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Der blasse Halbmond hing am dunklen, fast sternlosen Himmel. Angstschweiß rann ihr über die Stirn. Sie hatte Todesangst. Es war etwa zwei Uhr in der Nacht und Elisabeth Mertens befand sich inmitten eines dichten Waldes. Niemals würde sie auch nur im Traum auf die idiotische Idee kommen, mitten in der Nacht in einem Wald herumzulaufen. Noch dazu, vollkommen alleine. Doch der 24-Jährigen war keine andere Wahl geblieben. Vor nicht einmal 20 Minuten hatte Elisabeth noch friedlich in ihrem weichen Bett in ihrer alles andere als bescheidenem Haus geschlafen. Die Millionärstochter wurde dann durch einen Anruf um 1:40 brutal aus dem Schlaf gerissen. Eine verzerrte Stimme drohte ihr, wenn sie nicht augenblicklich in den Wald kommen würde, einen ihrer Freunde zu töten. Dann hörte sie seinen verzweifelten Hilfeschrei. Ihr war das Blut in den Adern gefroren. „Den Hauptweg entlang musst du laufen und beeil' dich!", hatte die Stimme ihr befohlen. Schaudernd war Elisabeth aufgesprungen, hatte sich ihre Jacke geschnappt und hatte den Befehl befolgt. Sie hatte sich leise verhalten, um ihren schlafenden Onkel und deren Frau und Diener sowie Butler George nicht zu wecken, denn auch das hätte tödliche Konsequenzen haben können. Sie hatte das riesige Grundstück verlassen und war die Straße entlang und dann aufwärts gelaufen. Dann erreichte sie den Hauptweg in den Wald. Zumindest hatte sie ihn als Hauptweg definiert. Sie zweifelte nicht mehr daran, dass der Anrufer sie sehr gut kannte und damit auch dieses Detail wusste.
Nun stand sie inmitten dieses Waldes. Sie hörte das Zirpen von Grillen und den Schrei einiger Eulen. Außerdem glaubte sie immer wieder ein Rascheln zu vernehmen. Sie zuckte zusammen, als ihr war, dass sich irgendwer direkt neben ihr durch das Gebüsch bewegte. Mit der Taschenlampe ihres Handys leuchtete sie um sich. Doch da war nichts. Sie war weiterhin alleine. Das Handy blinkte auf, und schon ertönte ihr Klingelton. Das Handy fiel ihr vor Schreck aus der Hand und ein Gefühl von Übelkeit und Schwindel überkam sie, als sie sah, dass der Unbekannte sie erneut anrief. Sie bückte sich und bewegte ihren zitternden Arm in Richtung des klingelnden Handys. Sie hob ab. „Hallo?", fragte sie schlotternd. „Hilfe, nein, töte mich nicht, ahhh..."
Dann war es aus. Der Unbekannte hatte aufgelegt. Nur mehr das Piepen des Smartphones war zu vernehmen. Das Schwindelgefühl Elisabeths nahm zu. Ihr ganzer Körper zitterte. Sie kauerte sich auf den Boden. Tränen rannen über ihre Wangen. Sie würde hier sterben... So wie ER gerade gestorben war. Darin bestand kein Zweifel. Es war zwecklos davonzulaufen. Das Handy vibrierte. Elisabeth zwang sich hinzusehen. Als sie auf ihr Handy blickte, begann sie hysterisch zu schreien. Sie hatte eine Bildnachricht bekommen. Das Foto, welches der Unbekannte ihr auf WhatsApp geschickt hatte, zeigte IHN am Boden liegend. Seine Augen waren geschlossen, sein Mund leicht geöffnet. Die Gliedmaßen hatte er auseinandergestreckt. Elisabeth schrie weiter, dachte nicht daran aufzuhören. Wieder war da ein Rascheln und diesmal war es real. Sie hörte Schritte und hörte zu ihrer riesigen Überraschung eine nur allzu gut bekannte Stimme. „Steh auf und sieh' mich an, bevor ich dich töte." Langsam wendete sie sich und stand gehorsam auf. Sie blickte der Person in die Augen. „Oh mein Gott, was willst du? Gib die Pistole runter!" Eine schauderhafte Stille und dann dröhnte die Stimme: „Was ich will, fragst du? ich möchte deine Stimme, deine verlogene Stimme, nie wieder hören." Das waren die letzten Worte, die Elisabeth Mertens in ihrem Leben vernahm. Drei Schüsse ertönten, dann war es vorbei.


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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 18, 2017 ⏰

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Tod im Wald - Lost in the woodsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt