4. Filmriss

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Megan

        Die Menge verteilte sich langsam wieder. Ich stand an der Absperrung – regungslos – und klammerte mich an der Eisenstange fest.

        Meine Knie wurden immer weicher und in meinem Kopf alles immer chaotischer.

        Ich wusste, Jona hatte bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Wenn er seine Meilen gelaufen war, musste ich wohl oder übel mit ihm reden.

        Was sollte ich sagen?

        Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm sofort klar machen sollte, dass ich es einfach nur scheiße fand, dass er mir nichts von dem Internat gesagt hatte. Oder vielleicht sollte ich ihm einfach erklären, dass ich es nicht aushalten würde.

        Ich würde weinen.

        Bei Gott, das wollte ich am liebsten jetzt schon!

        Neben mir tauchte Eliza auf und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Absperrung. Sie musterte mich. „Hey, ist alles gut bei dir?“

        Alles okay?

        Alles gut bei dir?

        Verdammt, ich konnte diese Fragen nicht mehr ab!

        Ich löste eine Hand vorsichtig von der mich haltenden Eisenstange und drehte mich zu Eliza. „Natürlich“, lispelte ich. „Ich bin bloß etwas schlapp“

        Sie runzelte die Stirn und studierte mein Gesicht. „Ja, du bist echt blass“ Ihre Augen durchlöcherten meine.

        Auf einmal erschien für zwei Sekunden ein Bild vor meinen Augen. Ich sah mich, wie ich mich anstarrte. Ich stand in einem Bad vor einem Spiegel und stützte mich mit beiden Händen auf dem Waschbecken ab. Als ich runter schaute, sah ich meine Schlafsachen an mir.

        Hatte ich einen Filmriss? Ich wusste überhaupt nicht, wie ich dort hingekommen war. War es nur ein Tagtraum? Nein, dafür fühlte es sich zu echt an. Ich konnte das weiße Porzellan deutlich an meinen Handflächen spüren. Wie der Rauch einer Kerze, verwischte das Bild plötzlich wieder. Ich erschrak und zuckte zusammen, als Eliza vor mir stand. Meine Hände umklammerten die Eisenstange.

        Was zur Hölle war das?!

        Ich war wieder hellwach. Adrenalin pulsierte durch meine Adern. Mein hämmerndes Herz erschütterte meinen ganzen Körper.

        „Du benimmst dich heute echt schräg“, stellte Eliza fest. Sie nahm mein Handgelenk und hakte mich bei ihr ein. Anscheinend hatte sie bemerkt, dass ich keinen besonders festen Stand hatte.

        Ich wurde von ihr mitgezogen, bis wir bei den anderen waren. Amanda, Loreen, David und Lucas saßen auf der Tribüne. Während wir die Stufen hinaufstiegen, hatte ich bei jedem Schritt das Gefühl, ins Leere zu treten.

        Ich muss aber zugeben, dass man dort oben auf jeden Fall vor dem Andrang sicher war, der einen unten auf dem Sportplatz erwartete.

        Eliza platzierte mich neben David. Er lächelte und bot mir was von seinen Pommes an: „Willst du was?“

        Ich schüttelte den Kopf. „Nein, danke“

        „Maggie geht’s nicht gut, Dave“, meldete sich Eliza. Prompt hatte ich die Blicke von allen fünf auf mir. Sogar Amanda hatte es hinbekommen, einmal von ihrem Handtaschenspiegel aufzuschauen.

        Loreen fragte als Erste. „Was ist los?“

        „Nichts, nichts…“

Lunar - Augen, wie EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt