Mémoire 1 - Vanitas/1

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1. TEIL - Die "La Baleine"
Es ist Dienstags. Ich befinde mich in dem Luftschiff, welches mich nach Paris bringen soll. Viele Menschen tummeln sich in den Sälen herum. Erregt schnattern sie über die Aushänge an der Pinnwand. "Vampire in Paris gesichtet!", "Alle Leichen blutleer!", "Ein neuntes Opfer wurde gefunden!". Die Leute lesen entsetzt die Aufschriften. "Bissspuren am Hals". "Vampire?", haucht eine Dame. "Wie entsetzlich. Wirklich ... ?", eine andere. "Ist das die Rache an der Menschheit?", liest die erste. Die zweite hält entsetzt die Hand von den Mund: "Also tatsächlich Vampire! Haben die nicht vor langer Zeit den Krieg gegen die Menschen verloren und sind allesamt ausgerottet worden? Heißt das, es gab doch Überlebende? Unheimlich ..." Ich seufze. Menschen sind so leichtgläubig. Als ob sie denken, man könnte uns einfach ausrotten ... und ja, ich bin auch ein Vampir. Das ist aber nicht schlimm, denn man ist von Grund aus nicht deswegen ein Außenseiter. Wir Vampire verhalten uns in der modernen Welt recht unauffällig. Menschen anzugreifen und ihr Blut zu trinken ist uns untersagt und es ist auch nicht schwer, diesen Regeln zu folgen. Ich wende mich wieder der Menge zu. Es läuft eine hitzige Diskussion zwischen zwei mittelalten Männern. "Mein Großvater behauptet, mal einen Vampir gesehen zu haben. Die Fräuleins ziehen überrascht die Luft ein. Irgendeiner murmelt: "Was der so alles erzählt!" Der andere, etwas dickere, macht eine abfällige Handbewegung. "Ach Quatsch, Vampire. Das sind doch nur Märchen." Ich muss mich zusammenreißen. Wir und Märchen? Der dünnere Mann versucht die Frauen zu beruhigen, indem er sagt: "Ach, was soll's. Die Casseure* der Kirche sind schon unterwegs, also müssen wir uns keine Sorgen mehr machen!" Eine Dame, die am Rand gestanden und gelauscht hatte, macht ein paar ungelenke Schritte nach hinten, stolpert und fiel. Ihr müsst wissen, Vampirreflexe sind sehr schnell und so fange ich sie mit Leichtigkeit auf. "Alles in Ordnung?", frage ich die benommene Dame vorsichtig.

Ich habe sie in das Bord-Café gebracht und eine Decke geliehen. Ich habe ihr einen Tee mir viel Honig bestellt und es geht ihr schon viel besser! Erfreut setze ich mich auf den Stuhl ihr gegenüber. "Sehr freundlich. Vielen herzlichen Dank!", haucht das Fräulein und schaut mich dankend mit ihren wunderschönen Augen an. "Dafür nicht!", entgegne ich höflich, "Aber sind Sie sich sicher, dass ich Sie nicht noch zur Krankenstation begleiten soll?" Die Dame lächelt und meint: "Ich muss mir nur ein bisschen ausruhen, das ist alles." Das hört sich nicht sehr überzeugend an. Ich lehne mich weit über den Tisch - meine Nase ist circa fünf Zentimeter von ihrer entfernt, so dass ich ihren rosigen Duft riechen kann - und mustere sie. "Aber sie sind ziemlich blass um die Nase!", stelle ich fest. Verschreck beugt sich die Frau nach hinten und stammelt: "I ... Ich hab nur einen niedrigen Blutdruck! Keine Sorge! Ich bin ohnehin gerade auf dem Weg zu einem Arzt." Sie streicht sich mit dem Handrücken über die Stirn. "Es ... gibt da ... das ein oder andere ... das ich von niemand anders untersucht haben möchte." Verwirrt blicke ich sie an. Dann frage ich: "Und was ..." Sie schneidet mir das Wort ab. "Vielen Dank!" Ich schaue sie verwirrt an. Gut, wenn sie nicht erzählen will ...

