Liebe bis zur Schlafenszeit

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Liebes Tagebuch,
Neulich habe ich mich erneut in mein Versteck hinter dem quietschenden Arzneischrank meiner Mutter begeben, der vor seltsamen Gerüchen nur so sprüht. Ich weiß zwar das manche Patienten wirklich viele Medikamente nehmen, diese auch jeweils stark dosiert werden müssen und es deshalb so riecht, jedoch finde ich das sie ruhig mal ein Duftbäumchen hinein hängen könnte. Schaden kann es jedenfalls nicht.
Was ich eigentlich sagen wollte ist, dass ich ein brisantes Geheimnis belauschen konnte. Es soll jemand neues in die Anstalt kommen. Einer, der schon viel schlimmes getan haben muss, denn es wurden extra für ihn unheimlich viele Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Sein neues Zuhause, wenn man die stinkende alte Zelle überhaupt so nennen kann, ist Zelle A1. Jeder hier kennt diesen Raum und niemand will dort eingesperrt werden. Die Wände bestehen aus Gummi, die Fenster sind so dick das man nicht durch sehen kann und die Tür besteht aus einem breitem Metall, mit einem einfachen Schiebeschlitz zum durchsehen und essen hinein reichen. Während sich die meisten anderen Insassen hier frei bewegen dürfen, ist A1 eine Isolationszelle und extra dafür geschaffen worden jemanden drin zu behalten. Jemanden Verrücktes. Und so jemand kommt bald hier an und ich freue mich schon wie ein Honigkuchenpferd. Der Vergleich ist doof ich weiß aber egal. Ich muss es nur irgendwie an meiner Mutter vorbei schaffen. Sie wird mir garantiert wieder verbieten in die Nähe ihrer Patienten zu gehen doch wie üblich werde ich nicht auf sie hören. Die anderen werden langsam langweilig. Immer sind es nur einfache Geschichten vom Tod der Eltern, weshalb die jeweilige Person in ein tiefes Loch gefallen war, sich ritzte, anfing Drogen zu nehmen und komplett abrutschte. Das waren olle Kamellen. Und genau deshalb freue ich mich auch so auf diesen neuen Typen.

Völlig euphorisch klappte ich mein geliebtes Tagebuch zu und betrachte es eingängig. Meine Finger glitten wie von selbst über den schwarzen Einband, auf dessen Fläche ich meine Gravur mit den Fingern erkannte. Ich hatte lediglich aus Spaß meinen Namen hinein geritzt, jedoch gab es diesem wertlosem Ding das es zu tausenden gab irgendwie etwas individuelles. ,,Ich freu mich schon auf dich", murmelte ich lächelnd und dachte erneut an den Neuankömmling. Heute Nacht, um niemanden auf ihn aufmerksam zu machen, würde er getarnt von der Dunkelheit und geschützt durch die Nachtruhe in die Klink meiner Mutter verfrachtet und in seine Zelle gesperrt werden. Und es würde nicht lange dauern bis ich ihn besuchen würde.
Mit einem Ruck setzte ich mich auf, ließ den Stuhl dabei über den alten Holzboden knarzen, sodass er dieses widerliche Geräusch von sich gab. Für einige Sekunden lief mir ein Schauer über den Rücken bis ich mich wieder fing und mein Zimmer verließ. Kurz vorm Verlassen des Raumes stopfte ich das kleine Buch zurück in sein Versteck unter meinem Kleiderschrank und schloss die Zimmertür hinter mir. Glücklich sprang ich im Hoppsalauf die steril riechenden Gänge entlang. Manche Leute sagten ich wäre zu kindisch und zu unterentwickelt für meine sechzehn, fast siebzehn Jahre. Ich selber behauptete das dass alles mit den verrückten Psychos zu tun hatte mit denen ich mich regelmäßig beschäftigte. Auch wenn Dr. Dr. Kano, also meine Mutter, mich so gut es ging von den restlichen Leuten hier isolierte, klappte das nicht so gut wie sie es sich erhoffte. In ihren Arbeitszeiten konnte sie schließlich nicht aufpassen wo ich hinging. Und das war meistens der Gemeinschaftsraum in dem sich die weniger kranken befanden. Und zu genau dem wollte ich nun, um die frohe Botschaft eines neuen Wahnsinnigen zu verkünden.

,,Und hier und da und überall", empfing mich die wohlklingende, leise singende Stimme eines Mädchens. Ich hatte es noch nie erlebt das sie einmal nicht sang um ihre wunderschönen Klänge zu verbreiten. Ihr Name war Slita. Um ehrlich zu sein verstand ich nicht wer sein Kind so nennen konnte, doch sie war einer der wenigen hier mit denen man sich noch annähernd normal unterhalten konnte. ,,Guten morgen", trällerte sie mir entgegen, kam dabei auf mich zugesprungen und umarmte mich hastig. Zu viel Körperkontakt machte sie nervös, weshalb sie Begrüßungen und Verabschiedungen von Grund aus kurz hielt. ,,Morgen", erwiderte ich ebenfalls.
,,So wie ich dich kenne kommst du nicht ohne irgendwelche Informationen, hab ich recht Juno?" ,,Wie immer absolut scharfsinnig Slita." Ich lächelte kurz über ihre Beobachtungsgabe die wirklich sehr ausgeprägt war. Das Mädchen hatte innerhalb von einem Monat erkannt das ich mir immer mit dem Daumen über den Zeigefinger strich wenn mir langweilig war. Normalerweise achtete niemand auf die Finger anderer Leute, da die sich eh fast immer bewegten. Sie jedoch filterte solche Informationen heraus. ,,Na dann schieß los." Erst schaute ich mich unsicher um, da ich auf jeden Fall vermeiden wollte belauscht zu werden. Doch als ich keine Menschenseele erspähen konnte, verriet ich ihr unseren Neuzuwachs. ,,Heute Nacht kommt ein Neuer. Er soll in Zelle A1 kommen. Ein richtiger Psycho. Genaueres weiß ich noch nicht aber das wird nicht lange so bleiben." Ein fettes Grinsen zierte mein Gesicht. Ich freute mich nunmal unheimlich auf so einen Spezialfall. Ich war wirklich schon abgehärtet was seltsame Typen anging, weshalb mir langsam langweilig wurde. Da ich auch hier wohnte, nämlich in einer kleinen Wohnung im obersten Stockwerk der Anstalt mit meiner Mutter zusammen, hatte ich auch bereits einiges erlebt. ,,Hört sich interessant an. Erzähl mir wer das ist wenn du ihn siehst", bestimmte sie mit glänzenden Augen. Ja auch sie war schon zwei Jahre hier, weshalb auch ihre Nerven langsam zum zerreißen gespannt waren und sich auf jeden Tratsch stürzten den sie bekommen konnte. ,,Cry like a baby, have a little nose", sang sie plötzlich, drehte sich um und verschwand den langen Gang entlang zu ihrem Zimmer. Ich zuckte nur mit den Schultern, da ich das bereits gewöhnt war und außerdem wusste das es einer ihrer Ticks war. Sie vergaß was sie gerade tat, ließ alles stehen und liegen und widmete sich anderen Dingen ohne einen Gedanken an die vorherig ausgeübte Tat zu erinnern.
Mich sollte es nicht kümmern und so lief ich weiter durch die Gänge, verbreitete die frohe Botschaft bis es endlich Zeit für die Nachtruhe war. Jetzt war es soweit.

Blutsträne (Jeff the Killer FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt