Life is worth living.
Eine ältere Frau öffnete dem jungen Mann die Tür und betrachtete ihn von oben bis unten. „Kann ich Ihnen helfen?", fragte sie mit rauchiger Stimme. Harry vergaß im ersten Moment, was er sagen wollte. Die Frau sah unfassbar unfreundlich aus. Ihre braunen Haare hingen ihr ungekämmt ins Gesicht und auf dem Boden zertrat sie eine gerauchte Zigarette. Aus dem Haus kam ein seltsamer Gestank heraus und Harry schluckte, wollte wieder gehen. Doch er musste es tun. Für Avery.
„Ich, ähm, bin ein Klassenkamerad von Avery. Ich habe sie eben im Park getroffen und mit nach Hause genommen, weil sie starke Bauchschmerzen hat. Ich soll ihr nur kurz ein frisches T-Shirt und eine Jogginghose holen, weil sie vermutlich heute bei mir schlafen wird. Es geht ihr wirklich nicht gut." Nicht einmal Harry selbst hätte sich die Lüge abgekauft. Falls ihre Mutter es tun sollte, schätzte er sie nicht gerade intelligent ein.
„Ach, Avery? Ich dachte, sie wäre heute noch gar nicht aus ihrem Zimmer herausgekommen. Da muss ich wohl noch geschlafen haben", stellte die Frau fest. Im selben Moment kam ein älterer Mann in den Flur und legte von hinten die Hände um sie. Harry schätzte ihn auf fünfzig. Averys Mutter kicherte und widmete sich den Lippen des Mannes – vermutlich der Vater.
Als Harry sich räusperte, murmelte sie ihm schnell zu: „Ja, ja, geh nur rein. Oben links, zweiter Raum. Heraus findest du dann ja wieder alleine, hoffe ich." Und sie verschwand mit dem Mann küssend nach oben. Harry schüttelte ungläubig den Kopf und war erleichtert, dass er es so einfach hatte. Schnell schlüpfte er durch den Eingang und eilte die Treppen hoch. Das Haus war modern eingerichtet, stank jedoch bestialisch, weshalb er sich nicht lange aufhalten wollte. Er betrat den zweiten Raum auf der linken Seite und kam in Averys Zimmer zum Stehen.
Es war in einem lilafarbenen Ton gestrichen. Das Bett stand links in der Ecke. Rechts standen sowohl der Schreibtisch, als auch der Kleiderschrank und ein Regal. Es war grandios aufgeräumt, fast so, als wollte sie keinen Dreck hinterlassen, wenn sie ging. Ohne viel Zeit verlieren zu wollen, ging Harry auf das Bett zu und hob das Kopfkissen an. Er nahm den weißen, gefalteten Zettel in die Hand und steckte ihn in seine hintere Hosentasche. Er las ihn nicht. Es war ein Brief, der nicht an ihn adressiert war und es ging ihn in keinster Weise etwas an, was dort drin stand. Um mit seiner Tarnung nicht aufzufliegen öffnete er die Türen des Kleiderschranks und suchte sich zwei Oberteile, eine Jeans und eine Jogginghose heraus. Er ging davon aus, dass Avery ihre Gründe hatte, weshalb sie nicht hier her zurück wollte und da er sie auch nicht ihrem Schicksal überlassen wollte, würde sie wohl bei ihm übernachten. Avery würde bei ihm übernachten. Diesen Satz ließ er sich mehrmals durch den Kopf gehen, drehte und wendete ihn gedanklich, doch nichts stimmte ihn um. Es war, als wollte er sie auch gar nicht mehr gehen lassen. Zumindest nicht, solange er nicht die Wahrheit kannte.
Aus einem der Nebenzimmer ertönten auf einmal laute Geräusche. Es klang, wie ein quietschendes Bett und Harry riss erschrocken die Augen auf, als er männliches und weibliches Stöhnen vernahm. Um Gottes Willen. Er musste so schnell es ging raus hier. Also blickte er ein letztes Mal in das Zimmer zurück, als er schon an der Tür stand und ging im Kopf durch, ob er alles hatte, denn er wollte kein zweites Mal hier aufkreuzen. Hastig joggte er die Treppen herunter, als das Stöhnen lauter wurde und hetzte aus dem Haus zu seinem Auto. Als er saß und die Autotür geschlossen hatte, atmete er laut aus. Was hatte er sich da nur angetan? Und das alles für ein Mädchen. Hatten ihre Eltern wirklich nichts von Respekt gehört? Wie konnte man es nur so laut treiben, wenn ein Gast im Haus war? Noch dazu jemand, den man nicht gut kannte und bei dem man eigentlich einen guten Eindruck hinterlassen sollte. Harry schmiss schockiert den Wagen an und trat auf das Gaspedal.
„Sie verschwand mit deinem Vater nach oben und sie haben es lautstark getrieben", erzählte er Avery kurze Zeit später von seinem seltsamen Besuch bei ihr zu Hause. Sie sah ihn nachdenklich an und stöhnte seufzend auf: „Nein, haben sie nicht."
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Miracle ➳ Harry Styles
Teen FictionHarry und Avery. Ein Ort. Ein Wunder. Eine Liebe. Und eine Nacht, die das Leben der zwei schlagartig ändern sollte. © Lina Christin, Juli 2017 || Warnung: Dieses Buch handelt mitunter von Suizidgedanken - es wird keinesfalls eine ausführliche Beschr...