Langsam und schwerfällig öffnete Alec seine Augen. Im ersten Moment wusste er gar nicht, wo er war, doch als er sich umschaute, erkannte er, dass er sich im Krankenzimmer des Instituts befand. Kurz darauf registrierte er den hämmernden Schmerz in seinem Kopf und auf seiner rechten Seite. Er kniff die Augen zusammen, doch es half nichts. Vorsichtig hob er seine linke Hand und tastete nach seiner Flanke. Zu seiner Überraschung war diese jedoch unversehrt. Dabei war er sich sicher, dass ihn der Höllenhund direkt dort erwischt hatte. Aber wieso wunderte er sich eigentlich? Wenn er sich im Institut befand, hatte man ihn mit einer Iratze geheilt. Allerdings fragte er sich, wie er überhaupt hierher gekommen war? Er hatte sich immer wieder umgeschaut, um festzustellen, dass ihm wirklich keiner zum Industriegebiet folgte. Oder hatte er jemanden übersehen? Vermutlich. Anders konnte er sich zumindest nicht erklären, wie er gerettet worden war. So wie es aussah, hatte sich Lydia über seine Drohung, jeden niederzuschlagen, der ihm folgte, hinweggesetzt. Und irgendwie war er froh darüber. Der Dämon hätte ihn sonst definitiv getötet. Plötzlich fiel ihm ein, warum er sich überhaupt in dieser brenzligen Lage befunden hatte. Er erinnerte sich daran, dass sein Arm höllisch geschmerzt hatte, als er den letzten Höllenhund niederstrecken wollte. Erneut verfluchte er sich dafür, Clary um die Rune auf seinem Arm gebeten zu haben. Nicht nur, dass er Magnus vergessen hatte, nun hätte diese Rune auch beinah dafür gesorgt, dass er starb. Vergessen... Wenn er genau darüber nachdachte, fühlte er nicht wie sonst, eine große Leere in seinem Kopf, wenn er an den Hexenmeister dachte. Unter Schmerzen richtete sich Alec leicht auf und sein Blick wanderte zu seinem rechten Arm. Überrascht sog er scharf die Luft ein und seine Augen weiteten sich. Die Rune war verschwunden. Erleichterung, aber auch Angst machten sich in ihm breit. Die letzten Tage hatte er sich so oft gewünscht, dass dies geschah und er hatte mitbekommen, wie die Vergessensrune immer blasser wurde, doch er hatte nicht damit gerechnet, dass es nun so schnell ging, dass sie ihre Kraft verlor. Allerdings stellte sich nun die Frage, ob er seine Erinnerungen bereits vollständig zurückerhalten hatte oder ob sie erst nach und nach wiederkommen würden. Bevor er jedoch sein Gedächtnis testen konnte, öffnete sich leise die Tür. Alec schaute auf und erblickte Chelsea, die vorsichtig in den Raum spähte.
Als sie bemerkte, dass er wach war, zeigte sich ein breites Lächeln auf ihren Lippen und sie trat zu ihm.
"Ich freue mich, dass du wieder wach bist."
Alec erwiderte das Lächeln, doch er bekam kein Wort heraus. Seine Kehle fühlte sich trocken an. Die brünette Schattenjägerin schien es zu bemerken.
"Moment, ich hol dir ein Glas Wasser."
Mit diesen Worten verschwand sie aus dem Raum, nur um ihn kurz darauf erneut mit einem Glas in der Hand zu betreten. Sie reichte es ihm und er war ihr dankbar dafür. Ohne einmal abzusetzen, stürzte er das Wasser hinunter und stellte das leere Glas dann auf den kleinen Schrank, der sich neben seinem Bett befand. Dann wandte er sich an Chelsea.
"Was ist eigentlich genau passiert, nachdem ich das Bewusstsein verloren habe?"
Die Angesprochene ließ sich auf das Nachbarbett fallen, senkte betrübt den Blick und schien einen Moment zu überlegen, was sie sagen sollte. Sie hatte Magnus versprochen, Alec nichts davon zu sagen, dass dieser ihm geholfen hatte. Doch warum sollte er es eigentlich nicht wissen? So wie es aussah, hatten sie beide noch Gefühle füreinander und Magnus hatte deswegen eine Ausnahme gemacht, indem er Alec geholfen hatte. Ihrer Meinung nach sollte er es erfahren, auch wenn sie damit ihr Versprechen brach.
"Hunter ist dir ins Industriegebiet gefolgt und hat den letzten Dämon erledigt. Danach hat er dich hierher getragen. Du warst schwer verletzt und die Heilrune hat nicht geholfen... Uns war klar, dass dir nur ein Hexenmeister helfen konnte und ich habe Lydia überredet, Magnus zu holen."
Alec schaute sie erstaunt an. Er hätte nie damit gerechnet, dass Lydia das akzeptieren würde. Sie hasste Magnus... Noch während er diesem Gedanken nachging, fragte er sich, wieso er sich da so sicher war. Die letzten Tage hatte er zwar immer wieder gemerkt, dass sie etwas dagegen hatte, dass er zu ihm ging, doch er hatte es bisher darauf geschoben, dass sie ihn als Schattenweltler vielleicht für weniger wert hielt. Allerdings war dieser Gedanke eigentlich absurd, denn die ganzen letzten Jahre, hatte sie nie diesen Eindruck vermittelt. Ganz im Gegenteil. Sie hatte sich immer für die Schattenweltler eingesetzt, wenn einer der älteren Schattenjäger etwas gegen diese sagte. Es musste also etwas mit Magnus direkt zu tun haben. Doch so lange Chelsea bei ihm war, konnte er nicht genauer darüber nachdenken.
"Er wollte uns doch gar nicht mehr helfen..."
Seine Stimme klang leicht belegt, denn er hatte das seltsame Gefühl, dass er der Grund dafür war. Dabei war Magnus der beste Hexenmeister, denn er kannte... Ein weiterer Gedanke, der nur durch seine wiederkehrenden Erinnerungen zustande kommen konnte, denn bis vor ein paar Tagen hatte er nicht einmal mehr gewusst, wer Magnus war, geschweige denn dessen Namen gekannt.
Alec führte eine Hand zu seiner Schläfe und presste sie dagegen. Dabei kniff er erneut die Augen zusammen. Die Schmerzen in seinem Kopf wurden mit jedem weiteren Gedanken, der mit seinen Erinnerungen zusammenhing, stärker. Er gab einen schmerzerfüllten Laut von sich und Chelsea blickte besorgt zu ihm auf.
"Was ist los?"
Er brauchte einen Moment, bis er antworten konnten, denn die Schmerzen raubten ihm den Atem.
"Kannst du mir eine Schmerztablette holen? Am besten irgendwas starkes."
Ohne etwas zu antworten, stand sie auf und ging in einen kleinen Nebenraum, in dem sie alle Medikamente aufbewahrten. Es dauerte nicht lange, bis sie mit einer Tablette in der Hand zurückkam und diese auf den Schrank neben Alec legte. Danach nahm sie das Glas und verließ den Raum, um es erneut zu füllen. Als sie wieder da war, griff er nach der Tablette und nahm das Glas entgegen. Nachdem er die kleine Pille geschluckt hatte, kippte er das Wasser hinterher und sah Chelsea dankbar an. Nun musste er nur darauf warten, dass die Wirkung einsetzte und es hoffentlich gegen die quälenden Kopfschmerzen half.
"Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja... Wieso warst du dir so sicher, dass Magnus mir helfen würde?"
Ein trauriges Lächeln legte sich auf Chelseas Lippen und Alec hatte den Verdacht, als wüsste sie mehr, als er gedacht hätte.
"Du hast es bereits gesagt. Ich war mir relativ sicher, weil du es warst, der Hilfe brauchte. Schon als du dich über die Einladung zu seiner Party gefreut hast, hab ich gemerkt, dass da mehr zwischen euch sein muss, auch wenn es dir selbst vielleicht nicht so bewusst war. Eigentlich sollte ich dir nicht sagen, dass er hier war, aber das fand ich nicht richtig."
Sein Verdacht hatte sich bestätigt und er spürte einen Stich im Herz, als ihm plötzlich vollends bewusst wurde, dass Magnus ihm das Leben gerettet hatte. Und das bereits das zweite Mal. Dabei hatte er es gar nicht verdient, dass er ihm half. Er hatte den Hexenmeister zutiefst verletzt als er sich gegen ihn und für Lydia entschieden hatte. Eine Entscheidung gegen seine Gefühle und für die Vernunft. Doch es war alles andere als vernünftig gewesen, sich gegen das zu entscheiden, was sein Herz ihm sagte, und er bereute es zutiefst.
Alec war so tief in Gedanken versunken, dass er gar nicht merkte, dass Chelsea aufgestanden war. Erst als die Tür leise ins Schloss fiel, bemerkte er es am Rande, doch er beachtete es nicht weiter. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf seine Erinnerungen. Er wollte unbedingt wissen, wie viel er bereits wieder wusste. Mühsam versuchte er an seine Hochzeit zu denken, doch im ersten Moment gelang es ihm nicht. Dafür wurden seine Kopfschmerzen noch einmal etwas stärker. Aber er wollte nicht aufgeben. Er durfte nicht aufgeben. Nachdem Magnus ihm trotz allem das Leben gerettet hatte, war er ihm das schuldig. Und egal, wie sehr es weh tat, er musste da durch. Der Hexenmeister hatte all die Jahre gelitten, während er es sich einfach gemacht hatte. Da durfte er jetzt nicht einfach aufhören, nur weil sein Kopf höllisch schmerzte. Trotzdem hoffte er, dass die Tablette bald half. Einige Minuten später ließen die Schmerzen etwas nach und er versuchte es erneut, an den Tag seiner Hochzeit zu denken. Langsam erschienen verschwommene Bilder vor seinem inneren Auge, die mit jeder Sekunde deutlicher wurden.
In einen weißen Anzug gekleidet stand er vor dem Altar. Sein Blick war auf den Ausgang gerichtet, von dem aus Lydia langsam auf ihn zukam. Viele schauten sie bewundernd an, denn sie sah in ihrem weißen, mit Spitze und Stickereien verzierten Kleid und mit ihren zu einer Hochsteckfrisur zurecht gemachten Haaren wirklich sehr hübsch aus. Er stand nicht auf Frauen, doch auch er erkannte Schönheit, wenn er sie direkt vor Augen hatte. Ein glückliches Lächeln lag auf ihren Lippen und er versuchte es zu erwidern, doch er hatte das Gefühl, dass man deutlich erkannte, dass es nur erzwungen war. Ein tiefer Schmerz saß in seinem Herzen und er dachte, dass dieser wohl nie vergehen würde. Als Lydia ihn erreicht hatte, hielt er ihr eine Hand hin und half ihr die zwei Stufen zum Altar hinauf. Sie standen sich gegenüber und blickten sich tief in die Augen. Nach einem kurzen Moment wandte sich Lydia zu Isabell herum, die ein Kissen mit einer Stele und dem Hochzeitsarmreif in den Händen hielt. Sie nahm den Armreif und streifte ihm diesen über. Daraufhin drehte er sich zu Jace, der hinter ihm stand und ebenfalls ein Kissen in den Händen hielt, auf dem auch eine Stele und die Hochzeitskette gebettet war. Er griff nach der Kette und legte sie Lydia um, die bereits mit dem Rücken zu ihm stand. Als sie sich wieder von Angesicht zu Angesicht gegenüber standen, erklang die Stimme des Stillen Bruders, der die Zeremonie leitete, in ihren Köpfen.
"Es ist an der Zeit, dass Alec Lightwood und Lydia Branwell einander die Runen für Liebe und Hingabe auftragen. Eine Rune an der Hand, eine Rune am Herzen - eine Einheit ist geboren."
Lydia kam dieser Aufforderung als Erste nach und wandte sich erneut zu Isabelle, um die Stele entgegenzunehmen. Mit dieser drehte sie sich zu ihm und nahm seine Hand in ihre, um ihm die Rune aufzutragen. Doch in dem Moment, als die Spitze der Stele beinah seine Haut berührte, betrat jemand die Halle. Alec schaute zur Seite und erblickte Magnus. Er war in einen schwarzen Anzug gekleidet und schaute ihn direkt in die Augen. Ein stechender Schmerz grub sich in Alec's Herz und er hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Nur im Hintergrund bemerkte er, wie seine Mutter aufstand und zu dem Hexenmeister lief, dessen Blick auch weiterhin auf ihn geheftet war.
"Magnus, du verlässt sofort diese Hochzeit!"
Der Angesprochene hob seine Hand und gab ihr damit zu verstehen, dass sie nichts weiter sagen sollte.
"Maryse, das geht nur mich und deinen Sohn was an. Wenn er mich darum bittet, gehe ich."
Mit diesen Worten lief er weiter auf Alec zu, der seinen Blick noch immer nicht von ihm lösen konnte. Er wusste nicht, was er tun sollte. In seinem Inneren tobte ein Kampf. Sollte er auf seine Gefühle hören oder die Ehre seiner Familie wieder herstellen, in dem er Lydia heiratete? Nach einigen qualvollen Augenblicken, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen, traf er seine Entscheidung.
"Bitte geh, Magnus..."
Der Hexenmeister blieb wie angewurzelt stehen und sah ihn daraufhin mit vor Überraschung geweiteten Augen an. Schmerz erkannte er ebenfalls darin.
Magnus biss die Zähne zusammen, bevor er zu einer Antwort ansetzte.
"Nun gut, wenn das deine Entscheidung ist..."
Alec sah, wie sehr es den anderen schmerzte, wie schwer ihm diese Worte fielen und bei diesem Anblick zog sich sein Herz zusammen. Doch er hatte sich entschieden und würde seine Meinung nicht ändern. Nach einem kurzen Moment, in dem Magnus wohl darauf wartete, dass er sich noch einmal anders entschied, machte er auf dem Absatz kehrt und verließ den Saal.
Nach Atem ringend riss Alec die Augen auf. Wie in seinen Erinnerungen hatte er gerade das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Konnte das wirklich wahr sein? Er hatte selbst auf seiner Hochzeit die Chance gehabt, auf sein Herz zu hören, doch er hatte es ignoriert und Magnus fortgeschickt, um eine Frau zu heiraten, die ihm nichts bedeutete. Plötzlich kam ihm sein Traum wieder in den Kopf, den er von seiner Hochzeit gehabt hatte. Dort hatte er sich für Magnus entschieden und erneut wünschte er sich, es wäre tatsächlich so gewesen. Doch es war nicht so. Alec wischte sich mit den Händen über sein Gesicht. Er hatte in den letzten Jahren so viel falsch gemacht. Doch er fragte sich, warum er sich eigentlich gegen den Hexenmeister entschieden hatte? Klar, seine Eltern waren auf der Hochzeit anwesend, genau wie viele andere Schattenjäger auch, und sie hätten es alles andere als gut gefunden. Doch was hätten sie denn tun sollen, wenn er die Hochzeit hätte platzen lassen und dafür zu Magnus gegangen wäre? Sie hätten ihm eine gewaltige Standpauke geben können und sie wären zutiefst enttäuscht von ihm gewesen. In den Augen der meisten Schattenjäger stand das persönliche Glück hinter der Ehre der eigenen Familie und auch er hatte sich dafür entschieden. Aber warum? Er glaubte nicht daran, dass es einzig und alleine nur daran lag, den Namen seiner Familie wieder herzustellen. Wenn es nur das gewesen wäre, hätte er sich spätestens in dem Moment, wo Magnus die Zeremonie gestört hatte, umentschieden und hätte einen Rückzieher von der Hochzeit gemacht. Dessen war er sich sicher. Es musste also noch einen anderen Grund dafür geben. Kaum hatte er dies zu Ende gedacht, flackerte eine neue Erinnerung vor seinem Auge auf und er schloss erneut die Lider, um sich auch diese Bilder anzusehen.
Nach mehreren Minuten öffnete er wieder seine Augen und unglaubliche Wut sammelte sich in seinem Bauch. Alec presste die Kiefer aufeinander. Er konnte nicht glauben, was er da gerade gesehen hatte. Und er konnte auch nicht glauben, wie unglaublich dumm und leichtgläubig er gewesen war. Er ballte seine Hände zu Fäusten und entschied sich nach einigen Augenblicke, aufzustehen. Ihm war es egal, dass er sich eigentlich noch schonen müsste, und auch dass seine Seite schmerzte, als er sich aufsetzte und die Beine aus dem Bett schwang. Er atmete tief durch, bis der Schmerz vergangen war und stand dann auf. Da er noch etwas wackelig auf den Beinen war, musste er sich nach ein paar Schritten am Bettgestell festhalten. Er hätte sich wieder hinlegen sollen, doch er musste unbedingt mit Lydia reden. Er war wütend auf sie und auf sich und gleichzeitig auch frustriert. Und genau das würde er sie spüren lassen. Er ließ das Bett los und lief langsam zur Tür. Dort angekommen, sah er an sich hinab, und bemerkte das erste Mal, dass er noch immer seine zerfetzte Schattenjägerkluft trug, aber auch das interessierte ihn nicht. Mit einem Schulterzucken öffnete er die Tür und ließ sie hinter sich ins Schloss fallen.
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Can't forget you - A Malec Fanfic
FanfictionAlec hat geheiratet und kommt nach einigen Jahren, die er in Idris verbracht hat, nach New York zurück, um das Institut zusammen mit seiner Frau Lydia zu leiten. Doch seit seiner Ankunft in der Stadt stimmt etwas nicht mit ihm. Seine Gefühle fahren...