Baja California, an einer Stelle, wo die Wüste bis zum Wasser reicht, in einer Zeit, in der Telefone nur am Festnetz hängen. Romantik pur, zwei Paare und vier Schlafsäcke. Es ist zwar Sommer, aber die Nacht ist kalt und jeder verkriecht sich in seinen Schlafsack. Der Wein wirkt gut nach und der Schlaf ist tief.
Ich wache von einem seltsamen Gefühl an meiner Kehle auf. Etwas Schweres liegt dort. Ohne es sehen zu können, weiß ich: Es ist eine Schlange. Panik wäre jetzt schön. So richtig hysterisch kreischen und um mich schlagen. Aber zu meinem Glück ist die zentrale Steuerung hellwach und verbietet jede abrupte Bewegung. Ich versuche, die Schlange wegzudenken. Klappt nicht. Das Tier fühlt sich wohl und rührt sich kaum. Ich noch weniger, werde steif und verkrampft. Es ist noch dunkel. Die Sterne sagen mir nichts, nicht einmal die Uhrzeit. Ich nehme mir vor, falls ich überlebe, Astronomie zu studieren. Immerhin bewegen sich die Sternbilder und der Himmel wird auch heller.
In einem der anderen Schlafsäcke regt sich jemand. Mein Freund krabbelt heraus und geht in die Dünen. Als er zurückkommt, wage ich ihn anzusprechen. Ganz sacht und mit ziemlich hoher Stimme, damit die Brust nicht mitschwingt. Man will ja keine schlafenden Schlangen wecken. Er glaubt mir erst nicht, wird dann blass und kommt schnell mit einem guten Plan. Er wird zur nächsten Tankstelle fahren und nach Serum fragen. Das beruhigt mich, er verschwindet. Ich denke darüber nach, wie er dem mexikanischen Tankwart um vier Uhr früh Serum abkaufen will.
Als Ergebnis dieser Überlegungen mache ich meinen eigenen Plan: Ich werde mich nicht rühren, bis es außerhalb meines Schlafsackes wärmer ist als innerhalb. Dann wird mich mein Untermieter verlassen.
Zum Glück sind die beiden anderen noch im Tiefschlaf. Ich kann mir in aller Ruhe versichern, dass ich eher ins Feind- als ins Beuteschema des Reptils passe. Und vielleicht ist es ja eine harmlose Hamsterschlange. Denn an der Nase herunterschauend ahne ich orange, schwarz und beige. Das passt sowohl auf Korallen- (giftig!) wie Hamsterschlange (harmlos). Irgendwann muss ich niesen. Ich niese dann doch nicht, aber die Minuten des Ankämpfens erscheinen mir wie Stunden. Ich verkrampfe noch ein bisschen mehr.
Das Pärchen steht auf. Sie kapieren langsam und hocken sich dann eng umschlungen in einiger Entfernung hin und flüstern miteinander. Sehr trostreich. Es wird wärmer, es kocht im Schlafsack. Ich schwitze, die Schlange rutscht auf meiner nassen Haut tiefer. Panik.
Die Schlange rollt sich auf, hebt den Kopf und ich kann ihr direkt in die Augen sehen. Ich will nie als Kaninchen wiedergeboren werden! Das Tier erkundet mit der Zunge die Umwelt und verlässt mich. Meine tapferen Freunde warten ab, fragen dann, ob es sicher sei, sich mir zu nähern.
Wir essen Tortillas und Tomaten, als mein Freund mit dem Universalserum zurückkommt. Da ist es schon Nachmittag. Aber er hat es bekommen, mein Held!
P.S.: Es war eine Hamsterschlange.
YOU ARE READING
Die Schlange im Sack
Short StoryEine romantische Nacht am Pazifik-Strand in Mexiko kann ganz schnell zum Albtraum werden. Wenn eine Schlange im Schlafsack Wärme sucht, hat der Mensch darin nicht mehr viel zu lachen.