Der komische Kunde

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Ich gehe den langen Weg von Küche zum Eingang der Konditorei. Ich drehe das Schild um, sodass jeder Passant, der vorbei geht weiß, dass genug Kuchen da ist, um in der Pause vorbeizuschauen. In der früheren Filiale, die jetzt leider geschlossen ist, weil so eine blöde Kaffeekette mit einer Meerjungfrau als Logo kam und uns den Platz weggenommen hat. Da haben wir aber viel mehr Umsatz gemacht, in der City of London kamen jeden Tag mehr Geschäftsmänner als im Covent Garden vorbei. Der Standplatz, den wir jetzt haben, ist aber auch nicht allzu schlecht. Die Straßenmusiker locken zum Glück viele Touristen vorbei, sodass sie uns meistens einen Besuch abstatten.
Ich streiche die babyblau karierte Schürze glatt und stelle mich hinter den Thresen und verziere noch ein wenig das Tagesangebotschild, bis es von Kuchen und Muffins nur so überströmt. In der frühereren Filiale kam sogar mal irgendso ein Royal vorbei und hat meine Malkünste gelobt. Ich habe gestrahlt wie die Sonne. Ich poliere noch ein wenig die Oberfläche der weißen Holztheken, bis die Glocke, die an der Tür hängt, klingelt und mir ein Zeichen gibt, dass ein Kunde mir einen Besuch abstattet.
„Herzlich willkommen! Was darf es sein?", begrüße ich ihn.
„Ich weiß es nicht. Was können sie denn empfehlen?", erwidert der Kunde. Er ist ein Mann mittleren Alters und legerer Kleidung. Er sieht gepflegt aus, aber nicht spießerhaft. Er kommt mir irgendwie symphatisch vor, er ist nicht stressig und auch nicht ungeduldig.
„Selbstverständlich. Da hätten wir eine Schwarzwälderkirschtorte oder eine Eierlikörtorte", ich warte, vielleicht sagt der Kunde ja etwas. „Darf ich Ihnen vielleicht unser Tagesangebot empfehlen? Eine Biscuittorte und ein großer Caramel-Latte."
„Dann nehme ich das. Kann ich dann noch eine Quarktasche eingepackt haben? Die Torte wäre dann zum hier Essen."
„Natürlich, für die Quarktasche müssten sie dann noch ungefähr fünf Minuten warten, sie sind noch nicht ganz fertig."
Der Mann nickte und ich zeige ihm durch eine Handbewegung, dass er sich ruhig setzen darf. Ich serviere ihm mit einem Goldtablett den Kaffee, nachdem ich ihn an der Theke zubereitet habe, und ein großes Tortenstück. Ich wische noch ein wenig die anderen Tische ab, das ist ein alter Trick, die Gäste werden sonst immer beunruhigt wenn wir unbeschäftigt wirken. Danach eile ich in die Küche und komme mit einem Backblech voller gut duftenden, frisch gebackenen Quarktaschen zurück. Ich packe eine ein und gebe sie dem Mann, der dann gleich dankend zahlt und in die Tiefen Londons verschwindet.
Den Rest der Quarktaschen, die eine Sahnehäubchenform haben stelle ich im Schaufenster auf einer Etagere aus und setze mich an einen Stuhl und checke meine Nachrichten auf dem Handy. Ich habe eine Nachricht von meinem Ex-Freund bekommen.

Hey. Ich muss mit dir reden. Bin um drei bei dir.


Ich denke, ihm ist nicht bewusst, dass um drei Uhr meine Schicht schon vorbei sein wird. Dann kommt er halt und schaut dumm daher. Nein, das kann ich nicht machen. Also schreibe ich ihm zurück.

Ich hoffe, dir ist bewusst, dass ich um drei Uhr nicht mehr hier bin. Melde mich später noch mal.

Schluss war seit sieben Wochen, ich bin langsam über den Schmerz hinweggekommen, aber er hat angefangen mir nachzutrauern. Dabei wirkte er in den ersten Wochen total glücklich. Ich werde ihn nie verstehen.


Die Klingel ertönte erneut und eine gestresst aussehende, aber adrette Frau kommt hinein. Sie grüßt nicht und rennt förmlich auf die Theke zu, hinter der ich mich schnell positioniert habe.
„Ich habe eine Bestellung. Hochzeitstorte. Auf King."
Ich nicke und laufe in die Küche, um nach der Bestellung nachzusehen. Aber keine ist auf King reserviert und keine ist eine Hochzeitstorte. Ich gehe zur Frau zurück und berichte ihr.
„Tut mir leid, aber da ist keine Bestellung, die Ihren Beschreibungen entspricht."
„Das kann nicht sein. Sehen Sie." Sie zeigt mir einen Notizzettel auf dem steht:
Freitag, 9:45 Uhr
Hochzeitstorte in Cake Shop Kensington

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