in eine Box gehören. Wie sollte er auch nicht? Ich hatte ihn mir ihr geteilt.

Mit dreizehn hatten wir uns ins Kino geschlichen, um Das Schicksal ist ein mieser Verräter zu schauen. Es war einer der letzten Aufführungen, deswegen waren außer uns nur drei weitere Leute dort. Ich tat gerne so, dass wir die einzigen in dem Saal gewesen waren, als wäre er nur für uns beide gebucht worden.

Ich lächelte leicht.

Dieser vor-einem-Abenteuer Ausdruck in ihren Augen trug tausende Geschichten mit sich. Und als ich aufblickte, in ihren grünen Orben dieser Ausdruck lag, wusste ich, eine weitere Geschichte würde hinzukommen.

Gott, ich bin ihr so verfallen, wie sie dem Wahnsinn.

"Nein."

Sie lächelte ihr Lächeln, das den Polarstern verblassen ließ, sprang von ihrem Bett auf und sah mit jenem Ausdruck und jenem Lächeln auf mich herunter.

...Dennoch Tat Ich Es (One-Shot)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt