Kapitel 63

30 4 0
                                    

Vera schlug die Autotür zu und lief zum Haus. Müde schleppte sie sich ins Haus und ging zum Wohnzimmer.
   ''Hallo'' murmelte Vera und ließ sich erschöpft auf dem Sofa nieder. ''Was von den Anderen gehört?'' fragte Vera. ''Nein, keiner geht ans Handy.'' Niedergeschlagen legte sie sich hin und zog die Beine an. ''Du kannst deine Beine ruhig auf meinen Schoß legen'' bot Vanessa an. Dankend tat sie es. ''Und Aaron?'' murmelte Vera schläfrig. ''Spazieren'' antwortete Vanessa und griff zu einer Decke. Behutsam breitete Vanessa sie über Vera aus.
   Die Müdigkeit überwältigte Vera und sie schlief ein.

Aaron stand vor Vera und strich ihr zärtlich übers Gesicht. Ihre Augen glänzten und sie sah so verliebt aus, als wäre Aaron der Einzige auf dieser Welt. ''Ich liebe dich, Mylady'' flüsterte er und küsste sie.
   Plötzlich verschwamm die Szene.
Aaron beugte sich über einen leblosen Körper. Vera musste genauer hinsehen, um die Frau zu erkennen.
   Sie hatte braunes langes Haar, lange Wimpern, grün-blaue Augen, herzförmige Lippen und eine schlanke Figur. Geschockt stellte sie fest, dass dieser leblose Körper, ihr eigener war.
   Aaron hatte rubinrote Augen und war blutverschmiert, sie wollte auf ihn zu gehen, doch sie wurde fortgerissen.

Schreiend wurde Vera wach.
   Vanessa und Kevin beugten sich besorgt über sie. Panisch tätschelte Kevin ihr Gesicht. ''Wach auf, wach auf'' flehte er. Schlagartig riss sie die Augen auf. ''Endlich!'' seufzte Vanessa erleichtert und umarmte Vera. Abwehrend hielt sie die Hände hoch.
   Kalter Schweiß lief ihr den Rücken entlang und ihr Gesicht war nass. Beschämt strich sie sich übers Gesicht und stellte fest, dass Blut an ihren Händen klebte. Ängstlich schrie sie auf.
   ''Beruhige dich!'' bat Kevin. ''Was...?'' keuchte Vera und starrte auf ihre Hände. ''Deine Tränen sind rot'' erklärte Vanessa achselzuckend. ''War es eine Vision?'' fragte Kevin, doch sie schüttelte den Kopf. ''Nein...'' ''Was dann?'' fragte er besorgt. ''Aaron'' murmelte Vanessa. Betroffen nickte Vera und erkannte, wie der Schock in ihre Gesichter trat.
   ''Was ist mit mir?'' fragte Aaron am Türrahmen. ''Nichts'' wehrte Vanessa ab.
''Wo ist Luise?'' fragte Vera und sah sich um. Kevin rieb sich verzweifelt die Stirn, ''das ist kompliziert.'' ''Sag es mir'' forderte Vera und setzte sich auf. ''Die Roten...Sie haben...'' stotterte er nervös. ''Sie haben Luise entführt'' beendete Aaron und kam auf sie zu.
   Schützend stellte Vanessa sich zwischen sie. Vera mied seinen Blick und suchte Kevins Augen, die in die Leere starrten.
   ''Ist es war?'' hauchte Vera und Kevin nickte. Unfähig zu weinen, starrte sie ihn an. Passiert das gerade wirklich? Wie viel ertrage ich noch?
   Ohne nachzudenken warf sie sich in seine Arme. Kevin strauchelte einen Moment, aber umarmte sie dann fest.
   ''Wir müssen sie finden'' flüsterte sie an Kevin Brust. ''Das werden wir'' sagte er überzeugt und strich ihr übers Haar. Vorsichtig drückte er sie von sich und nahm ihr Gesicht in die Hände. ''Wir werden sie finden'' sagte er wieder ''das verspreche ich.'' Zögernd nickte sie ''ok.'' Behutsam beugte er sich vor und küsste sie auf die Stirn.
   Ein wütendes Schnauben ertönte und Aaron rauschte davon. Gekonnt ignorierte sie es und ließ sich von Kevin in eine weitere Umarmung ziehen.
   ''Ich hab dich vermisst'' murmelte Vera und er drückte sie fester. ''Ich dich auch'' sagte er und Vera konnte ein Lächeln in seiner Stimme wahrnehmen.
   Plötzlich unterbrach Veras Handy die Stille und sie zuckten zusammen.
Vorsichtig löste sie sich von ihm und holte ihr Handy aus der Tasche. Auf dem Display leuchtete Jays Name. Vera biss sich auf die Unterlippe, schüttelte den Kopf und drückte drückte den Anruf weg.
   ''Wer ist das?'' fragte er neugierig. ''Niemand'' murmelte sie nachdenklich und steckte das Handy wieder weg. ''Ich frag nur, weil du mich letztens Jay genannt hast, als du dir den Kopf aufgeschlagen hast'' erklärte Kevin. ''Niemand, dass habe ich doch schon gesagt'' sagte Vera leicht gereizt. Kevin wollte etwas entgegnen, wurde aber durch laute Stimmen vor dem Haus gestört.
   ''Du bist selber Schuld!'' schrie Vanessa wütend. Sie streiten... Langsam lief Vera zur Haustür. ''Du hättest sie nicht mitbringen dürfen!'' brüllte Aaron. Jap...Es geht um mich. Genervt öffnete sie die Tür und beobachtete die Streitenden.
   Aaron und Vanessa standen sich gegenüber und funkelten sich gefährlich an, als würden sie jeden Moment, aufeinander los gehen.
   Geistesabwesend starrte Vera Aaron an. Er trug eine schwarze Hose, ein weißes Shirt und seine Lederjacke. Sein Haar, war wie immer verspielt zerzaust und seine Augen hatten das gewohnte Orange. Alles an ihm, war er selbst, doch Vera empfand nichts. Wenn sie ihn ansah schnürte sich ihre Brust zu, sie bekam Atemnot. Ihr Herz setzte aus und Angst, Verzweiflung, Trauer, Hoffnungslosigkeit und Resignation beherrschten sie. Das Loch in ihrem Herzen wuchs zu einer tiefen Grube heran und drohte sie zu verschlingen.
   ''Was hätte ich tun sollen?'' fragte Vanessa und holte Vera aus ihren Gedanken. ''Ok, dass reicht'' murmelte Vera und lief auf die Streitenden zu.
   Schützend stellte sie sich vor Vanessa und funkelte Aaron wütend an. ''Halt den Mund'' fauchte Vera und starrte Aaron mitten ins Gesicht. Seine Gesichtszüge wurden weicher und in seinen Augen lag tiefe Traurigkeit. ''Geh'' wies sie Vanessa an, die ihrer Aufforderung folgte und zu Kevin auf den Treppenabsatz ging.
   ''Nessi hat Recht! Du trägst an allem die Schuld. Wenn du nicht durchgedreht wärst, wäre ich nicht zurück gekommen, um dich zu finden! Meine Schwester wäre in Sicherheit und ICH...Ich wäre glücklich!'' Nervös fuhr Aaron sich durchs Haar und wand den Blick ab. ''Sag so etwas nicht'' bat er kleinlaut. ''Ich soll so etwas nicht sagen? Wen willst du verarschen?!'' fragte sie wütend und ihre Stimme wurde immer lauter. ''Sieh mich nicht so an'' bat er und hob den Blick. Verwirrt runzelte sie die Stirn. Wie sehe ich ihn denn an?
   ''Ich kann dich ansehen, wie ich will'' fauchte sie und verengte die Augen. ''Behandel mich nicht wie Abschaum...bitte'' sagte er kleinlaut, doch er wand den Blick nicht ab. Vera lachte laut auf. ''Nein? Soll ich nicht? Bisschen ironisch, findest du nicht?'' fragte sie gereizt.
   ''Ich bin mit einer wild Fremden durch Deutschland und Österreich gefahren, um dich zu finden! Aber weißt du, was ich gefunden habe?'' Vera atmete tief durch und trat auf ihn zu. ''Ein Monster'' beendete sie verächtlich ihre Rede und starrte ihm in die orangenen Augen, die sich geschockt weiteten. ''Und falls du noch etwas zu sagen hast, behalte es für dich!'' befahl sie, drehte sich um und lief die Treppe hinauf.
   Wütend rauschte sie an Kevin und Vanessa vorbei. Ohne irgendwem einen Blick zu schenken, stapfte sie in ihr Zimmer.
   Dort angekommen, warf sie sich aufs Bett, kramte in ihrer Tasche und holte Pias Feder heraus. Von jetzt auf gleich, war ihre Wut verschwunden. Anstatt alles positiv zu spüren, was eigentlich die Wirkung wäre, verspürte sie nichts - keine einzige Empfindung.
   Emotionslos lief sie zum Fenster und starrte in den Garten. Aaron saß auf der Bank und hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Seine Schultern zuckten als würde er weinen. Als könne er ihren Blick spüren, sah er zu ihr auf. Ihre Blicke vertieften sich  und Vera war unfähig sich von ihm zu lösen. Es war wie damals, nur das sie dieses Mal nichts empfand.

Vom Engel geküsst Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt