WINGS

Ob es wohl sowas wie Engel gibt?
Diese Frage hatte sich bestimmt jeder schonmal in seinem Leben gestellt, die Antwort mal dahin gestellt. Mich eingeschlossen. Jeder, der nicht ganz von Sinnen ist, würde wohl mit "nein" antworten. "Sowas ist unmöglich, Menschen können keine Flügel haben" Auch wenn ich diesem Fakt zustimme, hält mich das in keinster Weise davon ab, es trotzdem zu glauben.

Diese Menschen ähnliche Gestalt, welche anmutig mit ausgestreckten, weißen, in der Abendsonne rot-orange leuchtenden Flügel in der Luft schwebt, als wären alle Naturgesetze non-existent. Wessen Pracht einen die Luft zum Atmen nimmt. Wessen Flügelschläge die Luft um sich herum in Bewegung setzt, als würde es versuchen diese abzuschütteln und einem beim schließen der Augen, wie ein lauer Sommerabend auf dem Feld vorkommt, dessen sanfter Wind einen die Haare leicht ins Gesicht weht. Diese göttliche Gestalt mit einer ebenso anmutigen Persönlichkeit, welche mit seinesgleichen über den Wolken lebt, wo  alle Traurigkeit verblasst und jede Sünde vergeben wird, wo jeder Wilkommen ist und es niergends Krieg gibt.

Zurück in der Realität angekommen kann man nur hoffen, dass die Menschheit eines Tages auf die selbe Art und Weise leben wird. Eine Illusion, von Menschen geschaffen, die niemals wahr werden wird. Solange Individualität existiert, wird dies niemals möglich sein. Versteht mich nicht falsch, Individualität ist was sehr gutes, jedoch beinhaltet dies auch Meinungsverschiedenheit, was sich so weit erstrecken kann, dass einer schlechte oder egoistische Absichten hat und damit durchkommt.

So kommt es, dass man täglich in den Nachrichten mitverfolgen kann, dass mal wieder jemand getötet wurde, dass mal wieder ein Geschäft oder eine Person ausgeraubt wurde, dass Menschen in vielen Ländern an der herrschenden Hungernot zugrunde gehen, dass irgendwo auf der Welt der Krieg weiterhin anhält und dass der Rest der Welt dies in Form von Anschlägen zu spüren bekommt.

Ich fühle mich in dieser Welt so fehl am Platz. Als hätte ich hier niemals hingehört, sondern wäre nur ausversehen hier gelandet, weil ich als Engel vom Himmel gefallen bin und dann mein Gedächtnis verloren hatte.
Das wäre schön.
Ein Engel sein.
Einfach seine Flügel ausbreiten und losfliegen. Auf das man den schmerz dieser Welt nicht mehr ertragen müsste. Bislang versuchte ich immer das beste aus der Situation zu machen. Es wollte meistens allerdings nur mehr oder minder klappen. Zu meiner Enttäuschung natürlich.

Wieder einmal sitze ich an meinem Lieblingsort, am Rand des Daches von dem Hochhaus, in dem ich wohne. Meine Eltern sind wie immer auf der Arbeit, somit kann mich auch keiner daran hindern, dort zu sitzen. Manichmal hasste ich es Sklave meiner eigenen Gedanken zu sein, denn zu oft zogen sich mich zurück in das Loch, gegraben von ihnen selbst, aus dem ich so große Mühe hatte wieder hinaus zu kommen.

Also stehe ich nun hier, schließe meine Augen und stelle mir vor, wie ich meine Flügel ausbreite, welches ich durch das Armeausbreiten in der Realität verdeutliche, wie ich mich einfach fallen lasse und wie ich, bevor ich auf den Boden aufkomme, mit einem Flügelschlag in der Luft stehen bleibe.
Langsam merke ich, wie sich mein Körper nach vorne lehnt, wodurch sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen schleicht.

Plötzlich höre ich, wie die Metalltür etwas weiter hinter mir aufgeschlagen wird. Ich reiße meine Augen auf und drehe mich in einer Bewegung um. Leider konnte ich meinen Körper nicht daran hindern, weiter nach hinten zu kippen.
"NEIN, TU'S NICHT"
Ich konnte gerade noch erkennen, dass es mein bester Freund war, bevor nurnoch meine ausgestreckte Hand auf der Höhe der kleinen Erhöhung des Daches war. Nur ein leises "Es tut mir leid" entkommt meiner Kehle, bevor ich nurnoch die Steinfassade und die Fensterreihen erkennen kann, die von den letzten Sonnenstrahlen des Tages angestrahlt werden und in dessen Scheiben sich die Sonne und ich selber spiegeln. Erneut schließe ich meine Augen, aber dieses mal habe ich nicht vor diese noch einmal zu öffnen.

Nun kann ich endlich frei sein. Wie ein gefallener Engel, der sein Weg zurück nach Hause findet.