Ich sollte weniger trinken...

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Man kann sich nichts Schlimmeres vorstellen, als nach einer harten Nacht mit viel Alkohol neben einer Frau aufzuwachen und sich nicht mehr an ihren Namen erinnern zu können.

Oder daran, wie wir uns getroffen haben. Oder warum sie tot ist.


Jap. Lange Geschichte. Ehrlich. Und ich verstehe gerade genau so wenig wie ihr. Ich wachte einfach nichts ahnend auf und BOOM. Wieso liegt da eine tote und fast nackte Frau in meinem Bett?!

Ich setzte mich hastig auf und zog die Decke bei Seite. Verstört von dem Anblick strampelte ich weg von der Fremden und fiel rückwärts auf den Boden. Sofort sprang ich wieder auf, sammelte die Decke auf, presste sie an meinen nackten Oberkörper und drückte mich schwer atmend in die Ecke des Zimmers.  Es war gruselig, wie ihre leeren und weit aufgerissenen Augen ins Nichts starrten. So als würden sie einen bestimmten Punkt suchen, ihn aber niemals finden oder direkt in mich hinein blicken und meine bloße Seele verfluchen.

In den Filmen denkt man sich immer 'Huh... Eine Leiche. Wie spannend.', aber heilige Scheiße! Ein Toter im wahren Leben ist überhaupt nicht lustig! Es ist einfach nur eklig...

Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und mir wurde kotzübel. Mein Magen zog sich zusammen und ich fing an zu schwitzen. Außerdem spürte ich, wie mein ganzer Körper zitterte, obwohl es im Schlafzimmer angenehm warm war. Ihre Haut war blass. Fast weiß. Blut lief aus ihrem Mund und hinterließ einen roten Fleck auf meinem Kopfkissen. Würde ich das jemals wieder raus bekommen? Wahrscheinlich nicht. Mehrere Einstichswunden klafften an ihrem Bauch und ich musste röchelnd weg sehen, um mich nicht an Ort und Stelle zu übergeben. Es roch so, als hätte ich mein Mülleimer nicht geleehrt oder das Katzenklo nicht sauber gemacht... dabei habe ich keine Katze!

Mit wackeligen und unsicheren Schritten stolperte ich zum Fenster hinüber und riss es auf. Sofort wehte mir ein kühler Wind entgegen und das laute Gehupe der Autos erfüllte das Zimmer. Direkt unter mir starteten mehrere tausend Menschen ganz normal in ihren Tag, drängelten sich durch die überfüllten Straßen zur Arbeit oder versuchten mit dem Auto von A nach B zu kommen, dabei wäre es tatsächlich schneller und einfacher zu Fuß zu laufen oder mit der U-Bahn zu fahren. Ich lehnte mich leicht hinaus. Atmete tief ein und aus. Versuchte mich zu beruhigen. Es war vielleicht höchstens sechs Uhr dreißig, wie ich aus dem tristen und noch recht dunklen Himmel laß. Langsam kämpfte sich die Sonne den Horizont hinauf und durch die dicke Wolkendecke. Baustellen Geräusche vermischten sich mit dem Gehupe und dem Brabbeln der Menschen und alles übertönte widerrum andere nervige Geräusche, die man nur in einer Großstadt finden konnte. Es war ein einziges Chaos. Genauso wie in meinem Zimmer.

Eine ferne Polizeisirene ließ mich auf schrecken. Ich zog meinen Kopf wieder zurück und drehte mich schluckend um. Da lag sie. Leblos auf meinem Bett und nur in Unterwäsche. Wer war sie? Wie lange war sie schon tot? Wieso ist sie tot und ich nicht? Sollte ich nicht auch verletzt sein? Wer ist der Mörder? Hab ich sie umgebracht? Wieso sollte ich sowas tun? Kann ich sowas überhaupt? Sollte ich die Polizei rufen?

Die Fragen überschlugen sich in meinem Kopf und brachten mir höllische Schmerzen. An den Abend konnte ich mich auch nicht mehr erinnern, wenn ich es versuchte, wurden meine Kopfschmerzen noch schlimmer. Ich war ganz klar überfordert mit der ganzen Situation. Nun, es war offensichtlich, dass wir miteinander geschlafen hatten. Jedenfalls denke ich das, da überall Klamotten verteilt waren. Darunter meine und auch ihre. Röcke gehören jedenfalls nicht zu meiner üblichen Gardarobe. Und daraus konnte ich schließen, dass ich die Frau wohl gestern in irgendeiner Bar aufgerissen habe, oder sie hat mich aufgerissen. Wäre auch gut möglich.

Ich hab also zu viel getrunken, habe eine hübsche Frau kennengelernt und sie mit nach Hause genommen. So weit, so gut. Langsam hob ich mein T-Shirt vom Teppich auf. Ein furchtbarer Gestank stieg mir in die Nase. Es war eine Mischung aus Vodka und Whisky. Zu viel Alkohol würde jedenfalls den krassen Blackout erklären.

Ein plötzliches Klirren aus der Wohnung ließ mich in meiner Bewegung einfrieren. Meine Augen riss ich weit auf und Panik nagte an mir wie ein hungriger Wolf an einem Stück Fleisch. War der Killer noch hier?

Ich lauschte auf weitere Geräusche und schluckte schwer. Stille. Ich entschied mich für die wahrscheinlich blödeste Idee und bewaffnete mich mit meiner Tischlampe. Das Beste, dass ich in meinem Schlafzimmer finden konnte.

Vielleicht hätte ich doch die Glaswasserflasche nehmen sollen, schoss es mir in den Kopf, als ich so leise wie möglich die Klinge hinunter drückte und hinaus auf den Flur schlich. Es sieht bestimmt ganz schön bescheuert aus, wie ein vierundzwanzig jähriger Mann, in Unterwäsche und mit erhobener Tischlampe wie ein paranoider Geisteskranker in seiner eigenen Wohnung umher schleicht.

Ich schlich den Flur entlang, links das Bad. Es war leer. Gott sei Dank. Erneute dumpfe Geräusche hallten aus Richtung Küche. Zögernd arbeitete ich mich weiter vorwärts durch das offene Wohnzimmer und biss mir so fest auf die Unterlippe, dass es weh tat. Vor der Küchentür stoppte ich, lockerte meine Schultern und versuchte mich mental auf einen schweren Kampf auf Leben und Tod einzustellen.

Mit ernstem Gesicht und viel Schwung trat ich die angelehnte Tür auf, die so weit auf schwang, dass sie gegen die Wand knallte und beinahe aus den Angeln flog. Anstatt jedoch vorwärts auf den Fremden los zu stürmen und wie ein echter Mann zu kämpfen, traute ich meinen Augen nicht.

"Was zur Hölle...", nuschelte ich und ließ die 'Waffe' nach unten sinken.


I Didn't See That Coming...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt