Vera krallte sich am Sitz fest und hoffte, dass sie diese Fahrt überleben würde.
''Würde es dir etwas ausmachen, etwas langsamer zu fahren?'' fragte sie ängstlich. ''Ja, wir müssen ihn finden'' sagte Vanessa und erhöhte das Tempo. Vorsichtig lugte Vera auf den Tacho, der 190 km/h anzeigte.
''Also, du bist Aarons Nichte?'' fragte Vera vorsichtig und starrte auf die Straße. ''Ja'' sagte Vanessa grinsend. ''Ich bin die Tochter seiner Schwester.'' Irritiert sah Vera zu ihr hinüber. ''Aaron hat keine Schwester'' sagte sie überzeugt. ''Doch, aber sie wurde vor allen geheim gehalten, weil sie unehelich gezeugt wurde'' erklärte Vanessa. ''Und wer ist dann ihre Mutter?'' fragte sie. ''Die Affäre von Aarons Vater'' sagte Vanessa. Vera nickte verständnislos. Sie ging im Geiste Vanessas Worte nach.
Aarons Vater hatte eine Affäre, die eine Tochter bekommen hat. Und das ist Vanessas Mutter und Aarons Halbschwester...
''Ok, aber seine Schwester ist tot?'' fragte Vera. Zustimmend nickte Vanessa.
''Und warum hast du mich aufgesucht?'' Vera erinnerte sich an das seltsame Treffen, dass sie in dem Café gehabt hatten.
''Hör zu, ich wollte dir nie etwas tun. Ich wollte immer nur helfen, glaub mir'' bat Vanessa. ''Ich hab von Bekannten gehört, dass du in meiner Gegend seist und ich war neugierig'' gestand Vanessa, ''als ich dich dann gesehen habe, war ich enttäuscht. Ich dachte, du wärst größer und beeindruckender. Aber ich muss gestehen, der erste Eindruck täuscht.'' Vera grinste über das Kompliment, ''danke.'' ''Nichts zu danken, aber du hast echt was auf dem Kasten. Ich meine, die Liebe deines Lebens zu verlassen, um ihn zu schützen, verdient meinen Respekt. Und das du deine Schwester allein gelassen hast, Hut ab. Ich hätte das Alles nicht gekonnt'' gab Vanessa zu.
Nachdenklich ließ Vera sich in den Sitz sinken. Die Liebe meines Lebens... Schuldgefühle drohten sie zu übermannen und sie spürte, wie Tränen in ihr aufstiegen.
''Hab ich etwas Falsches gesagt?'' fragte Vanessa, die sie intensiv beobachtet hatte. ''Wenn ja, tut es mir leid.'' ''Schon gut'' sagte Vera und sah aus dem Fenster.
''Weißt du, es war verdammt schwer loszulassen, aber irgendwann habe ich nicht mehr darüber nachgedacht und ich muss gestehen...ich habe nicht einmal daran gedacht, zurückzukehren.''
Nur schwer konnte sie ein Beben ihrer Stimme unterdrücken. ''Ich war glücklich'' murmelte Vera, ''auch wenn ein Teil in mir, Aaron vermisst hat.'' Mitfühlend legte Vanessa ihre Hand auf Veras Bein und streichelte sie behutsam. ''Du bist stark und mutig'' sagte Vanessa ''und ich beneide dich.''
''Warum?'' fragte Vera verwirrt. Wie kann jemand, wie Vanessa, mich beneiden?
''Du hast dein Leben vor dir, du kannst alles machen, du kannst entscheiden, wie du lebst. Das kann ein Vampir nicht. Wir können nicht lange an einem Ort leben, ohne das es auffällt, dass wir nicht altern'' lächelte Vanessa traurig. ''Warum wurdest du so?'' fragte Vera vorsichtig.
''Ich war mit einem Vampir zusammen und wollte ewig an seiner Seite bleiben. Auf meine Bitte hin, hat er mich verwandelt. Wir waren glücklich, bis er im Kampf starb. Seitdem bereue ich meinen Entschluss'' erklärte Vanessa tonlos. Behutsam legte Vera ihr eine Hand auf die Schulter, ''das tut mir leid.'' ''Muss es nicht.''
Betreten sah Vera wieder aus dem Fenster.
''Und wieso versuchst du Aaron zu helfen?'' fragte Vera schließlich. ''Weil er mein Onkel ist und weil ich damals Mist gebaut habe'' antwortete sie. ''Mist?'' hakte Vera nach. ''Ich hab damals seine und Kevins Geliebte getötet'' gab Vanessa zu. ''Es hat Aaron wahnsinnig gemacht, er war genauso drauf wie jetzt.'' Überrascht hob Vera die Augenbrauen. Aaron ist schon einmal so ausgetickt? ''Ich hab es damals geschafft, dass er wieder normal wurde'' sagte Vanessa. ''Und wie hast du es geschafft?'' ''Ich hab ihn über 50 Jahre eingesperrt und mit Tierblut gefüttert'' grinste Vanessa zufrieden.
''Heißt, wir müssen ihn 50 Jahre einsperren?'' fragte Vera geschockt und hoffte, dass es nicht nötig sei. ''Nein, dafür mordet er nicht genug'' lachte Vanessa. ''Und was machen wir dann?'' ''Ich hab die Hoffnung, dass wenn er dich sieht, aufhört und zur Vernunft kommt'' sagte Vanessa.
Nach weiteren Stunden waren sie an der alten Hütte angekommen.
Vera stieg aus dem Wagen und rutschte weg. Der Boden war matschig und es
begann zu Regnen. ''Verflixt'' fluchte Vera.
''Ich bleib hier. Falls er da ist und etwas passiert, komm ich und rette deinen Hintern'' sagte Vanessa grinsend und zog die Beifahrertür zu. War klar, bleib du im Trockenen...
Vorsichtig stapfte sie durch den Matsch. An der Hütte angekommen, drückte sie langsam die Tür auf. Es war nicht abgeschlossen, was Vera verdächtig vorkam.
Der Raum war verlassen und dunkel. Niedergeschlagen trat sie ein und betätigte den Hauptschalter, damit das Licht anging. Der gewohnte Raum lag vor ihr, doch etwas fehlte. Aaron fehlte. Bedrückt ließ sie sich auf dem Sofa nieder und legte ihre Hände ans Gesicht.
''Ich habe nichts von dieser Hütte gewusst'' sagte Vanessa, die plötzlich in der Tür stand. Ihre Worte ignorierend, entzündete Vera den Kamin.
''Ich hab Hunger und bin total müde'' sagte Vera, stand auf und holte eine Tiefkühlpizza aus der Kühltruhe. ''Hast du auch Hunger?'' fragte Vera. ''Ich esse keine Pizza'' lachte Vanessa. Vera verdrehte die Augen, öffnete den Kühlschrank und holte einen Blutbeutel heraus. Schwungvoll warf sie ihn Vanessa zu. ''Danke'' grinste Vanessa und ließ sich aufs Sofa nieder. Müde ließ Vera sich neben ihr nieder und zog die Beine an.
''Wolltest du mir weh tun?'' fragte Vera und erntete einen skeptischen Blick. ''Ich mein, wolltest du mich umbringen?'' Kopfschüttelnd sah Vanessa sie an. ''Wutausbrüche liegen in der Familie'' sagte Vanessa nüchtern. ''Tut es noch weh?'' Verneinend schüttelte Vera den Kopf. ''Lass mich mal sehen'' forderte Vanessa und Vera zog ihren Pulli aus. Behutsam tastete Vanessa ihre Verletzung ab.
''Du heilst schnell'' murmelte sie. ''Hä?'' irritiert sah sie auf ihren Arm hinab und sah, dass ihre Verletzungen fast verschwunden waren. ''Komisch'' murmelte Vera und Vanessa gleichzeitig.
''Darf ich etwas ausprobieren?'' fragte Vanessa und umfasste Veras Handgelenk. ''Was denn?'' Ohne auf ihre Frage zu antworten, schnitt Vanessa mit ihrem Fingernagel in Veras Haut. ''Tats weh?'' fragte Vanessa besorgt. ''Nein. Irgendwie nicht'' murmelte Vera und starrte auf den winzigen Schnitt, aus dem kleine Blutrinnsale kamen. Beide beobachteten ihr Handgelenk und stellten überrascht fest, dass es sofort heilte.
''Was zum Teufel...'' hauchte Vanessa und strich über die verheilte Wunde. ''Heilige Scheiße,'' stieß Vera hervor ''mach das nochmal.'' Wieder ritzte sie Veras Handgelenk auf, aber diesmal tiefer. Ein brennender Schmerz schoss durch ihre Hand und Vera zuckte zusammen. Innerhalb weniger Sekunden war ihr Handgelenk geheilt. ''Warum..?'' fragte Vanessa irritiert, stand auf und lief nervös auf und ab. ''Ich weiß nicht'' gab Vera zu.
Verzweifelt griff sie zu ihrem Handy und wählte Kevins Nummer, er ging nach den zweiten Tuten ran.
''Was ist passiert?'' fragte er besorgt. ''Kevin, irgendwas stimmt nicht mit mir!'' sagte sie hysterisch. ''Was?'' fragte er irritiert. ''Ich heile so schnell wie Aaron und du!'' ihre Stimme wurde zu einem hysterischen Kreischen. ''Vera, bleib ruhig, dass ist unmöglich'' sagte Kevin.
Abrupt wurde Vera das Handy aus der Hand gerissen.
''Nein Kevin, es stimmt. Sie heilt unnormal schnell'' sagte Vanessa. Nervös beobachtete sie Vanessa. ''Ja, mehrfach'' sagte Vanessa zu Kevin und sah zu Vera hinüber. ''Ich weiß es nicht...Ok... bis dann'' sagte Vanessa und legte auf.
''Was hat er gesagt?'' fragte Vera angespannt. ''Wir sollen ruhig bleiben und wir klären das später'' erklärte Vanessa und trank den Rest ihres Blutbeutels.
''Wir brauchen Tequila'' beschloss Vanessa und holte eine Flasche aus dem Regal. Dankend nahm Vera einen großen Schluck. Angeekelt schüttelte sie sich und reichte Vanessa die Flasche. ''Langsam'' lachte Vanessa und schüttete sich etwas ins Glas.
Tief durchatmend nahm Vera die Flasche wieder an sich und nahm einen weiteren großen Schluck.
Nach wenigen Schlücken, machte sich der Alkohol bemerkbar und vor Veras Augen schwankte alles. ''Isch bin a Freak'' nuschelte Vera betrunken. ''Du bist kein Freak'' widersprach Vanessa und nahm ihr den Tequila weg.
''Du solltest schlafen gehen'' meinte Vanessa und half Vera beim Aufstehen. Betrunken torkelte Vera zum Bett und ließ sich darauf fallen. ''Dageschöööön'' lallte Vera und schlief ein.
Mit dröhnenden Kopfschmerzen wachte Vera auf. Ihr war übel und sie hatte wahnsinnige Kopfschmerzen.
Benommen wackelte sie zum Küchentisch. Ein Glas Saft, eine Tablette und ein Zettel waren um den Pizza Teller gelegt. Auf dem Zettel stand in sauberer Schrift: Bin gleich zurück.- Vanessa
Schläfrig aß sie ein Stück Pizza, legte es aber wieder weg, als die Übelkeit stärker wurde.
Die Tür ging auf und eine pfeifende Vanessa kam herein gehüpft. ''Na, wie geht es dir?'' trällerte sie. ''Mies'' murmelte Vera und hielt sich den Kopf. ''So ein Kater ist schon Scheiße'' lachte Vanessa ''nimm die Tablette, dann geht’s dir besser.'' Vera folgte ihrer Aufforderung und nahm die Tablette.
''Wo warst du eigentlich?'' fragte Vera und rieb sich den Schlaf aus den Augen. ''Ich habe nach Spuren gesucht'' erklärte Vanessa und ließ sich auf einen Stuhl fallen. ''Hab aber nichts gefunden'' sagte sie enttäuscht.
''Ich geh duschen'' beschloss Vera und ging ins Bad. Geistesabwesend duschte sie und zog sich wieder an.
Leise Stimmen drangen zu ihr ins Bad und sie trat ins Wohnzimmer.
Vanessa hatte das Radio eingeschaltet und lauschte gespannt, doch Vera ignorierte es. Gedankenverloren strich sie über ihre Narbe am Bein und musste an Aaron denken. Sie vermisste ihn, auch wenn sie sich ständig dagegen wehrte. Er wollte nicht aus ihrem Kopf verschwinden.
Plötzlich jubelte Vanessa und sprang auf. ''Aaron ist hier!'' rief sie und griff nach einer Jacke. ''Was?'' fragte Vera irritiert. ''Komm, beweg dich!'' rief Vanessa und zerrte Vera hinaus. ''Aaron ist hier'' grinste Vanessa uns sprang in den Wagen. Skeptisch stieg sie ein. Aaron ist hier? Genau hier in Österreich?
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Vom Engel geküsst
ParanormalVera, 18Jahre alt, muss das Shadow and Light Internat besuchen. Verschlossen, wie sie ist, freundet sie sich nur langsam mit anderen an. Als sie dann 6Jugendlichen begegnet ist die Katastrophe schon im vollem Gang. Eigenartige Dinge geschehen. Träu...