Ich stehe auf und will mich davon machen, als eine riesige Fellbombe auf dem Tisch förmlich explodiert. MIAAAAAAAAAAAAAUUUUUUUUUU! Das Fräulein schreit auf und im nächsten Moment blickt sie freundlich auf das Fellbündel vor ihr. "Ahh! Murr! Sag mal!", schimpfe ich. Mein Kater war das. Murr. Ein ziemlich eigensinniges Ding. Murr macht es sich auf dem Schoß der Dame bequem. Währenddessen krault die Frau ihn. "Ohh! Du bist aber süß! So schön warm ...", haucht das Fräulein dabei. Ich nutze die Gelegenheit, um mich wieder zu setzten. Schleimer!, denke ich mit einem finsteren Blick auf Murr. "Übrigens, ich heiße Amelia.", sagt die Dame, "Wenn es Ihnen recht ist, dürfte ich auch ihren Namen erfahren?" "Ja klar!", erwidere ich - was ich nach wenigen Sekunden schwer bereue - , "Ist ein "ER". Er heißt Murr. Ist ein ganz Lieber!" Die Frau lächelt und sagt dann gequält: "Äh ja ... nein äh ... ich meinte nicht die Katze ..." In dem Moment ertönt der Ansager. Ich komme nicht dazu, "Noé" zu antworten. "Dies ist eine Durchsage an alle Passagiere. Die "La Baleine" wird planmäßig in ungefähr einer Stunde in Paris ankommen. Bitte genießen sie die restliche Zeit an Bord!" Ich war aufgestanden und zu einem der riesigen Fenster gerannt. Ich stemme meine Hände gegen das Glas und blicke hinunter auf die Erde. Felder und Dörfer erstrecken sich vor meinen Augen. Ist das Paris? Amelia ist mir gefolgt. Ich kann mich nicht mehr halten. "Paris!!! Paris, wo ist Paris? Amelia, sagen sie es mir!" "Ähm, ich glaube, man kann es noch nicht sehen." "Schade. Aber ist das nicht der Wahnsinn?! Sobald man sich an Bord dieses Luftschiffes befindet, vergeht die Zeit wie im Flug!" "Reisen sie zum ersten Mal mit einem Luftschiff? °Kicher°!" Mist, wie ist das denn aufgeflogen? Das wollte ich doch geheim halten! Ich reiße mich zusammen. "Ähm ... also ... ich habe lange Zeit in den Wäldern von Averoigne gelebt. Es ist das erste mal, dass ich ein derartig großes Luftschiff sehe und damit auch noch reise." Amelia nickt. "Ave was?", fragt sie vorsichtig. Ich kratze mich am Kopf. Es ist eigentlich klar, dass sie das Land nicht kennt. Ist ziemlich unbedeutend. Deshalb antworte ich: "Das ist irgendwo im nirgendwo, wahrscheinlich kennen sie es nicht." Dann fange ich wieder an zu schwärmen. "Sind sie als Tourist in Paris?" fragt Amelia, die immer noch mit Murr beschäftigt ist. "Nein!", antworte ich, "Ich suche etwas." "Sie suchen etwas?" Es kommt mir schwer über die Lippen. Das Unheilswort. "Das Buch des Vanitas." Ich glaube zu sehen, dass Amelia blasser wird. "Haben sie davon schon einmal gehört?", frage ich vorsichtig. Ich erspare ihr die Antwort dann doch erzählen, was ich weiß."Es wird in dem Märchen "Der Vampir des blauen Mondes" erwähnt: Es war einmal vor langer Zeit. Da lebte ein verhasster Vampir namens Vanitas. Normalerweise werden Vampire in einer Nacht des roten Vollmondes geboren. Doch Vanitas wurde in einer Nacht des blauen Vollmondes geboren, der für ein schlechtes Omen steht ...
Die anderen Vampire fürchteten sich vor Vanitas und verstießen ihn aus ihrem Dorf. Er streifte alleine durch den Wald. Von Kälte, Hunger und Dunkelheit getrieben. Er wanderte immer weiter und weiter ...
Und dann schwor er sich tief in seinem Herzen, sich an den beim roten Vollmond geborenen Vampiren zu rächen.
"Ihr törichten Vampire, die mich quälten!", schrie er.
Ein Buch erschien in seiner Hand.
"Wenn dieses Buch geöffnet wird, wird euch ein Fluch heimsuchen, der schlimmer als der Tod ist!"

Ein blauer Ledereinband und tiefschwarze Seiten. Ein mit einem Mechanismus ausgestattetes Grimoire* (* Zauberbuch) verbunden mit einer silbernen Kette.

Es war ein ganz besonderes Buch, das Vanitas erschaffen hatte, denn es wohnte ihm die Kraft inne den "wahren Namen der Vampire" zu zerstören ...

The Case Study of Vanitas - PAUSIERT -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt