Der Morgen war noch früh. Tautropfen glänzten auf den dünnen Grasbüscheln. Die Sonne, die meinem Vater in den Nacken schien, wurde von seinen silbernen Schuppen reflektiert. Skyol Clanless's Wanderstock setzte immer wieder dumpf auf der festen Schicht Erde auf. Mein Vater liebte diesen Stock. Er hatte ihn selbstgemacht. In dem poliertem, schwarzen Holz schimmerten abwechselnd eine grüne Zeile Schrift in Draconic und eine gelbe Zeile Primordial über die gesamte Länge.
Der Schritt meines Vaters verlangsamte sich. Ich neigte mich zur Seite, um an ihm vorbei sehen zu können. Vor uns lag ein Pentagon aus hüfthohen Steinen im Schatten eines großen Baumes. Mein Vater drehte sich zu mir um. Belustigung spiegelte sich in seinen goldenen Augen. „Du wirst doch wohl jetzt noch nicht erschöpft sein? Das ist ja nicht mal der höchste Gipfel in dieser Bergkette! Komm, such dir einen dieser Steine aus, und setze dich drauf.", seine weiche, tiefe Stimme konnte seine leichte Müdigkeit nicht verbergen.
Ich nickte, lächelte und sprintete zum Stein, der Knapp neben dem Baumstamm lag. Skyol schritt langsam in die Mitte des Pentagons und rammte, leise Worte murmelnd, seinen Wanderstab mit voller Wucht in den Boden. Der Stab zitterte noch kurz nach und blieb stecken. Nach einer kurzen Zeit schien es, als wüchsen Feine Äste aus Licht aus dem Stock dem Himmel entgegen. Skyol breitete die Arme aus, hob den Kopf, schloss seine Augen und Sprach laut in Draconic die Worte: „Bruder, komm herbei! Wir suchen deine Weisheit!"
Er öffnete die Augen, nahm seine Arme herunter, ging zum Stein links von mir und ließ sich auf ihm nieder.
Nach ein paar Minuten vernahmen wir das schlagen von großen Flügeln und ein Schatten fiel über uns.
Für seine Größe annähernd lautlos setzte er uns gegenüber, außerhalb des Pentagons auf.
„Du hast mich gerufen, silberner Bruder! Trage deine Bitte vor!", die Stimme des Kupferdrachen ähnelte die meines Vaters nur in der Macht, die in ihr lag. Skyol richtete sich auf und bat: „Heute bringe ich meinen Sohn ins Pentagon! Ich habe entschieden, dass er reif genug ist, um über die Kraft des Wissens zu erfahren! Bitte belehre Vol mit deiner großen Weisheit!" Der Drache richtete seine Augen auf mich. „Wie alt bist du, Kind?" Meine Stimme zitterte ein wenig als ich erwiderte: „Zehn Jahre, mein Herr." Er lachte. Es war ein dröhnendes, tiefes Lachen. „Vol, du brauchst dich nicht vor mir zu fürchten! Solange es keinen triftigen Grund gibt, tun wir Verwandte uns nichts! Also, Skyohelryd möchte, dass ich dir die Bedeutung des Wissens lehre, -" Bei der Nennung des Namens Skyohelryd sah ich verwundert zu meinem Vater hinüber. Er nickte nur langsam und wies mich darauf hin, zuzuhören.
„- Stell dir eine Klinge vor. Diese Klinge ist aus dem besten Material weit und breit. Sie ist vom besten Zwergenschmied Faerûns geschmiedet. Die stärksten Zauber wurden in diese Klinge eingewoben. Diese Klinge wird einem normalen Schwertkämpfer gegeben. Dank der Klinge schlägt er alle seine Feinde und Duellanten. Zweikampf um Zweikampf schwingt er sich hoch auf den Thron des Königs. Er schickt überall Einladungen zum Duell mit ihm hin. Eines Tages kommt ein Elf zu ihm. „Ich wette um euer Königreich, dass ich euch mit einem Holzschwert im Duell besiegen kann!", verkündete er direkt vor ihm. Solche einer Provokation konnte sich der König nicht entziehen und kurze Zeit später stand er mit seiner getreuen Klinge dem Holzschert schwingendem Elf in der Arena gegenüber. Sowie der König es gewöhnt war, stürzte er sich nach vorne. So schnell er konnte ließ er sein Schwert auf den Elf niedersausen. Mitten in jenem Schlag verspürte er einen jähen Schmerz an seinen Fingern. Er ließ die Klinge fallen und fuhr zurück. Der Elf stand lächelnd neben ihm und wog des Königs Schwert in der Hand. Kreidebleich fragte der soeben Enteignete: „Wer bist du?" Der Elf lächelte und antwortete wahrheitsgemäß: „Ich bin Thamior Liadon, drittbester Schwertkämpfer der Elfengarde und ich habe euch zu danken. Ihr habt mir ermöglicht, mein eigenes Königreich zu führen. Und nun, hinfort mit euch!" Niedergeschlagen suchte der Mann einen Weisen auf, nachdem er geschildert hatte, was passiert war sprach der Weise: „Du bist ein Narr! Selbst das beste Mittel hilft dir nicht gegen einen Gegner, der entscheidend mehr über das Handwerk weiß als du! Du hast versucht Unwissen mit purer Stärke zu kompensieren. Unterschätz nie den Wert von Wissen, das soll dir eine Lehre sein!" Der Mann ging somit auf Wanderschaft und suchte den besten Schwertlehrer auf, den er finden konnte. Den Lehrer von Thamior Liadon höchst persönlich. Nach fünf Jahren hartem Training kehrte er zurück in die Hallen, die einst sein Eigen waren und trug vor: „Ich fordere den König, Thamior Liadon, heraus, gegen mich im Zweikampf um sein Königreich anzutreten!" Der Elf im Thron lehnte sich nach vorne und lächelte. Mit ruhiger Stimme antwortete er auf die Herausforderung: „Ich lehne die Herausforderung ab. Dieses Königreich ist nicht durch den Kampf zu erlangen!", stand auf und ging davon."
Als der Drache geendet hatte wurde sein Blick weicher. „Nun sag mir Vol, warum hat der Elf die Herausforderung zum Duell abgelehnt?" Ich legte den Kopf schief und dachte für eine kurze Zeit nach. Als ich eine Antwort gefunden hatte erwiderte ich: „Der Elf konnte sich schon denken, dass hinter der Aufforderung eine List oder Überlegenheit steckt, durch die er sehr wahrscheinlich verlieren würde. Genau diesen Fehler hatte der damalige König gemacht, er war zu hochmütig und hat keinen Moment mit nachdenken verschwendet." Unsicher, ob meine Antwort richtig war, richtete ich meinen Blick kurz auf meinen Vater. Er hatte ein breites Grinsen im Gesicht und zwinkerte mir zu. Der Kupferdrache entschied sichtlich begnügt: „Nimm Skyohelryd's Stab aus der Erde, er gibt dir etwas, was du noch verstehen musst."
Etwas zögerlich stand ich auf, schritt in die Mitte des Pentagons, umfasste den Stab mit beiden Händen und zog ihn aus dem Boden. Es prasselte alles auf einmal auf mich ein: Skyohelryd ist ein Drachenname, Wissen über Magie in vielerlei Formen, den Drachengott Zorquan der auf uns hinablächelt, ein Ritual zur Drachentransformation, eine geeignete Magierakademie, dass ein Kopfgeld auf einen Silberdrachen namens Skyohelryd ausgesetzt ist und dass mein Schicksal fern der Dragonjaw Mountains liegt. „Papa? Bist du ein Drache?", die Frage kam aus mir hervor, ohne dass ich darüber nachdenken hätte können. Sein lächeln verschwamm, und sein Schatten schien zu wachsen. Nach einer Minute, in der die Luft vor Spannung schier bersten hätte können, stand ein erwachsener Silberdrache im Pentagon. Er überragte den Kupferdrachen um ein gutes Stück und senkte den Kopf zu mir herunter. Ich ging zu ihm und legte meine Stirn an seine. „Heißt das, ich bin nicht nur ein Drachengeborener sondern ein Halb-Drache noch dazu?" Er pustete mich sanft an und ließ seine gewohnte, tiefe Stimme erklingen: „Als ich deine Mutter fand, war sie gerade aus ihrem Clan ausgestoßen. Sie hatte sich geweigert einen Gefangenen einer Clan-Fehde zu töten. Ihr eigener Clan sprach ihr die Ehre, und ihre Heimat ab und verstieß sie ins Exil. Ich hatte dem Urteil gelauscht und bin ihr eine Zeit lang gefolgt. Du kennst ihre sanfte Art, ihre Gutherzigkeit. Nach drei Tagen hatte ich mich in sie verliebt und offenbarte mich ihr als ebenfalls ausgestoßener eines weiteren Silber-Clans. Wir machten uns auf, um eine Heimat zu finden und bekamen einen Nachwuchs. Kurz nach deiner Geburt offenbarte ich Kava mein wahres Wesen. Sie wies mich nicht zurück sondern akzeptierte es mit Verständnis und Liebe. Wir beide wussten, dass ich mich vor den Kopfgeldjägern verstecken muss, und somit haben wir entschlossen, ein Leben im Exil zu führen und dich großzuziehen. Gestern habe ich erfahren, dass die Jägertruppe mir langsam auf die Spur kommt und ich habe mich dazu entschieden, euch zu eurem Wohl zu verlassen. Ich schenke dir meinen Wanderstab, den ich mit vielen Schichten an Wissen und Magie benetzt habe. Gebrauche ihn gut."
Eine einzelne Träne rann meine Wange hinab. „Warumkannst du nicht bleiben und die Jäger erledigen?" Er sah mir beiden goldenenAugen tief in die Seele. „Denk mit dem neuen Wissen aus der Lektion nach. Würdees mit dem Tod der Jäger aufhören? Nein. Wer auch immer sie geschickt hat, derwird noch mehr, und bessere Jäger als zuvor schicken. Du und Kava wäret damitin höchster Gefahr. Ich könnte es mir nicht mal im Tode verzeihen, euer Lebenaufs Spiel zu setzen. Ich bitte dich um zwei Dinge: Pass auf Kava auf und tunichts Unüberlegtes. Setze deine Ziele hoch und erreiche sie! Ich ziehe nun losund versuche die Jäger von eurer Spur abzubringen. Erklär Kava warum. Ichkönnte ihr dabei nicht in die Augen sehen. Behaltet mich in Erinnerung." Er zogseinen Kopf zurück, ging in die Hocke und schwang sich mit einem Sprung in dieLuft. Ich reckte meinen Kopf und wisperte: „Leb wohl." Er zwinkerte mir nocheinmal zu und stürzte sich dann in eine Windbö die ihn schnell davontrug.
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Voros Mora
FantasyDiese Geschichte ist sozusagen die Backgroundstory von meinem Dungeons & Dragons Charakter. Sie spielt in der Welt Faerûn circa um 1355. Mal schauen, ob ich die darauf folgende Story aus den Sessions noch einbaue.