Kapitel 2: Besuch, der alles verändert

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Ich traute meinen Augen nicht. Wer da vor mit stand, war meine beste Freundin Lea. ,,Guck doch nicht so. ", sagte sie und trat wie selbstverständlich ein. ,,Wie guck ich denn?", fragte ich und versuchte mir ein Lächeln aufzuzwingen. ,,Als ständ der Sensemann vor dir.", erklärte Lea mir lachend. Ich fand das alles gar nicht so witzig wie sie es machte, aber ich konnte sie ja nicht einfach wieder wegschicken. Oder doch?

,,Miriam mach doch bitte die Tür zu und komm wieder zurück in die Küche. Dein Essen wird kalt.", musste meine Mutter mal wieder kommandieren. Lea schaute mich genervt an. ,,Sag nicht, ich komme mal wieder im unpassendsten Moment?", sagte sie. Ich nickte und dachte mir, dass ich sie doch bitten könnte wieder zu gehen. Genau als ich gerade etwas sagen wollte, kam Lea mir zuvor. Wie immer!, dachte ich mir. ,, Dann warte ich einfach oben in deinem Zimmer, bis das du gegessen hast.", schlug sie vor. Mir hing ein Kloß im Hals. Sie wollte wirklich bleiben. Was ich auf einmal gegen meine beste Freundin hatte, weiß ich auch nicht wirklich. Ich kannte sie seit langer Zeit und ich hatte sie sehr gemocht, aber warum konnten alle nicht verstehen, dass man auch mal für sich sein will? Ohne meine Zustimmung machte sie sich auf den Weg nach oben. Da fiel mir die Verwüstung ein, die ich hinterlassen hatte und mir wurde bewusst, dass ich sie aufhalten musste. Oder vielleicht ist auch Wegrennen eine gute Idee.

Ich überlegte nicht mehr lange. So schnell wie ich konnte, lief ich in die Küche, ließ mir eine blöde Ausrede einfallen, nahm meine Jacke und rannte nach draußen auf die Straße. Ich weiß nicht, ob es richtig war, so zu handeln, aber ich konnte nicht anders. Ich wollte allen Gesprächen so gut wie möglich entfliehen. Es war ein warmer Abend im Mai und ein leichter Wind wehte durch meine zerzausten Haare. Was Lea denken würde, wenn sie mein Zimmer sah? Wahrscheinlich hatte sie die Tür gehört und geahnt, was ich vor hatte. Bestimmt war sie besorgt und rief Jana und Sarah an, damit sie suchen helfen. Und genau des wegen rannte ich so schnell wie ich konnte durch die Sraßen unseres hässlichen Viertels. Da ich mich noch nicht wirklich auskannte, lief ich sehr ziellos, was bestimmt ein Vorteil war.

Der Straßenlärm wurde immer lauter und als ich mich schließlich vor Erschöpfung auf den Boden fallen ließ, bemerkte ich, dass ich auf einem Grünstreifen an einer Autobahnbrücke war. Ich atmete noch schwer aber ich musste lachen. Ich war frei gewesen. Dieses Gefühl war einfach atemberaubend. Alleine - aber glücklich. Das ist es eben was für manche Menschen das Beste ist.

Im nächsten Moment verging mir das Lachen aus dem Gesicht auch schon wieder, weil ich bemerkte, dass ich gar nicht so alleine war. Hinter dem Grünstreifen waren mehrere Häuserblocks und draußen vor dem großen Block waren ein paar Menschen zu sehen. Auch ein paar jüngere Leute in meinem Alter trieben sich dort herum und ich hatte das Gefühl beobachtet zu werden.

Das war eines der Gefühle, die ich hasste. Wenn jemand meint, mich beobachten zu müssen, kann man doch wenigstens vorher fragen. Mir war klar, dass dieser Wunsch ein Wunsch bleiben würde und ich beschloss, die Menschen nicht mehr zu beachten. Wie sollte es mit mir jetzt weitergehen? Ich meine, eigentlich wurde ich gemocht, aber in letzter Zeit fehlte etwas. Irgendetwas, was mir sonst immer die Kraft zum Leben gegeben hatte. War es mein Vater, den ich so sehr vermisste? - Nein ich glaube nicht, der war so gemein zu meiner Mutter gewesen. Hatte auf einmal eine Andere gehabt. Nein. Es war was anderes.

Meine Freunde vielleicht? - Ja schon eher, dachte ich mir. Aber die waren ja eigentlich auch unerwünscht immer da, wie man an Lea bemerkte. Ich hatte einfach diese Wut, die nicht weggehen wollte und dann dauernd diese Kopfschmerzen. Gerade jetzt, wollte ich wieder etwas zerstören. Da war nur ich. Ich sah zur Brücke und mir wurde übel. Ich hatte einen Entschluss gefasst. Ich würde springen. Runter. Auf die Autobahn. Ich hoffte, dass es nicht schmerzvoll sein würde und stand auf. Ganz langsam lief ich an das Geländer und schaute runter. Ich schätzte, dass es neun Meter waren. Ich war traurig darüber, dass ich so kurzfristig einen Entschluss gefasst hatte, und keine Zeit mehr gehabt hatte, einen Abschiedsbrief zu schreiben.

Mir liefen die Tränen über die Augen. als ich mich ganz langsam am Geländer hochzog. Mir liefen viele gute Momente aus meinem Leben an meinem inneren Auge vorbei, aber auch sehr viele schlecht und dann war ich mir ganz sicher. Ich würde springen. Doch gerade als ich loslassen wollte, spürte ich einen warme, feste Hand an meinem Arm...

hopeless lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt