Kapitel 1

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Der strömende Regen passte sich immer mehr meiner Stimmung an, die sowieso schon auf dem Nullpunkt war. Ich konnte nicht mehr als ein paar Meter weit sehen, da der Wind mir den Regen ins Gesicht peitschte. Meine Klamotten, Haare und Koffer waren schon mehr als nur durchgeweicht, doch der Regen hatte einfach kein Erbarmen.
Komplett ermüdet und zugleich hellwach schleppte ich meine Koffer die Straße entlang und versuchte gleichzeitig den großen Pfützen auszuweichen. Glücklicherweise hatte ich nur noch einige hundert Meter vor mir, doch war es noch immer weit genug entfernt, damit meine Klamotten durch den Regen die Farbe wechselten.

Ich wartete nicht darauf, dass der Regen aufhörte. Ich wartete auch nicht darauf, dass mich jemand mitnehmen würde, nein. Ich wartete darauf aufzuwachen. Aufzuwachen aus diesem Traum, der eigentlich gar kein Traum war. Es war wie ein falscher Film, bei dem ich ungewollt die Hauptrolle bekam.

Ein Auto, das gerade an mir vorbei fuhr, erinnerte mich schließlich daran, dass ich ja erwartet wurde. Widerwillig setzte ich also einen Fuß vor den anderen, als sei ich in Trance. Wie konnte sich dieser Moment so fremd und gleichzeitig doch so vertraut anfühlen?

Früher als mir lieb war kam ich dann doch an meinem Ziel an. Es war ein Haus mit weißer Fassade, einem kleinen Vorgarten und natürlich dem altbekannten Schild "Willkommen bei den Wilson's", das neben der Haustür platziert war.

Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit, als ich aufsah. Unklar was ich fühlen, denken oder machen sollte. War es richtig, dass ich hier war? War es das, was das Leben für mich vorgesehen hatte?

So viele Erinnerungen, die ihren Weg in meinen Kopf fanden, gute und schmerzhafte.
Langsam bildeten sich Tränen in meinen Augen, die ich aber versuchte wegzublinzeln. Nicht jetzt. Auf eine komische Art und Weise musste ich sogar lächeln. Dieses Haus war meine Kindheit, dieses Haus war mein Rückzugsort, meine stärksten Erinnerungen. Und doch war es so lange her.

Neugierig blickte ich mich um, doch zu meinem Erstaunen hatte sich nur kaum etwas verändert. Neben dem Eingang stand ein großer Blumentopf, der bestimmt schon Tage lang kein Wasser mehr gesehen hatte, direkt unter dem Klingelschild, genau wie damals. Auch der komisch aussehende Kürbis, den die Wilsons jeden Herbst aufstellten, stand vor dem Haus. Das Einzige, was sich verändert hatte, war, dass unsere Kinderfahrräder, die normalerweise vor der Garage zu finden waren, durch ein Auto ersetzt wurden.

Mit zittrigen, kalten Händen drückte ich schließlich auf die Klingel mit der Aufschrift 'Wilson'. Wie lange ich diesen Namen nicht mehr gehört hatte. Es war eine halbe Ewigkeit her. Nervös biss ich mir auf die Unterlippe.

Die Haustür öffnete sich und ich war sichtlich geschockt. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass es über zehn Jahre her sein sollte. So viele Jahre. Mittlerweile war er zwei Köpfe größer als ich, trug seine Haare weniger zerzaust als früher und hatte definitiv Bartstoppeln bekommen. Das Einzige, was sich nicht verändert hatte, war der Blick mit dem er mich ansah.

Jasper. Er schaute mich prüfend an und direkt bereute ich es, nicht nochmal in den Spiegel geschaut zu haben. Meine zerzausten, klitschnassen Haare, zusammen mit den tropfenden Klamotten, machten bestimmt nicht unbedingt den besten Eindruck. Sofort fühlte ich mich unbehaglich.

Mein Makeup war mittlerweile bestimmt total verlaufen, sodass ich schlimmer aussah als ohne. Meine Haare hingen nur noch in Strähnen herab und klebten unschön an meinem Gesicht. Ich fühlte mich wie ein begossener Pudel.

"Megan?", kam es verwundert von meinem Gegenüber. Er war wohl genauso überrascht wie ich. Man konnte seinem Gesicht die Verwunderung ansehen. Seine Augenbrauen waren hochgezogen und er ließ den Blick nicht von mir ab. Aber er wusste doch, dass ich heute ankommen würde, oder? Für einen kurzen Moment fühlte ich mich angespannt und unwohl. Ich hasste solche peinlichen Momente.

Life's like a movie - You decide which oneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt